Stolpersteine Kaiserin-Augusta-Allee 85

Hauseingang Kaiserin-Augusta-Allee 85, Foto: Bukschat & Flegel

Hauseingang Kaiserin-Augusta-Allee 85, Foto: Bukschat & Flegel

Diese Stolpersteine wurden am 17.04.2012 verlegt. Der Stolperstein für Louis Falkenstein wurde von Gerhard Nimke (Stahnsdorf) gespendet.

Stolperstein Louis Falkenstein, Foto: Bukschat & Flegel

Stolperstein Louis Falkenstein, Foto: Bukschat & Flegel

HIER WOHNTE
LOUIS FALKENSTEIN
JG. 1873
DEPORTIERT 24.10.1941
LODZ/LITZMANNSTADT
ERMORDET 5.5.1942
CHELMNO/KULMHOF

Der Zahnarzt Louis Falkenstein , geboren am 15. August 1873 in Neustettin, war 68 Jahre alt, als er gewaltsam aus seiner geräumigen Wohnung an der Kaiserin-Augusta-Allee 85 geholt wurde. Die Nazis hatten um diese Zeit begonnen, „Judenwohnungen“ für Funktionsträger des NS-Regimes freizuräumen. Seine Frau war gestorben, eine Tochter Ruth (verheiratet Abels) überlebte die Judenverfolgung in England.
Louis Falkenstein wurde zunächst in das Sammellager in der Synagoge an der Levetzowstraße im Stadtbezirk Tiergarten gebracht, wo zahlreiche jüdische Berlinerinnen und Berliner auf ihre Deportation warten mussten. Am 24. Oktober 1941 wurde er dann zum Bahnhof Grunewald gebracht, wo er in einen Zug gesteckt wurde, der mit mindestens 987 Menschen nach Lodz, das damals Litzmannstadt hieß, fuhr. Aus dem dortigen Ghetto wurde er später weitertransportiert nach Chelmno/Kulmhof, wo er am 5. Mai 1942 ums Leben gebracht worden ist.

Stolperstein Eugen Prager, Foto: Bukschat & Flegel

Stolperstein Eugen Prager, Foto: Bukschat & Flegel

HIER WOHNTE
EUGEN PRAGER
JG 1876
DEPORTIERT 25.1.1942
ERMORDET IN
RIGA

Eugen Prager , geboren am 31. Mai 1876 in Bosatz bei Ratibor (Schlesien), wuchs in Breslau auf, wo seine Familie ein Geschäft für Herrenkonfektion besaß. Nach der Militärzeit machte er eine Ausbildung als Handlungsgehilfe, trat der Gewerkschaft und der SPD bei. 1905 heiratete er Frieda Orcudesch aus Hamburg, die sich 1911 scheiden ließen. Im Mai 1915 heiratete er Gertrud Friedländer, aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor.

Prager, der sich besonders in der Bildungsarbeit engagierte und ein gefragter Referent war, wurde Journalist, zunächst bei der Breslauer SPD-Zeitung „Volkswacht“, dann beim „Abendblatt“ in Offenburg und bei der „Rheinische Zeitung“ in Köln. Danach wurde er Chefredakteur der „Tribüne“ in Erfurt, von 1914 bis 1919 war er Politikredakteur und stellvertretender Chefredakteur der „Leipziger Volkszeitung“.

In der SPD stand Prager auf den linken Flügel und schloss sich 1917 der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei) an, einer Abspaltung der SPD, und ging zur Redaktion der USPD-Zeitung „Freiheit“, wo er von 1919 bis 1922 arbeitete. 1921 veröffentlichte er eine Geschichte der USPD“ und ging nach dem Zusammenschluss von SPD und USPD 1922 zur SPD-Zeitung „Vorwärts“. 1924 wurde er Sekretär der SPD-Fraktion des Reichstags und war faktisch deren Pressesprecher. Ende 1920er Jahre entwickelte er die Berliner SPD-Zeitung „Der Abend“, die sich publizistisch gegen den Nationalsozialismus wehrte.

