Am Nikolsburger Platz 2 wohnte Doris Ivers , geb. Lehmann, die am 2. September 1879 in Wormditt (Ostpreußen) geboren ist. Registriert war sie von den Nazi-Behörden mit der Kennkarten-Nummer A 449970 als „jüd.“ (jüdisch) und „verw.“ (verwitwet). Ihr Ehemann war Hugo Ivers, mit dem sie 1936 dort einzog (vorher: Düsseldorfer Straße 5 und Bayreuther Straße 11). Er war Besitzer einer 1903 gegründeten Textil- und Bekleidungsfirma in der Kronenstraße 38/40. In den 1930er Jahren war Hugo Ivers im Berliner Adressbuch anfangs mit dem Zusatz „Konfektionsstoffe“, ab 1935 als „Agent“ und 1938 als „Vertreter“ eingetragen. Von 1935 an wurde sein Unternehmen enteignet und einem neuen Inhaber namens Gustav Müller zugeteilt. 1939 ist Hugo Ivers wohl gestorben, denn 1940 stand er nicht mehr im Adressbuch, bei der Volkszählung am 17.5.1939 war nur noch Doris Ivers registriert.
Als Familienangehörigen gab sie in den Personenakten ihren Sohn Hellmut Ivers an, der nach England „ausgewandert“ sei. Er hatte 1927 in Leipzig über das Thema „Die Hypnose im deutschen Strafrecht“ promoviert und war als Jurist tätig. Seit 1932 war er Rechtsanwalt in Berlin, schon 1933 wurde ihm jedoch die Zulassung wieder entzogen. Daraufhin entschloss er sich zur Flucht.
In einer mit Bleistift am 9. Dezember 1942 ausgefüllten Vermögenserklärung, die im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam einzusehen ist, hat Doris Ivers als Wohnung vor ihrer Deportation die Schaperstraße 2 angegeben, wo sie „ein Leerzimmer“ bei Leopold Brandt gemietet hatte. Vermutlich war sie zwangsweise vom Nikolsburger Platz dorthin umgesiedelt worden. Immerhin konnte sie einige Möbel mitnehmen, darunter einen Nähtisch. Bei der Dresdner Bank hatte sie 108,64 Reichsmark (RM), bei einer Sparkasse 45,27 RM.
Erschreckend ist, wie viele Menschen an der geplanten Ausplünderung der zur Deportation und Ermordung vorgesehenen Frau beteiligt waren und wer sich daran bereicherte. Insgesamt wurde ihr Vermögen von einem Obergerichtsvollzieher namens H. Schlassus auf „2 500 RM“ beziffert, er kassierte dafür 218 RM „Schätzkosten“. Ein von Frau Ivers beauftragter „Konsulent“ (das waren jüdische Anwälte, denen die Zulassung entzogen worden war und die nur Juden vertreten durften), Hans Gumpert, der in der Mommsenstraße 56 wohnte, hat schließlich der Finanzbehörde schriftlich mitgeteilt, dass das Vermögen in Höhe von 1 823 RM beschlagnahmt worden sei. Am 21. Januar 1941 hielt die Vermögensverwertungs-Außenstelle fest, dass Doris Ivers der Finanzkasse „6 RM Vermögenssteuer und Vollstreckungsgebühren“ schuldig sei, die von dem Gesamtbetrag abzuziehen seien. Am 14. Dezember 1942 ist Doris Ivers vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald ins Vernichtungslager Auschwitz
deportiert worden.
Quellen: Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam; Berliner Adressbücher 1930-1939; Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945, Datenbank der Humboldt-Universität zu Berlin; Simone Ladwig-Winters: Anwalt ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933. Berlin, 2007
Recherchen: Lothar Lewien, Helmut Lölhöffel; Text: Lothar Lewien