Stolpersteine Markgraf-Albrecht-Straße 4

Hauseingang Markgraf-Albrecht-Straße 4

Hauseingang Markgraf-Albrecht-Straße 4

Die Stolpersteine für Kurt Danziger, Lucie Hoffmann, Hermann Hoffmann, Charlotte Lilly Koltun und Martha Meyer wurden am 8. Mai 2012 verlegt. Der Stolperstein für Käte Friedländer wurde am 7. April 2022 verlegt.

Stolperstein Kurt Danziger

Stolperstein Kurt Danziger

HIER WOHNTE
KURT DANZIGER
JG. 1886
GEDEMÜTIGT/ ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
15.6.1939

Stolperstein Lucie Hoffmann

Stolperstein Lucie Hoffmann

HIER WOHNTE
LUCIE HOFFMANN
GEB. MEYER
JG. 1880
GEDEMÜTIGT/ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
13.9.1942

Stolperstein Hermann Hoffmann

Stolperstein Hermann Hoffmann

HIER WOHNTE
HERMANN HOFFMANN
JG. 1866
GEDEMÜTIGT/ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
9.9.1942

Stolperstein Charlotte Lilly Koltun

Stolperstein Charlotte Lilly Koltun

HIER WOHNTE
CHARLOTTE LILLY
KOLTUN
JG.1914
DEPORTIERT 24.8.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Charlotte – genannt Lilly – Koltun ist am 20. September 1914 in Berlin geboren. Über Herkunft und Leben der jungen Frau ist in Archiven kaum etwas zu finden. Bei der Volkszählung vom 17.5.1939 wurde sie als ledig und staatenlos registriert. Zu diesem Zeitpunkt wohnte sie in Wilmersdorf in der Markgraf-Albrecht-Straße 4 als Untermieterin bei Prager. Da der Eintrag „Prager, W., Schauspiel.“ in den Berliner Adressbüchern bis 1941 auftaucht, nicht aber in den Deportationslisten, ist anzunehmen, dass die Vermieter keine Juden waren oder aus Deutschland flüchten konnten.
Einige Zeit vor der Volkszählung hatte Lilly Koltun in Schöneberg in der Innsbrucker Straße 54 bei Krebs gewohnt. Dorthin zog sie auch wieder am 3.3.1941, wahrscheinlich, weil Pragers Wohnung ihr nicht mehr als Unterschlupf zur Verfügung stand. Am 6.8.1943, als sie wie alle zur Deportation vorgesehenen Jüdinnen und Juden eine Vermögenserklärung abgeben musste, wohnte sie wieder woanders: in Charlottenburg in der Leibnizstraße 55 bei Frau von Bosse, die ausdrücklich als „Arierin“ gekennzeichnet war – in einem möblierten Zimmer für den stolzen Preis von „100 Reichsmark incl. Frühstück“. Von wem diese Auskunft stammt, ist nicht erkennbar.
Woher sie das Geld für die Miete genommen haben soll, ist unerklärlich, denn nach eigenen Angaben war sie „ohne Beschäftigung“. Ihre Vermögenserklärung hat sie, was an der Schrift erkennbar ist, nicht selbst ausgefüllt – wahrscheinlich tat es ein von der SS dafür eingesetzter jüdischer Helfer. Jedenfalls befand sie sich im Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26, einem ehemaligen Jüdischen Altersheim, wo die Listen für die Todeszüge zusammengestellt wurden.
Am 24. August 1943 wurde Lilly Koltun in einem Waggon mit 50 Menschen vom Bahnhof Grunewald nach Auschwitz deportiert. 23 von ihnen wurden in den Gaskammern getötet, 9 Männer und 18 Frauen wurden nach der Selektion in Birkenau ins Lager eingewiesen.
Obwohl bei ihr nichts zu holen war, suchte der Gerichtsvollzieher Hartmann am 31.8.1943 die Wohnung in der Leibnizstraße, musste aber erkennen: „Das Haus ist durch Bombenschaden vollkommen ausgebrannt.“ Am 23.10.1943 notierte dann der Obergerichtsvollzieher Otto Becker: „Koltun hat möbliert gewohnt und eigene Sachen nicht besessen.“ Beide berechneten für ihre unergiebigen Dienstgänge je 2,50 Reichsmark an Schätzkosten, Fahrtauslagen und Schreibgebühren.
Auf der Innenseite des kargen Aktendeckels, den die Finanzbehörden über Lilly Koltun anlegten, ist der Vermerk angebracht: „Kein Vermögensanfall“. Der Beamte Krabel vom Hauptwirtschaftsamt der Stadt Berlin fasste die sinnlose Aktion zusammen: „Schätzung erfolglos, somit keine Räumung“.
Dieses Schicksal ist ein krasses Beispiel dafür, wie viele Menschen und Kräfte des Nazi-Staates daran beteiligt waren, eine einzige junge, arme und schutzlose Jüdin aus purem Rassenhass ums Leben zu bringen. Im Februar 1960 gingen noch Anfragen beim Entschädigungsamt Berlin ein, ob Akten über Charlotte Koltun vorhanden seien, sie blieben unbeantwortet.
Recherche und Text: Helmut Lölhöffel

