Stolpersteine Markgraf-Albrecht-Straße 5

Hauseingang Markgraf-Albrecht-Str. 5, 22.07.2012

Hauseingang Markgraf-Albrecht-Str. 5, 22.07.2012

Die Stolpersteine für Sali Max Fraenkel, Henriette und Regina Harris sowie Jenny und Katharina Manneberg wurden von Hausbewohner/innen gespendet, der für Rudolf Augustin von Dirk Leicher, Berlin. Sie wurden am 08.05.2012 verlegt.

Nach neueren Recherchen (2021) hätte der Stolperstein für Sali Max Fraenkel vor dem Haus Nr. 13 verlegt werden müssen, in dem er von 1933 bis 1941 freiwillig wohnte.

Stolperstein Sali Max Fraenkel, 22.07.2012

Stolperstein Sali Max Fraenkel, 22.07.2012

HIER WOHNTE
SALI MAX FRAENKEL
JG.1878
DEPORTIERT 14.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 16.5.1944
AUSCHWITZ

Sali Max Fraenkel, er selbst nannte sich privat stets Max, wurde am 21. Februar 1878 im oberschlesischen Zülz, Kreis Neustadt, geboren. Der Stammbaum seiner Familie väterlicherseits kann bis in das späte 16. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Max lernte seinen Vater, den Getreidekaufmann Simon Fraenkel nie wirklich kennen. Er starb am 8. August 1882, als Max noch ein Kleinkind war. Seine Mutter Anna zog mit ihm und seinen Geschwistern in das nur 7 Kilometer entfernte Neustadt. Dort machte er seinen Schulabschluss und in den späten 1890ern zog er nach Breslau, wo er eine Banklehre begann. Danach ging er nach Berlin, er hatte eine Anstellung bei der Disconto Gesellschaft bekommen. Später in den 20ern wurde er Depositen–Vorsteher bei der Deutschen Bank, er selbst gab seinen Beruf mit Bankvorsteher an. Sein Lebensmittelpunkt war bis zu seiner Deportation ununterbrochen in Berlin.

Max hatte acht Geschwister: Rosa *1861, Klara *1864, Eugen *1866, Hedwig * 1869, Fritz *1871, Paul *1875 und Olga und Jenny, die beide im Kleinkindalter starben. Die Mutter Anna geb. Kaufmann verstarb 1918 in Breslau.

Am 5. März 1916 hatte er, inzwischen schon 38 Jahre alt, in Breslau seine Frau Martha geb. Plessner geheiratet. Sie war am 5. Oktober 1888 in Kattowitz als Tochter von Emanuel Plessner, einem Kohlengroßhändler und dessen erster Ehefrau Friederike Landau geboren worden. Ihren Unterhalt verdiente sich Martha in Breslau als Klavierlehrerin. Ihr Sohn erinnerte sich später daran, wie sie mit ihrem wunderschönen Mezzosopran deutsche Lieder sang und sich selbst am Klavier begleitete.

Stefan (Stephen) Joseph Fraenkel

Am 18. November 1917 kam im Jüdischen Krankenhaus im Wedding der einzige Sohn Stefan Joseph auf die Welt. Die Familie wohnte damals und für lange Jahre in der Wielandstraße 5.
Es war zunächst eine glückliche Zeit für die Fraenkels. Sie lebten in Wohlstand in der großen Wohnung mit Hausmädchen. An den Wochenenden machten sie gemeinsam Ausflüge zu den Seen in der Umgebung Berlins und die Urlaube wurden gern an der Ostseeküste oder zum Wandern am Tegernsee verbracht. Beeinträchtigt wurde das Leben einzig durch die rasante Inflation, Max‘ regelmäßiges Einkommen brachte die Familie jedoch einigermaßen durch die schwierigen Jahre.

1929 erkrankte Martha Fraenkel an Lymphdrüsenkrebs. Am 22. Dezember 1932 erlag sie der heimtückischen Krankheit. Sie wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee bestattet.
Das Kapitel eines relativ unbeschwerten Familienlebens war mit dem Tod der Mutter beendet.

Max beschloss, die große Wohnung in der Wielandstraße aufzugeben und zog mit seinem inzwischen 15jährigen Sohn Stefan in eine 3-Zimmerwohnung in die Markgraf–Albrecht–Straße 13. Diese blieb seine Adresse bis kurz vor der Deportation. Der Eintrag auf der Sonderkartei für Juden, angelegt im Rahmen der Volkszählung 1939, nach dem Max Fraenkel in der Markgraf–Albrecht–Straße 5 gewohnt haben soll, kann nur auf einem Schreibfehler beruhen. In sämtlichen Dokumenten, die Max Fraenkel bis 1941 handschriftlich angefertigt hat, sowie allen Einträgen in den Berliner Adressbüchern bis 1940 ist die Markgraf–Albrecht–Straße 13 seine Wohnadresse gewesen.

Max und sein Sohn Stefan versuchten das Leben ohne die Ehefrau und Mutter so gut es ging zu gestalten. Max kaufte 1933 einen Dachshundwelpen, den er „Männe“ nannte und der ihn treu begleitete, bis im Mai 1942 die Verordnung erging, dass Juden das Halten von Haustieren verboten sei. Kummervoll ließ er 4 Wochen vor seiner eigenen Deportation Männe einschläfern und schrieb unter die Tötungsbescheinigung „Am 2.6.42 habe ich meinen lieben treuen Hund Männe durch den Tierarzt Oelhorn töten lassen. In Trauer Sali Fraenkel“.

Ab 1935 mussten Max und sein Sohn von der Pension leben, die ihm zunächst noch durch die Deutsche Bank regelmäßig ausgezahlt wurde. Später wurden große Teile der Pension willkürlich konfisziert und die Fraenkels gerieten in finanzielle Schwierigkeiten. Das Hausmädchen musste entlassen werden und die Ausgaben für Ernährung, Kleidung und Sonstiges wurden drastisch gekürzt.

Stefan machte 1936 das Abitur an der damaligen Kaiser Friedrich Schule in der Knesebeckstraße, eine Immatrikulation an einer Universität war für ihn als jüdischem Jungen ausgeschlossen. So begann er im April 1936 eine Textilkaufmannslehre bei Sternberg & Salomon, verließ die Firma aber schon im Juli nach 3monatiger Probezeit. Max‘ und Stefans Leben stand von nun an einzig unter der Frage „Wie können wir physisch und finanziell überleben?“ Stefan konnte noch eine Ausbildung an der Technischen Hochschule in Hannover abschließen, bevor die jüdischen Studenten insgesamt exmatrikuliert wurden. Er kehrte zurück nach Berlin zu seinem Vater. Durch Vermittlung des jüdischen Mathematikprofessors Otto Toeplitz erhielt Stefan 3 Affidavits und ein Studentenvisum für die Universität in Lincoln, Nebraska, USA. Im Januar 1938 brach er nach Hamburg auf, von wo sein Schiff in die USA ablegen sollte.

Ausreiseantrag Max Fraenkel

Max lag in diesen Tagen nach einer Prostataoperation im Krankenhaus. Sein Sohn verabschiedete sich von ihm am Krankenbett mit dem Versprechen, ihn in die USA nachzuholen.

Im den folgenden Jahren spielte sich ein nervenaufreibendes Drama um die Ausreise von Max in die USA ab.

Im Februar 1939 erhielt Max eine Bescheinigung des amerikanischen Generalkonsulats in Berlin, wonach sein Ausreiseantrag mit der Wartenummer 66870 vermerkt sei. (Insgesamt haben die Vereinigten Staaten zwischen 1933 und dem Beginn des 2. Weltkriegs 95000 Juden aus Österreich und Deutschland aufgenommen.)

