HIER WOHNTE
HUGO REIMANN
JG. 1870
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
20.8.1942
Hugo Reimann wurde am 2. April 1870 in Schwarzenau in der Nähe von Posen geboren. Er heiratete 1900 Lea Fürth, die ebenfalls aus Schwarzenau stammte und am 31. März 1877 geboren worden war. Die Ehe blieb kinderlos.
Hugo Reimann betrieb mit dem Bruder seiner Frau, Arnold Fürth (geboren am 4. Januar 1879), die Firma Poper&Fürth, einen „Engros Handel mit Knöpfen und Besatzartikeln“. Die Firma, die 1905 gegründet worden war, war ein florierendes mittelständisches Unternehmen, das am Hausvogteiplatz 12 in Berlin ansässig war und beiden Familien eine gehobene Lebensführung ermöglichte. 1934 bezog das Ehepaar Reimann eine 3 ½ -Zimmer-Wohnung in der Emser Straße 16 in Wilmersdorf. Vorher hatten sie in der Uhlandstraße in Charlottenburg gewohnt.
Die Firma „Poper&Fürth“ musste 1938 im Zuge der „Zwangsarisierung“ weit unter Wert verkauft werden. 1939 wurde das Unternehmen liquidiert. Nach dieser Enteignung emigrierte Arnold Fürth, der Bruder Lea Reimanns, am 16.3.1939 in die Niederlande, wo sein ältester Sohn, Heinz-Joachim Fürth (geboren am 14. August 1911), seit 1935 eine Niederlassung der Firma leitete.
Hugo und Lea Reimann hatten schon seit 1933 Auswanderungspläne. 1939 erlangten sie eine Ausreisegenehmigung und Visa für England, wo der jüngere Sohn von Arnold Fürth, Alfred Fürth (geboren am 25. September 1913), lebte. Die Emigration verzögerte sich, da das Ehepaar lange auf die Genehmigung zur Mitnahme wertvoller Gegenstände wartete. Hugo und Lea Reimann hatten Angst vor der Armut im Alter in einem fremden Land. Ihre Einreisepapiere wurden wertlos, nachdem Deutschland den Zweiten Weltkrieg entfesselt hatte.
1942 wurde dem Ehepaar die Wohnung in der Emser Straße gekündigt und sie zogen zur Untermiete in ein Zimmer in der Lietzenburger Straße 34.
Am 20. August 1942 sollten Hugo und Lea Reimann in das Ghetto Theresienstadt deportiert werden. An diesem Tag setzten sie ihrem Leben selbst ein Ende.
In ihrem Testament setzten Hugo und Lea Reimann ihre Geschwister Gustav Reimann, Arnold Fürth und Edith Baer, geb. Fürth, und deren Ehepartner als Erben ein. Sie alle wurden in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet. Ein Bruder Hugo Reimanns, Hermann Reimann, überstand die Zeit der NS-Diktatur, weil er in einer „privilegierten Mischehe“ (so hieß damals das Vokabular der NS-Rassebehörden) lebte. Der älteste Sohn von Arnold Fürth wurde in Bergen-Belsen ermordet, seine Frau und sein kleiner Sohn in Auschwitz. Die anderen Kinder dieser Familien überlebten, weil sie nach Brasilien, nach England und in der Schweiz auswandern konnten.
Das Schicksal Hugo und Lea Reimanns ist exemplarisch für die Niedertracht und Bösartigkeit, mit der mit diesen Menschen umgegangen wurde Das Ausmaß der mit deutscher Gründlichkeit gepaarten Beraubung während der NS-Diktatur ist ebenso unfassbar wie die schleppende Bearbeitung von Entschädigungsanträgen in den Ämtern der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg beschämend war. Die überlebenden Neffen und Nichten Lea Reimanns in England, in der Schweiz und in Brasilien bekamen erst 1963 eine gesamte Wiedergutmachung von 14 200 DM für die Verluste der Familie zugesprochen, die nicht wiedergutzumachen sind.
Forschungen und Text: Erika Traube, Quellen: Bundesarchiv, Entschädigungsamt