Stolperstein Martha Meyer

Stolperstein Martha Meyer

HIER WOHNTE
MARTHA MEYER
JG. 1888
GEDEMÜTIGT/ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
11.9.1942

Stolperstein Käte Friedländer

Stolperstein Käte Friedländer

HIER WOHNTE
KÄTE
FRIEDLÄNDER
JG. 1891
DEPORTIERT 1.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Käte Friedländer wurde am 31.März 1891 in Brieg, Schlesien, geboren als Tochter von Emil Friedländer und Anna Friedländer, geb Gottstein. Sie wurde – wie in der Familie üblich – evangelisch-lutherisch getauft.
Sie war in ihrer Heimatstadt als Lehrerin vor allem für die Fremdsprachen Englisch und Französisch an einer Mittelschule tätig. In den 20er Jahren war sie auch mal zu einem Sprach-Aufenthalt in England unterwegs.
Vor und während des Ersten Weltkriegs war Käte Friedländer zweimal verlobt. Beide Männer sind aber im Krieg gestorben, seitdem war sie alleinstehend.
Nicht nur für ihre Nichte Hilde Risel war „Tante Käte“ mit ihrer modernen Kurzhaarfrisur, ihrem selbstbestimmten Leben und weltläufigen Geist ein frühes „Role Model“.
In Brieg hatte sie keine eigene Wohnung, sondern wohnte bei den Eltern, wo bis zu seiner Hochzeit 1931 auch ihr Bruder Karl Albert lebte.
Zu Beginn der Nazizeit konnte sie aufgrund ihrer jüdischen Wurzeln nicht in Brieg bleiben. Sie war in der dortigen Öffentlichkeit – auch wegen ihrer Stellung als Lehrerin – zu bekannt. So beschloss sie, nach dem Erlass der Nürnberger Gesetze 1935 in Berlin „unterzutauchen“. Zunächst in einem möblierten Zimmer in Charlottenburg, dann unter kümmerlichen Verhältnissen an wechselnden Adressen auch in Wilmersdorf. An ihrer letzten „freiwilligen“ Adresse in der Markgraf-Albrecht-Str. 4 wurde ein Stolperstein zu ihrem ehrenden Andenken verlegt.
In Berlin hat sich auch Pastor bzw. Probst Heinrich Grüber von der Bekennenden Kirche für sie und andere Christen jüdischer Abstammung eingesetzt. Er ist u.a. dafür selbst ins KZ gekommen.
In ihrem letzten Versteck ist Käte Friedländer während des Zweiten Weltkriegs verraten und aus der Wohnung in eine Berliner Fabrik zur Zwangsarbeit verschleppt worden. Während eines Luftangriffs sind alle jüdisch stämmigen Zwangsarbeiter abtransportiert worden. Vermutlich zunächst in ein sogenanntes „Judenhaus“ in Berlin-Wilmersdorf, Markgraf-Albrecht-Straße 14. Von dort ist Käte Friedländer mit anderen Bewohnern unter besonders brutalen und menschenverachtenden Umständen von Angehörigen der Leibstandarte SS Adolf Hitler kilometerlang durch die Straßen Berlins zum Güterbahnhof Moabit getrieben worden. Von da aus wurde sie mit dem 31. Transport per Zug am 1. März 1943 nach Auschwitz verbracht. Dort wurde auch Käte Friedländer von den Nazis ermordet.

Biografische Zusammenstellung: Martin Risel