Letzte Nachricht über das DRK von Max Fraenkel

Sein Sohn – er hatte seinen Vornamen inzwischen in Stephen geändert – war inzwischen mit der Finanzierung der Ausreise beschäftigt. Max durfte in Deutschland über sein zum großen Teil in Aktien angelegtes Vermögen nicht verfügen. Die Aktien, wie auch andere Vermögenswerte, sind nach seiner Vermögenserklärung 1942 „dem Reich verfallen“.

Da das bürokratische Verfahren sich immer länger hinzog und eine offizielle Einreise in die USA anhand der enormen Warteliste immer aussichtsloser erschien, versuchte Stephen mit Hilfe eines Kuba Touristen Visums den Weg über Havanna in die USA zu organisieren. Auch hier ergaben sich zahllose Schwierigkeiten, die sich bis 1941 hinzogen.

Die Verfolgung der Juden in Deutschland war in dieser Zeit immer gnadenloser geworden und eine offizielle Ausreise war ihnen längst nicht mehr gestattet.

Max Fraenkel war 1941 die Wohnung in der Markgraf–Albrecht–Straße 13 gekündigt worden und er bewohnte ein Zimmer in der Droysenstraße 5 zur Untermiete – zusammen mit seiner Schwägerin Recha Schaub, der Schwester seiner Frau Martha. Das Mobiliar der 3-Zimmerwohnung hatte weit unter Wert verschleudert werden müssen oder war irgendwo in der Nürnberger Straße eingelagert worden. Einige Wertsachen, darunter 2 goldene Uhren und ein Armband wurden im Garten einer Villa in der Stallupöner Allee 52 vergraben.

Trotz allem hatte Max offenbar seinen Glauben daran nicht verloren, dass ein Regime, das ihn verfolgte, entrechtete und töten würde, ihm einen letzten Willen gestattete. Er verfasste am 12. Juli 1940 ein Testament, in dem er nach seinem Tod seinen Sohn als Alleinerben einsetzte, die Jüdische Gemeinde mit der Pflege des Grabes seiner Frau beauftragte, seine Schwägerin Recha Schaub finanziell bedachte und ihr die Versorgung seines Hundes Männe übertrug. Im Oktober 1941 änderte er es noch einmal ab und setzte nun Stephens Ehefrau Josephine als Haupterbin ein.

Im Juni 1942, zwei Wochen vor seiner Deportation nach Theresienstadt, führte er in einer 16seitigen Vermögenserklärung akribisch auf, was sein Eigentum war. Die Geheime Staatspolizei protokollierte: „Der Jude Sally Fraenkel ist am 14.7.42 nach dem Osten außerhalb der Reichsgrenze evakuiert worden. Sein Vermögen ist mit dem gleichen Tag dem Reich verfallen.“

Über das Deutsche Rote Kreuz konnte Max Sali Fraenkel am 18. Juni 1942 seinem Sohn noch eine letzte Nachricht aus Berlin zukommen lassen.

Nach fast zwei Jahren im völlig überfüllten Ghetto Theresienstadt ist der einst geachtete Berliner Bankkaufmann Max Sali Fraenkel entrechtet und ausgeraubt am 16. Mai 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz weiterverschleppt und dort ermordet worden.

Recherche/ Text Karin Sievert

Der Text basiert im Wesentlichen auf den Dokumenten der Sammlung:
https://collections.ushmm.org/search/catalog/irn592527

Stolperstein Henriette Harris, 22.07.2012

Stolperstein Henriette Harris, 22.07.2012

HIER WOHNTE
HENRIETTE HARRIS
GEB. LEWEK
JG. 1861
DEPORTIERT 12.1.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET 22.3.1943

