Max Weiss: gespendet von Uli Schröder,
Else Weiss: gespendet von Benjamin Schwarz,
Oswald Friedmann: gespendet von Renate Seidler,
Martha Friedländer: gespendet von Liane Stahn,
Hermine Kalmar: gespendet von Peter und Christina Delius,
Lucie Noack: gespendet von Bernd und Brigitte Wilms,
Margit Reichl: gespendet von Steffen Rissmann und Frau, alle Berlin, Xantener Straße 5.
In den spärlichen Resten von Unterlagen sind über die einstigen Bewohner/innen der Xantener Straße 5 nur bruchstückhafte Informationen zu finden. Immerhin lässt sich noch einiges rekonstruieren.
In den Akten zu Else Weiss , geboren am 26.1.1894 in Berlin, wird deren Tochter Ingeborg, geb. 1.3.1919 in Berlin, erwähnt. Ingeborg Gassenheimer , geb. Weiss, steht auf der gleichen Deportationsliste wie ihre Mutter: Am 26.2.1943 wurden sie in einem mit rund 1000 Menschen besetzten Zug vom berüchtigten Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald ins Vernichtungslager Auschwitz gebracht. Eine Meldeadresse von Ingeborg Gassenheimer ist aber nicht auffindbar. Für sie wurde nachträglich ein Stolperstein gesetzt.
Der Vater, Max Weiss , geboren am 23.11.1881 in Frankfurt a.M., ist am 16.6.1943 nach Theresienstadt verschleppt und dort am 25. Mai ermordet worden.
Auch die Mutter von Else Weiss, Grete Cohn, also die Großmutter von Ingeborg Gassenheimer, wohnte bis zum Tod 1941 in der Xantener Straße 5. Else und Max Weiss waren seit 1943 dort polizeilich gemeldet, vorher hatten sie in der Uhlandstrasse 80 bei Levin gewohnt.
Im Todesjahr der Mutter Grete Cohn, die als „verstorben“ registriert wurde, nahmen sich die Schwester Fanny, geb. am 30.8.1886, und ihr Ehemann Willy Wallmann, geboren am 6.3.1877 in Bernburg, gemeinsam am 4.11.1941 das Leben. Ihr Sohn Alfred hatte schon 1937 nach Chicago flüchten können, wo er als Fred Wallmann mit seiner Frau Ellen lebte. Sie hatten zwei Söhne: Steven und Howard Jay Wallmann, Jahrgang 1946. Auch zum Gedenken an Willy und Fanny Wallmann können an ihrem Wohnsitz Bechstedter Weg 2 in Wilmersdorf Stolpersteine verlegt werden.
Die Grenze des Stadtviertels beiderseits entlang des Kurfürstendamms, das in der brutalen Nazi-Sprache „judenrein“ bleiben sollte, führte durch die Xantener Straße. Viele der verdrängten jüdischen Bewohner/innen kamen nur mit Hilfe von Verwandten oder Freunden woanders unter oder wurden in „Judenwohnungen“ oder „Judenhäusern“ zwangseinquartiert, aus denen sie dann deportiert wurden. Einem Dokument der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) ist zu entnehmen, dass es in der Xantener Straße fünf solche „Judenwohnungen gab.
Fünf aus dem Haus Xantener Straße 5 deportierte Menschen waren erst kurze Zeit vor ihrem Abtransport in Ghettos oder Vernichtungslager in die Xantener Straße 5 eingewiesen worden und dort polizeilich gemeldet. Zwei von ihnen hatten die elterlichen Wohnungen bezogen, eine hatte hier ihre Jugend bei einer Tante verbracht. Offenbar wurden sie wieder in dieses Haus gebracht, um sie bald danach nach Osten zu deportieren.
Den Akten über Margit Reichl ist zu entnehmen, dass sie 1943 in eine der fünf “Judenwohnungen” umgezogen sei, allerdings offenbar nur für kurze Zeit. Sie hatte schon in früheren Jahren bei ihrer Tante Augustine Ludanyi, geborene Reichl, in der Xantener Straße 5 gewohnt, die nach amtlichen Angaben 1941 “verstorben” war und über die keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen sind. Margit Reichl lebte bis März in der Aschaffenburger Straße 6, wurde im Mai im Jüdischen Krankenhaus stationär behandelt und wurde am 1. Juli 1943 mit dem 94. Alterstransport nach Theresienstadt deportiert. Es ist grotesk, dass sie, wie in einem Gestapo-Dokument zu lesen ist, noch danach als “flüchtig” gesucht wurde.
Ebenfalls erst ab Januar 1943 in der Xantener Str. 5 gemeldet war Hermine Kalmár . Von 1941 bis 1942 hatte sie möbliert bei Hermann Michaelis in der Wittelsbacher Straße 25 gewohnt. Dort wurde ihre Habe nach dem Gesetz „über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“ am 1. Oktober konfisziert. Am 28. Januar 1943 wurde sie mit 100 Menschen vom Anhalter Bahnhof ins Ghetto Theresienstadt deportiert. In diesem Zug saß auch Leo Baeck, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Berlins, der die Befreiung erlebte und überlebte. Hermine Kalmár wurde am 21. Juli 1944 umgebracht.
Lucie Noack , geb. Friedländer, wohnte bei Goldstein in der Wilhelmsaue 3, bevor sie wieder in der Xantener Str. 5, vermutlich in der Wohnung ihrer Mutter Martha Friedländer , gemeldet war. Die 1891 in Berlin geborene Frau ist am 5.9.1942 mit 796 Menschen vom Güterbahnhof Moabit über Insterburg nach Riga deportiert worden und dort wie die meisten – darunter 25 Kinder unter zehn Jahren – sofort nach ihrer Ankunft am 8. Mai erschossen worden. Martha Friedländer, geb. Cassirer, wurde am 10.9.1859 in Beuthen (Oberschlesien) geboren. Sie ist mit dem „10. Alterstransport“ am 25.6.1942 nach Theresienstadt deportiert worden, wo sie am 8.7.1942 im Alter von 83 Jahren zu Tode kam. Nur diese dürftigen Daten sind bekannt, über sie sind sonst keine Unterlagen mehr vorhanden.
Die im Landeshauptarchiv in Potsdam lagernde Akte von Oswald Friedmann ist aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht einzusehen. Er wurde am 19. Januar 1942 in einem mit 1002 Menschen vollgestopften Eisenbahnzug bei eisiger Kälte nach Riga deportiert und dort am 15. April im Ghetto umgebracht.
Eine nicht mehr lebende Mieterin des Hauses Xantener Str. 5 zeigte in den 1990er Jahren einem der heutigen Hausbewohner, Uli Schröder, ihren Mietvertrag aus dem Jahr 1943. Darin wurde ihr ein „judenfreies“ Haus garantiert. Die Mörder haben gründlich gearbeitet.