Stolpersteine Trautenaustr. 12

Hauseingang Trautenaustr. 12

Hauseingang Trautenaustr. 12

Alle hier zu sehenden Stolpersteine wurden am 29.04.2012 verlegt.

Stolperstein Martha Hesse

Stolperstein Martha Hesse

HIER WOHNTE
MARTHA HESSE
JG. 1888
DEPORTIERT 6.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Die am 10. April 1888 in Berlin geborene Martha Hesse war die Tochter von Moritz und Fanny Hesse. Sie war unverheiratet und als freie Krankenschwester tätig. Sie ging in ihrem Beruf auf, es ging ihr finanziell gut, und sie wohnte im gutbürgerlichen Wilmersdorf in der Trautenaustraße 12, bis sie im Juni 1942 gezwungen wurde, in eine kleine Wohnung in der Kaiserallee 44 umzuziehen.

Im Gedenkbuch “Juden in Charlottenburg” erzählt Ingrid Mattheußer-Schönberg aus ihrer Kindheit in der Nazizeit, dass ihr jüdischer Vater, der Anwalt Curt Schönberg, Anfang der 1940er Jahre von Antisemiten attackiert worden ist und zeitweilig im Rollstuhl saß: “Eine Krankenschwester kam ins Haus. Schwester Martha Hesse. Ich verstand nicht, weshalb meine Mutter ihr verbot, auch nur einen Schritt aus unserer Wohnung zu tun. Dass Schwester Martha bei uns war, durfte ich niemandem erzählen. Eines Tages ging sie aus dem Haus, um Lebensmittelkarten zu holen. Irgendwie erfuhr Mama davon und ging ihr nach, Sie durfte ihr noch eine warme Decke und ein paar Sachen bringen, ich glaube in die Große Hamburger Straße. Ich habe Schwester Martha nie wiedergesehen.”

Am 6. März 1943, wurde Martha Hesse mit einem – von den für die Massenvernichtung der Juden verantwortlichen Behörden als 35. Osttransport gekennzeichneten, mit 657 Menschen besetzten – Zug vom Bahnhof Grunewald nach Auschwitz deportiert. Sie war 55 Jahre alt.

Von ihren vier Schwestern gelang es dreien, nach Palästina auszuwandern. Die älteste, Elisabeth Jacobson geb. Hesse, verlor vor der Emigration ihren Mann Salomon Jacobson, der im November 1938 im KZ Buchenwald ermordet worden war.

Die vierte Schwester Olga Freund geb. Hesse wurde zusammen mit ihrem Ehemann Hans Walter Freund am 1. November 1941 in das Ghetto von Lodz deportiert.

Die Ärztin Käthe Hesse, die in Jerusalem lebte, hat 1962 für die Zentrale Datenbank von Yad Vashem für ihre Schwester ein Gedenkblatt geschrieben.

Text: Cristina Konn-Saile.
Quellen: “Juden in Charlottenburg. Ein Gedenkbuch”. Berlin 2009, Unterlagen des Brandenburgisches Landeshauptarchivs sowie Entschädigungsakten, Yad Vashem Zentrale Opferdatei.

Stolperstein Rosa Hirsch

Stolperstein Rosa Hirsch

HIER WOHNTE
ROSA HIRSCH
GEB. JOLLES
JG. 1876
DEPORTIERT 15.8.1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942

Stolperstein Dagobert Kallmann

Stolperstein Dagobert Kallmann

HIER WOHNTE
DAGOBERT KALLMANN
JG. 1860
DEPORTIERT 3.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET SEPT. 1943

Stolperstein Rosalie Kallmann

Stolperstein Rosalie Kallmann

HIER WOHNTE
ROSALIE KALLMANN
JG 1857
DEPORTIERT 3.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 9.8.1942

Dr. Dagobert Kallmann wurde am 28. Juni 1860 in Berlin geboren. Er studierte Veterinärmedizin und erlangte mit nur 22 Jahren die Approbation zum praktischen Tierarzt. Um diese Zeit wohnte und/oder arbeitete er in der Holzmarktstraße 50 in Berlin-Friedrichshain. Im Jahr 1900 promovierte er an der Universität Bern über „Die Ellenbogenbeuge des Pferdes und seine Behandlung“ mit Untersuchungen, die er an der Tierärztlichen Hochschule Berlin durchgeführt hatte.
Dr. Kallmann wurde Tierarzt am Zoologischen Garten Berlin. 1910 wurde er zum städtischen Obertierarzt ernannt. Seine Arbeit im Zoo war anspruchsvoll und abwechslungsreich. Aus den Artikeln, die er in der Tierärztlichen Rundschau und anderen Fachzeitschriften veröffentlichte, erfahren wir von tuberkulösen Affen, von der Elefantenkuh Mary, die 1924 an einer Verletzung starb, von Grislybären und Eisbären, die an Trichinose litten. 1925/26 erarbeitete Dr. Kallmann Vorschläge für die Einrichtung von Krankenstationen im Zoo und von Quarantäneeinrichtungen für zugekaufte Tiere. Dabei gab es immer auch Beziehungen zwischen der veterinärmedizinischen Arbeit und medizinischer Hygiene. Bei der Untersuchung der Frage, ob Tiertuberkulose über Schlachtfleisch auf den Menschen übertragen werden könnte, lernte Dr. Kallmann auch den berühmten Hygieniker Robert Koch kennen.

Nach seiner Berentung 1931 blieb er in der Berliner Tierärztlichen Gesellschaft aktiv. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten verschwand sein Name wie der anderer jüdischer Tierärzte aus den Akten.
Dagobert Kallmann war nicht verheiratet. Zum Zeitpunkt der Minderheitenvolkszählung 1939 lebte er mit der drei Jahre älteren, ebenfalls ledigen Rosalie Kallmann (geboren 9. November 1857) in der Trautenaustraße 12 in einer gemeinsamen Wohnung. Vielleicht war Rosalie seine große Schwester. Über die familiären Hintergründe von Dagobert und Rosalie war nichts in Erfahrung zu bringen.

Beide zogen in das jüdische Altersheim in der Iranischen Straße 3 in Berlin-Wedding. Dort mussten sie vor ihrer Deportation die Vermögenserklärungen ausfüllen; die Formulare sind leer, den Kallmanns war kein Pfennig geblieben.
Am 3. Juli 1942 wurden Dagobert und Rosalie Kallmann vom Anhalter Bahnhof aus nach Theresienstadt deportiert. Wahrscheinlich hatte sie die Gestapo direkt im jüdischen Altersheim abgeholt. Es war ein kleiner Transport mit insgesamt 50 alten Jüdinnen und Juden, das Durchschnittsalter war 75 Jahre. Nach einer unerträglichen Reise erreichten sie Bauschowitz (Bohušovice). Von dort aus mussten alle, die noch laufen konnten, die drei Kilometer ins Ghetto Theresienstadt zu Fuß gehen. Rosalie Kallmann wurde dort am 9. August 1942 ermordet, Dagobert Kallmann an einem nicht bekannten Tag im September. Sie waren 84 und 82 Jahre alt.

Recherche und Text: Christine Wunnicke

Quellen:
Gedenkbuch
Yad Vashem
Adressbücher Berlin
Bundestierärztekammer/NS-Schicksale
Georg Möllers, Jüdische Tierärzte im Deutschen Reich in der Zeit von 1918 bis 1945, Diss. Hannover 2002
Tierärztliche Rundschau
Tageblatt der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte