Die nationalsozialistische Führung maß der Kunst von Beginn an zur Verbreitung ihrer Ideologie immense Bedeutung bei. Das Theater und der Film wurden dafür konsequent genutzt. Mithilfe der im September 1933 neu gegründeten „Reichskulturkammer“ wurden nicht nur Presse und Rundfunk, sondern auch alle Bereiche der Kunst unter zentrale Kontrolle gestellt. Zur Ausübung einer Tätigkeit im kulturellen Bereich wurde die Mitgliedschaft in einer der 7 Fachkammern Pflicht. Mit dem Erlass vom 05. März 1934 wurde “…Nichtariern die Aufnahme in die Fachverbände der Reichstheaterkammer… verweigert “ Wer keinen „Ariernachweis“ erbringen konnte, wurde nicht aufgenommen oder, soweit er schon einer Kammer angehörte, wieder ausgeschlossen. Damit schied eine Vielzahl jüdischer Theaterleute von heute auf morgen aus den Ensembles aus.
Elisabeth Bendix ist im Deutschen Bühnen-Jahrbuch 1935 noch im Namensregister verzeichnet, aber bereits ohne Engagement. Ab 1936 fehlt auch im Register ihr Name.
Die nationalsozialistische Rassenideologie fand auch Eingang in die Evangelische Kirche und im Zuge der Gleichschaltung mit dem Regime wurden „fremdblütige evangelische Christen“, also getaufte Juden und „Nichtarier“, aus den Gemeinden ausgegrenzt.
Ob Elisabeth Bendix in ihrer Taufgemeinde Grunewald auch wegen ihrer jüdischen Herkunft von Distanzierung oder Ausgrenzung betroffen war und was es für sie bedeutete, wissen wir nicht.
Nachdem es bereits in den ersten Wochen nach der Machtübernahme Hitlers reichsweit zu großangelegten Demonstrationen, zum Boykott jüdischer Rechtsanwälte, Ärzte und Geschäfte und zu Ausschreitungen gegen jüdische Mitbürger gekommen war, wurde die Diskriminierung der Juden in allen Lebensbereichen immer offensichtlicher und der Antisemitismus schien eine immer breitere gesellschaftliche Akzeptanz zu erfahren.
Schon Mitte der dreißiger Jahre hatte Otto Bendix einen Antrag auf Auswanderung gestellt, die erforderliche Unbedenklichkeitsbescheinigung erwirkt, die Judenvermögensabgabe und die Reichsfluchtsteuer in Höhe von 25 Prozent seines steuerpflichtigen Vermögens entrichtet, um dann jahrelang auf eine Genehmigung zur Auswanderung zu warten – vergeblich.
Mit der Verabschiedung der Nürnberger Gesetze im September 1935 gehörten deutsche Jüdinnen und Juden nicht mehr zur „Volksgemeinschaft“ und verloren damit auch den Anspruch auf ihr Vermögen sowie alle Ansprüche auf Renten, Pensionen und Versicherungen.
Neben der Sperrung und Beschlagnahmung von Emigrantenvermögen wurden bereits ab Sommer 1933 zahlreiche jüdische klein- und mittelständische Betriebe enteignet. Die Formen der “Arisierungen” reichten dabei von Beschlagnahme über Nötigung und Zwangsverkauf jüdischer Firmeninhaber mit “arischen” Käufern.
Jüdische Eigentümer großindustrieller Unternehmen blieben aufgrund ihrer Bedeutung für die Wirtschaft zunächst verschont. 1938 wurden Juden gezwungen, alles Vermögen über 5.000 Reichsmark dem Finanzamt zu melden. Wertgegenstände wie Edelmetall, Schmuck, Antiquitäten oder Aktien, die noch in jüdischen Haushalten vorhanden waren, wurden konfisziert oder mussten zu festen Niedrigpreisen bei staatlichen Stellen abgeliefert werden.
Auch Elisabeth Bendix hatte dieser Verpflichtung nachzukommen und alles in ihrem Haushalt befindliche Tafelsilber sowie Edelmetalle und Schmuck in der Städtischen Pfandleihanstalt Jägerstraße abliefern, bis hin zu Ottos silbernem Zigarettenetui.
Die Verkaufserlöse wurden der Reichsfinanzverwaltung und damit dem Deutschen Reich gutgeschrieben.
Elisabeth Bendix versuchte von Berlin aus fieberhaft, Kontakte zu Freunden oder Kollegen im Ausland zu knüpfen in der Hoffnung, über ein Engagement an Theatern oder bei einer Filmproduktion in London oder den USA doch noch die Möglichkeit der Ausreise zu erlangen. Wenn überhaupt, bekam sie – „bei allem Verständnis für Ihre Notlage“ – nur Absagen.
Am Morgen vor der Reichspogromnacht am 09. November 1938 meldeten Kaufmann Friedrich „Israel“ Bendix und Kaufmann Otto „Israel“ Bendix beim Amtsgericht Berlin für die Firma Bendix & Comp. Berlin incl. ihrer Textilfabrik in Sorau beim Handelsregister die Liquidation an.
Mit der “Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben” 1938 wurde Juden mit einem totalen Gewerbeverbot die Ausübung praktisch aller Berufe verboten. Die Mehrheit der deutschen Juden verlor ihre materielle Existenzgrundlage. Die nunmehr arbeitslosen und damit erwerbslosen Juden wurden Fürsorgeempfänger der städtischen Wohlfahrtsämter.
Im Januar 1939, kurz nach seinem siebzehnten Geburtstag, reiste der Sohn Peter nach England aus. Sein Vater Otto Bendix hatte ihn mit einem Papier ausgestattet, worin er im September 1938 dargelegt hatte, dass er seine Firma schließen und Deutschland verlassen wolle. Elisabeth Bendix erklärte darin, dass sie als Schauspielerin an englischen und deutschen Theatern in Berlin aufgetreten sei. Auch wenn Ihr Sohn Peter in England nichts mehr für seine Eltern erreichen konnte – er war entkommen und in Sicherheit.
Otto und Elisabeth Bendix sollte es nicht mehr gelingen, Deutschland zu verlassen.
Am 18. Juli 1939 wurde die Liquidation der Firma Bendix & Co. durch das Amtsgericht Berlin besiegelt. „Die Firma ist erloschen“ lautete der lapidare Eintrag im Handelsregister.
Der nun bereits völlig mittellose Otto Bendix musste der neu gebildeten „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“, der alle Juden nach Definition der Nürnberger Gesetze angehören mussten, zwangsweise beitreten und dort Beiträge zahlen.
Im August 1939 gingen Grundstück und Haus der Familie Bendix Lynarstraße 9 durch Zwangsverkauf in den Besitz ihres langjährigen Untermieters, des Parteigenossen Paul Thiefes, über. Das Ehepaar Bendix musste ihre im Erdgeschoß liegende 10-Zimmer-Wohnung für den neuen Besitzer räumen und in die viel kleinere Wohnung im 1. Stock ziehen.
Mit der Organisation des „geschlossenen Arbeitseinsatzes“ waren ab Januar 1939 alle jüdischen Männer in Deutschland durch die Sonderdienststelle des Arbeitsamtes zur Zwangsarbeit verpflichtet. In einem sogenannten „Beschäftigungsverhältnis eigener Art“, in dem sie weitgehend rechtlos waren und ausschließlich berufsfremd eingesetzt wurden wie bei der Müllabfuhr, Toilettenreinigung oder zu schweren und eintönigen Arbeiten in der Industrie.
Auch Otto Bendix wurde zur Zwangsarbeit verpflichtet. Ab Juli 1941 war er als Arbeiter bei der Firma Otto Wolff in Tempelhof tätig, für einen Tageslohn von 6,12 Reichsmark. Elisabeth Bendix wurde als Kartoffelschälerin bei Georg Kappel in Wilmersdorf beschäftigt. Ein Zentner geschälte Kartoffeln wurde ihr mit 2 RM vergütet.