Nach dem Reichstagsbrand 1933 verwüstete die SA seine Wohnung, Eugen Prager wurde als Jude rassisch und als Sozialdemokrat politisch verfolgt. Seitdem gab er unter den Namen seiner Frau Gertrud in der Schlüterstraße 31 den Nachrichten- und Zeitungsausschnittsdienst „Blaue Presse“ heraus. Nachts informierte er aus Telefonzellen SPD-Zeitungen im Ausland über Ereignisse in Nazi-Deutschland und schickte auch selbst Berichte ein.

Buch "Das Gebot der Stunde" von Eugen Prater

Buch "Das Gebot der Stunde" von Eugen Prater

Mitte der 1930er Jahre verhalfen die Pragers ihren Kindern Ruth, Irene und Michael zur Flucht nach Palästina. Dort besuchten sie sie 1937. Beim Abschied sagte der schon 71jährige Eugen Prager: „Meinen Weg gehe ich mit allen Konsequenzen in Deutschland weiter.“ Versuche der Kinder, eine Emigration zu ermöglichen, scheiterten.

Das Ehepaar Prager wohnte in der Kaiserin-Augusta-Allee 85 als Untermieter von Louis Falkenstein, der drei Monate vor ihnen deportiert wurde. Jedoch waren sie aus Geldmangel gezwungen, in ein möbliertes Zimmer in der Pariser Straße 63 umziehen.

Eugen und Gertrud Prager mussten sich in der Sammelstelle in der Synagoge Levetzowstraße melden und wurden am 25. Januar 1942 vom Bahnhof Grunewald mit 1044 Menschen während einer fürchterlichen Kältewelle ungeschützt in gedeckten Güterwagen fünf Tage lang nach Riga deportiert. In einem Wald in der Nähe des Bahnhofs wurden fast alle, die noch nicht erfroren waren, nach der Ankunft erschossen.

Literatur: Ilse Fischer, Rüdiger Zimmermann: „Unsere Sehnsucht in Worte kleiden“. Eugen Prager (1876–1942). Der Lebensweg eines sozialdemokratischen Journalisten. Historisches Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2005 und Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstrand in Charlottenburg. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Beriln 1991.

Stolperstein Gertrud Prager, Foto: Bukschat & Flegel

Stolperstein Gertrud Prager, Foto: Bukschat & Flegel

HIER WOHNTE
GERTRUD PRAGER
GEB. FRIEDLÄNDER
JG 1892
DEPORTIERT 25.1.1942
ERMORDET IN
RIGA

Gertrud Prager , geborene Friedländer, ist am 12. Dezember 1892 in Schulitz (Solec) im Bezirk Posen (Poznan) geboren. Sie war die zweite Frau des sozialdemokratischen Journalisten Eugen Prager, den sie 1915 in Leipzig heiratete, wo er leitend bei der „Leipziger Volkszeitung“ tätig war. Sie hatten drei Kinder: Ruth, Irene und Michael, denen sie 1934/45 zur Flucht nach Palästina verhalfen. Obwohl sie sich darum bemühten, auch die Eltern zu bewegen, ihnen zu folgen, misslang der Plan – einerseits am Willen des Vaters, „konsequent“ in Deutschland durchzuhalten, andererseits an fehlenden Auswanderungspapieren. In Not geraten, musste das Ehepaar Prager in eine kleinere Wohnung umziehen. Von dort wurden beide am 25. Januar 1942 bei klirrender Kälte auf dem Bahnhof Grunewald in einen Güterzug getrieben, der am 30. Januar in Riga ankam. Die meisten von denen, die nach dieser fünftägigen Qual noch nicht erfroren waren, sind sogleich erschossen worden.

Texte: Helmut Lölhöffel