Henriette Harris, geb. Lewek, geboren am 13. Januar 1861 in Konitz (Chojnize) im damaligen Westpreußen, hatte in der Markgraf-Albrecht-Straße 5 gewohnt – zusammen mit ihrer Tochter Regina und früher wahrscheinlich auch mit ihrem vor 1939 gestorbenen Mann. Von ihm ist nicht einmal der Vorname überliefert, von den beiden Frauen gibt es nur wenige Spuren.
Im November 1942 mussten sie kurzfristig unter Zwang in die Sybelstraße 35 umziehen, wo sie im Vorderhaus im 1. Stock bei Hartmann in einem möblierten Zimmer wohnten, für das sie 50 Reichsmark Miete im Monat zu zahlen hatten. In diesem Eckhaus am Holtzendorffplatz lebten außer ihnen mindestens 21 jüdische Menschen, die Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns wurden. Zum Gedenken an sie sind dort Stolpersteine verlegt worden. Bewohner namens Hartmann sind nicht darunter.
In ihre Vermögenserklärung, die sie vor der Deportation abgeben musste, diktierte Henriette Harris am 24.12.1942 auf die Frage „Welche Familienangehörigen wandern mit aus?“: „Tochter“. Tatsächlich war dieses Dokument am Heiligen Abend ausgefüllt worden. Am 9. Januar 1943 hielt sie sich jedenfalls im Jüdischen Altersheim Gerlachstraße 21 auf. Offenbar hatte sie dort noch einen Heimplatz gefunden. Am 12. Januar 1943 wurde sie jedoch vom Bahnhof Grunewald ins Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie an ihrem 82. Geburtstag eintraf und am 22. März ums Leben kam.
Henriette und Regina Harris hatten von ihrem Ererbten oder Ersparten wahrscheinlich gut leben können. Erhalten ist ein Schreiben der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, die damals den für Deportationen zuständigen Nazi-Behörden unterstand, an den Oberfinanzpräsidenten Berlin/Brandenburg vom 29.8.1944: „Henriette Harris hat mit uns anläßlich ihrer Abwanderung einen Heimeinkaufsvertrag geschlossen und zur teilweisen Erfüllung des Vertrages den halben Anteil der Darlehenshypothek an den Bankier Otto Scheurmann abgetreten.“ Der Hypothekenbrief sei aber nicht aufzufinden. Unterschrieben ist dieser Brief von Dr. Hugo Ehrlich. Was genau dahinter steckte, ist nur zu vermuten.
Ein Formular der Deutschen Bank, Zweigstelle Kurfürstendamm 92, listet das Vermögen von Henriette Harris auf. Demnach hatte sie auf dem Konto etwa 3 300 Reichsmark (RM) und Aktien im Wert von 9 500 RM. Bei der Union und Rhein Versicherungs AG hatte sie eine Police über 6 000 RM. Im Grundbuch waren außerdem eine halbe Hypothek auf ein Grundstück der Molkereibesitzerin Anna Höke, Berlin-Buchholz, Berliner Straße 46, in Höhe von 5000 Reichsmark und zwei Hypotheken für einen Rechtsanwalt Ernst Gothe in Rüdersdorf bei Berlin von 2 000 RM und einen Gottlieb Finke in Altlandsberg bei Berlin von 2 997,58 RM eingetragen.
Die Versicherungssumme der „außerhalb des Reichsgebiets abgeschobenen Jüdin Harris“ und die anderen Guthaben einschließlich der Grundschuld von Anna Höke sind am 11.1.1943 „durch Verfügung des Geheimen Staatspolizeiamts zugunsten des Deutschen Reichs einzogen worden“. In diese Zeit fällt auch eine Anfrage der Union und Rhein beim OFP, woher sie „den fällig gewesenen Jahresbeitrag für eine Hausratversichrung von 6,60 RM“ bekommen könne. Zahlreiche Finanz- und Justizbeamte und das Amtsgericht Pankow waren daran beteiligt, sich des Vermögens der Harris-Frauen zu bemächtigen.
Die mit ihrer Mutter zusammen lebende Regina Harris, geboren am 21. April 1890 in Briesen, war unverheiratet. Über ihr Leben ist nichts bekannt.
Am 11.1.1943 befand sie sich im Sammellager im ehemaligen Jüdischen Altersheim an der Großen Hamburger Straße 26. Tags darauf wurde sie – am gleichen Tag wie ihre Mutter Henriette, aber mit einem anderen Zug – vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald im Alter von 52 Jahren ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert.
Obergerichtsvollzieher Krönert, Friedenstraße 11, hielt fest: „Von der Untermieterin Harris befinden sich keine Sachen mehr hier. Nach Angabe der Hauswartin ist der Rest der Habe von der Harris mitgenommen worden. Die Einrichtungsgegenstände gehörten nach Angaben der Hauswartin dem Vermieter Hartmann.“ Regina Harris hatte über etwas Vermögen verfügt: Wertpapiere, eine Versicherung bei der Reichsversicherung für Angestellte und eine halbe Hypothek (die andere Hälfte hatte ihre Mutter) auf ein Grundstück der Molkereibesitzerin Anna Höke in Berlin-Buchholz über 5 000 RM. Alles wurde eingezogen. Sie wurde umgebracht.
Text und Recherche: Helmut Lölhöffel