Die im Oktober 1941 begonnenen Deportationen der Berliner Juden waren im Reichssicherheitshauptamt, das seit Juli 1941 mit der Gesamtorganisation und Vorbereitung der „Endlösung der Judenfrage“ beauftragt war, geplant worden. Als „Umsiedlungen“ getarnt wurde mit ihrer Durchführung die „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“ beauftragt. Diese hatte die Weisung, ein geeignetes Sammellager einzurichten und Personen auszuwählen und zum Ausfüllen von „Fragebögen“ zu veranlassen, bei denen die Gestapo insbesondere auf die Angaben zu den Vermögensverhältnissen wert legte. Nach diesen Fragebögen, die innerhalb von zwei bis drei Tagen ausgefüllt zurückgehen mussten, wurden durch die Gestapoleitstelle die Transportlisten zusammengestellt.
Den Betroffenen wurde eine schriftliche Mitteilung über die „Deportationsabsicht“ zugestellt, die Vorschriften über das mitzunehmende Gepäck und Hinweise zum Verhalten während des Transportes enthielt, sowie den 16seitigen Fragebogen zu den Vermögensverhältnissen. Die Wohnungsschlüssel sowie Geld- oder sonstige Vermögenswerte sollten bei der Abholung den Gestapo-Beamten übergeben werden.
Mit Datum 23. November 1941 lieferten Elisabeth und Otto Bendix ihre Vermögenserklärung ab, in der Otto Bendix den gesamten Hausrat, Möbel, Wäsche und Garderobe auflistete sowie sein Vermögen incl. Wertpapiere und Konten – über die er bereits nicht mehr verfügen konnte – mit ca. 110 bis 115000 RM angab. Bei der Frage nach der Konfession schrieb Otto in Elisabeths Fragebogen: evangelisch. Seine Person betreffend beantwortet er diese Frage mit: glaubenlos.
Durch die Jüdische Gemeinde wurde ihnen der Termin der „Abwanderung“ sowie die Transportnummer und Zeitpunkt mitgeteilt. Zwei Tage darauf, in den Abendstunden des 25. November, wurde das Ehepaar in ihrem Haus Lynarstraße 9 von der Gestapo verhaftet und nach Berlin-Moabit in das Sammellager Levetzowstraße 7 verbracht.
Ihre Wohnung wurde versiegelt, das gesamte Inventar in den folgenden Tagen versteigert.
Bei ihrer Ankunft in der Synagoge Levetzowstraße, die aufgrund ihrer Größe und der geringen Beschädigung während der Novemberpogrome als Sammellager bestimmt worden war, wurde den „Reichsfeinden“ Bendix von einem Gerichtsvollzieher eine förmliche Verfügung über die Einziehung ihres gesamten „volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ zugunsten des Deutschen Reiches ausgehändigt.
Ihr mitgeführtes Gepäck wurde ihnen abgenommen und auf Lastwagen zum Abfahrtbahnhof gebracht. Sie mussten sich einer Leibesvisitation unterziehen und ihr Handgepäck wurde durchsucht und beraubt. Zusammen mit mehr als 1000 Betroffenen lagerten sie bis zu ihrem Abtransport unter ständiger Bewachung durch die Gestapo im Betsaal auf dem Synagogengestühl oder auf dem Fußboden.
Das Ehepaar Bendix wurde der „Welle 7“ zugeteilt und am Morgen des 27. November zum Bahnhof Grunewald verbracht. Dort – vielleicht auf dem Bahnhofsvorplatz bei der Beladung des Zuges – ist es Elisabeth Bendix trotz strengster Bewachung durch die Gestapo noch gelungen, jemanden zu bitten, ihre Freundin Edith Hertzer zu benachrichtigen: