Stolpersteine Damaschkestraße 30 (früher: Küstriner Straße 13)

Hauseingang Damaschkestr. 30

Hauseingang Damaschkestr. 30

Vor dem Haus Damaschkestraße 30 wurden am 20.9.2011 diese Stolpersteine verlegt.

Stolperstein Werner Karl Sobotker

Stolperstein Werner Karl Sobotker

HIER WOHNTE
WERNER KARL
SOBOTKER
JG. 1924
DEPORTIERT 15.8.1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942

Stolperstein Anna Sobotker

Stolperstein Anna Sobotker

HIER WOHNTE
ANNA SOBOTKER
GEB. NEHAB
JG 1898
DEPORTIERT 26.10.1942
RIGA
ERMORDET 29.10.1942

Stolperstein Sally Sobotker

Stolperstein Sally Sobotker

HIER WOHNTE
SALLY SOBOTKER
JG. 1891
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Sally Sobotker (geboren am 11. September 1891 in Hohensalza/Inowrazlaw) und Anna Sobotker (geboren am 21. Januar 1898 in Berlin) wohnten gemeinsam mit ihrem 1924 geborenen Sohn Werner Karl seit 1936 in der Küstriner Straße 13 (heute Damaschkestraße 30). Während der Beruf von Sally unbekannt ist – sein Eintrag in der Vermögenserklärung bezeichnet ihn als Arbeiter bei den Teres-Werken in Wittenau – lautet der Eintrag bei Anna, seiner Frau, „Hauswirtschaftslehrerin und Krankenpflegerin“, während Sohn Karl angibt, „Krankenpfleger (Praktikant)“ gewesen zu sein.

Zur Zeit der Deportation am 13. August 1942 war Karl jedoch als Arbeiter bei der Firma Warneke und Böhm, Fabrik von Farben und Lacken, in Berlin-Weißensee beschäftigt. Sowohl Vater Sally als auch der Sohn Karl waren wahrscheinlich zu Zwangsarbeit verpflichtet worden. Das bedeutete für beide, da die Arbeitsstelle jeweils mehr als vier Kilometer entfernt lagen, dass sie den ganzen Arbeitsweg zu Fuß zurücklegen mussten, da öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen ihnen seit Mai 1942 verboten war. Die Drangsalierung, der die jüdische Bevölkerung in dieser Zeit ausgesetzt war, zeigt sich besonders deutlich an solchen Schicksalen: Als Arbeitsstellen wurden weit entfernte Fabriken zugewiesen – Trägern von gelben Judensternen war die Mitfahrt in öffentlichen Nahverkehrsmitteln untersagt – es war Juden untersagt, Sohlenleder und Schuhe zu kaufen. Die hoffnungslose Lage, in der sich die jüdische Bevölkerung damals befand, ist heute nur noch schwer vorstellbar. Trotzdem hatten zahlreiche jüdische Mitbürger noch die Hoffnung, das Nazi-Regime zu überstehen. Eine Hoffnung, die sich für die Familie Sobotker nicht erfüllte.
Anna Sobotker hatte ihre letzte Beschäftigung im Palästinaamt für einen Wochenlohn von 18 RM. Seit dem 25. Juli 1941 war sie im Zuchthaus Cottbus inhaftiert. Das Zuchthaus Cottbus war zu dieser Zeit hauptsächlich durch Häftlinge belegt, die vom „Volksgerichtshof“ des Roland Freisler verurteilt worden waren. Über die Haftgründe können wir nur Vermutungen anstellen. Häufiger Haftgrund war die Verletzung der zahlreichen Verbote, die aber nie veröffentlicht wurden, sondern ausschließlich per Flüsterpropaganda verbreitet wurden. Verstöße gegen diese Verordnungen wurden häufig mit Gefängnis und Zuchthaus bestraft.