Stolperstein Regina Harris, 22.07.2012

Stolperstein Regina Harris, 22.07.2012

HIER WOHNTE
REGINA HARRIS
JG. 1890
DEPORTIERT 12.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Jenny Manneberg, 22.07.2012

Stolperstein Jenny Manneberg, 22.07.2012

HIER WOHNTE
JENNY MANNEBERG
GEB. HARRIS
JG. 1859
DEPORTIERT 26.6.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 28.10.1944
AUSCHWITZ

Im selben Haus wie Henriette und Regina Harris wohnten Jenny Manneberg, geb. Harris, und deren Tochter Katharina, die „Käte“ gerufen wurde. Jenny Manneberg und Henriette Harris waren Schwägerinnen. Von den Männern, die offenbar beide vor 1939 gestorben waren, ist nichts bekannt. Jenny Manneberg wurde am 26. Juni 1859 im westpreußischen Strasburg (Brodnica), südlich von Elbing (Elblag), geboren. Katharina Manneberg ist am 31. März 1893 im sächsischen Zittau geboren, sie war unverheiratet. Über beide ist nichts mehr herauszufinden, es existiert nur noch eine Karteikarte mit den Lebens- und Todesdaten.
Eines Tages im Juni 1942 wurden sie abgeholt und in einem geschlossenen Transporter unächst in die Große Hamburger Straße 26 gefahren, wo früher ein Jüdisches Altersheim gewesen war, das die Nazis seit Anfang Juni geräumt und als Registrierungsstelle für die zur Deportation vorgesehenen Jüdinnen und Juden eingerichtet hatten. Von hier wurden die beiden Frauen anderntags morgens um 5 Uhr mit einem Sonderwagen der Straßenbahn zum Anhalter Bahnhof gefahren und in einen mit 50 Menschen voll besetzten normalen Personenwagen getrieben, der an den fahrplanmäßigen Zug über Dresden nach Prag angehängt wurde. Am frühen Abend trafen sie in dem seit November 1941 errichteten Ghetto in Theresienstadt ein, wo sich schon mehr als 50 000 Menschen auf engstem Raum drängten. Es war der 26. Juni 1942 – der 83. Geburtstag von Jenny Manneberg.
Zwei Jahre lang mussten sie erleiden, wie Theresienstadt immer voller und unerträglicher wurde und wie Tausende nach und nach verschwanden. Am 28. Oktober 1944 wurden auch Jenny und Katharina Manneberg in einen Zug gesteckt, der wie viele andere ins Vernichtungslager Auschwitz rollte. Dort sind sie umgebracht worden.

Stolperstein Katharina Manneberg, 22.07.2012

Stolperstein Katharina Manneberg, 22.07.2012

HIER WOHNTE
KATHARINA
MANNEBERG
JG. 1893
DEPORTIERT 26.6.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 28.10.1944
AUSCHWITZ

Stolperstein Rudolf Augustin, 22.07.2012

Stolperstein Rudolf Augustin, 22.07.2012

HIER WOHNTE
RUDOLF AUGUSTIN
JG. 1919
KRIEGSDIENST VERWEIGERT
ZUM TOD VERURTEILT
VERWEIGERUNG WIDERRUFEN
STRAFBATTALLION
TOT IN GEFANGENSCHAFT
MOSHGA / RUSSLAND
12.11.1944

Urteil Rudolf Augustin Seite 1

Urteil Rudolf Augustin Seite 1

Rudolf Augustin ist am 29. September 1919 in Berlin geboren. Aus verschiedenen Quellen, hauptsächlich Akten des Reichskriegsgerichts aus dem Militärarchiv Prag, lässt sich über das Leben dieses Mannes, der aus religiöser Überzeugung den Kriegsdienst verweigerte und deshalb von den Nazis mit 25 Jahren in den Tod geschickt wurde, einiges rekonstruieren.
Er hat eine Schlosserlehre gemacht und war als Autoschlosser tätig. Mit 13 Jahren trat er aus der evangelischen Kirche aus und beschäftigte sich später mit der Lehre der Bibelforscher, denen sein Vater, von Beruf Maurer, angehörte.
Mit Kriegsbeginn 1939 wurde Rudolf Augustin Soldat in Frankreich, er gehörte dem Infanterie-Regiment 338 in Lübben an. Danach wurde er mehrfach „unabkömmlich“ gestellt, weil er als Schlosser in der Rüstungsindustrie gebraucht wurde. Am 2.12.1943 wurde er allerdings erneut einberufen in das Grenadier-Ersatz-Bataillon 67 in Spandau. Augustin lehnte aber die Einkleidung und den Empfang von Waffen ab, verweigerte also den Wehrdienst.
Im Dezember 1943 wurde er deshalb vor dem Reichskriegsgericht in Torgau angeklagt und am 15.2.1944 zum Tode verurteilt. Die Bestätigung des Urteils erfolgte am 25.2.1944. Wenige Tage später, am 1.3.1944, bat Rudolf Augustin in Todesangst und unter Druck um Wiederaufnahme des Verfahrens und kündigte an, er wolle seine Verweigerung „ohne jeden Vorbehalt“ zurücknehmen. Daraufhin wandelte das Reichskriegsgericht am 8.3.1944 das Todesurteil in eine Gefängnisstrafe von vier Jahren „wegen Zersetzung der Wehrkraft“ um. Am 16.3.1944 wurde die Strafe „zur Feindbewährung ausgesetzt“ – dies war die Umschreibung dafür, dass er als „Kanonenfutter“ an die Kriegsfront abkommandiert wurde.
Die Einheit, zu der er nach Russland versetzt wurde, ist nicht bekannt. Seit dem 11.7.1944 galt Rudolf Augustin jedenfalls als „vermisst“. Als 2006 die Kriegsgräberfürsorge russische Archive zugänglich gemacht wurden, ließ sich aus einer Karteikarte ablesen, dass Rudolf Augustin in russische Kriegsgefangenschaft geraten war und am 12. November 1944 in Moshga/Udmurtien „verstorben“ sei. Eine Todesursache ist nicht vermerkt. Sein Grab befindet sich in Moshga I am Ural in Russland.

Recherche und Text: Dirk Leicher

Urteil Rudolf Augustin Seite 2

Urteil Rudolf Augustin Seite 2

Urteil Rudolf Augustin Seite 3

Urteil Rudolf Augustin Seite 3