HIER WOHNTE
DAGOBERT COHN
JG.1876
DEPORTIERT 6.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 31.1.1944
Dagobert Cohn , geboren am 12. Oktober 1876 in Berlin, und seine Frau Frieda , geb. Hirschfeld, die am 20. August 1886 ebenfalls in Berlin geboren wurde, lebten in der Küstriner Straße 13, der heutigen Damaschkestraße 30. Das Ehepaar hatte eine Tochter, die am 2. Januar 1914 geborene Ilse.
Von dem Ehepaar wissen wir aus den Akten der Oberfinanzdirektion Berlin, dass Dagobert Rentenempfänger war. Er musste aber gleichzeitig Zwangsarbeit bei der Firma Weser-Flugzeugbau in Tempelhof für 0,76 RM pro Stunde leisten. Frieda war vermutlich Bankangestellte gewesen, bevor sie aufgrund der antijüdischen Gesetzgebung ihren Arbeitsplatz verlor. Sie erhielt eine Rente von der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte sowie von dem Rentenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes.
Seit dem 21. Mai 1941 wohnte die Familie in der Tauentzienstraße 11 im dritten Stock des Gartenhauses zur Untermiete bei Bendix. Von hier wurde das Ehepaar in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße gebracht, von wo es am 6. August 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde. Dagobert wurde dort am 31. Januar 1944 ermordet, das Todesdatum von Frieda ist der 14. August 1944.
Nach der Deportation ihrer Eltern nach Theresienstadt am 6. August 1942 bezog Ilse Cohn in der Pestalozzistraße 99 bei dem Mieter Gross im zweiten Stock des Vorderhauses ein Zimmer, für das sie 27,50 RM Miete zahlte.
Von Beruf war sie Stenotypistin, als ihre letzte Arbeitsstelle ist das Elektromotorenwerk von Siemens & Schuckert angegeben, ein Betrieb, der für die Rüstungsindustrie sehr wichtig war. Vermutlich stellte sie dort die Kupferwicklungen für die Elektromotoren her, eine Tätigkeit, die sie für einige Zeit geschützt hat.
Am 28. Februar 1943 begann im Deutschen Reich die von den Opfern so genannte „Fabrik-Aktion“. Im Verlauf dieser Aktion verhaftete die Gestapo mit Unterstützung der SS allein in Berlin mehr als 8000 jüdische Zwangsarbeiter entweder direkt an ihrem Arbeitsplatz in den Fabriken, auf offener Straße oder, durch einen Vorwand dorthin gelockt, in einer Polizeistation.
Ilse Cohn wurde am ersten Tag dieser Aktion verhaftet und in einem der fünf für diesen Zweck errichteten Sammellager, in der Großen Hamburger Straße, festgehalten. Hier musste sie eine Vermögenserklärung unterschreiben, in der allerdings keine Werte aufgeführt waren.
Die Liste des Inventars offenbart die einfache Ausstattung, mit der die damals 29-Jährige gelebt hat: In ihrem Zimmer befanden sich ein achteckiger Tisch, 2 Stühle, 1 Ruhebett, 1 Nähtisch und 1 Sessel. Das gesamte Inventar, das Ilse Cohn zurücklassen musste, da sie vermutlich direkt in der Fabrik verhaftet wurde, schätzte ein Gerichtsvollzieher auf 130 RM.
Ilse Cohn wurde am 1. März 1943 nach Auschwitz transportiert. Dieser Transport markierte den Beginn der letzten großen Welle, mit der Juden nach Auschwitz gebracht wurden. „In dem ersten Transport befanden sich nach der Zählung in Auschwitz ungefähr 1500 Menschen. Nach der „Selektion“ wurden 142 Männer sowie 385 Frauen als Häftlinge in das Lager eingewiesen. Die übrigen Menschen wurden in den Gaskammern getötet.“(Gottwald/Schulle, S. 408)
Text und Recherche: Initiative Stolpersteine Charlottenburg-Wilmersdorf
Quellen: BLHA, Akten der OFD Berlin, Gottwald/Schull