Bei der Durchsicht der Akten der Familie im Brandenburgischen Landeshauptarchiv fällt auf, wie viele Menschen in der staatlichen Bürokratie mit der Deportation und der Vernichtung der Familie Sobotker beschäftigt waren: Der Obergerichtsvollzieher Schramm, der bei der Inventarisierung der Wohnung bemerkte, dass ein Zimmer der Wohnung an die Untermieterin Marie Prankowsky vermietet war; der Hauseigentümer, die Firma Knorr-Bremse AG, die auf die Mietausfälle nach der Deportation der Familie Sobotker hinwies und bei der Oberfinanzdirektion 304 RM einforderte; die Mitarbeiter von Bewag und Gasag, die die Kaution von jeweils 10 RM mit dem Stromverbrauch bis zum Zeitpunkt der Deportation abrechneten; und die vielen Menschen, die zahlreiche Bescheinigungen ausstellten, mit denen der Abtransport der Familie bestätigt wurde.

Sally Sobotker wurde Ende Februar 1943 im Zuge der „Fabrikaktion“ in das Sammellager in der Levetzowstraße 8/9 gebracht und am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert. „Am 4. März 1943 wurde in Auschwitz der Zugang von etwa 1750 Menschen notiert. In dem Transport aus Berlin befanden sich 632 Männer und Knaben sowie 118 Frauen und Mädchen. Nach der „Selektion“ wurden 517 Männer sowie 200 Frauen als Häftlinge in das Lager eingewiesen. Die übrigen 1033 Menschen aus diesem Transport wurden in den Gaskammern von Birkenau getötet.“ (Gottwald/Schulle, Die Judendeportationen, Wiesbaden 2005, S. 413)

Werner Karls Deportation aus der Küstriner Straße fand am 13. August 1942 statt, er wurde am 15. August 1942 gemeinsam mit 1000 weiteren Personen vom Güterbahnhof Moabit an der Putlitzstraße nach Riga deportiert und dort ermordet.
Anna Sobotker wurde am 26. Oktober 1942 mit fast 800 weiteren Personen im Zuge der „Gemeindeaktion“ vom Bahnhof Moabit nach Riga transportiert und dort am 29. Oktober 1942 in den Wäldern bei Riga erschossen.

Recherche und Text: Frank Siebold

Stolperstein Ilse Cohn

Stolperstein Ilse Cohn

HIER WOHNTE
ILSE COHN
JG. 1914
DEPORTIERT 1.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein Frieda Cohn

Stolperstein Frieda Cohn

HIER WOHNTE
FRIEDA COHN
GEB. HIRSCHBERG
JG. 1886
DEPORTIERT 6.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 14.8.1944

Stolperstein Dagobert Cohn

Stolperstein Dagobert Cohn

HIER WOHNTE
DAGOBERT COHN
JG.1876
DEPORTIERT 6.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 31.1.1944

Dagobert Cohn , geboren am 12. Oktober 1876 in Berlin, und seine Frau Frieda , geb. Hirschfeld, die am 20. August 1886 ebenfalls in Berlin geboren wurde, lebten in der Küstriner Straße 13, der heutigen Damaschkestraße 30. Das Ehepaar hatte eine Tochter, die am 2. Januar 1914 geborene Ilse.

Von dem Ehepaar wissen wir aus den Akten der Oberfinanzdirektion Berlin, dass Dagobert Rentenempfänger war. Er musste aber gleichzeitig Zwangsarbeit bei der Firma Weser-Flugzeugbau in Tempelhof für 0,76 RM pro Stunde leisten. Frieda war vermutlich Bankangestellte gewesen, bevor sie aufgrund der antijüdischen Gesetzgebung ihren Arbeitsplatz verlor. Sie erhielt eine Rente von der Reichsversicherungsanstalt für Angestellte sowie von dem Rentenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes.

Seit dem 21. Mai 1941 wohnte die Familie in der Tauentzienstraße 11 im dritten Stock des Gartenhauses zur Untermiete bei Bendix. Von hier wurde das Ehepaar in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße gebracht, von wo es am 6. August 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde. Dagobert wurde dort am 31. Januar 1944 ermordet, das Todesdatum von Frieda ist der 14. August 1944.

Nach der Deportation ihrer Eltern nach Theresienstadt am 6. August 1942 bezog Ilse Cohn in der Pestalozzistraße 99 bei dem Mieter Gross im zweiten Stock des Vorderhauses ein Zimmer, für das sie 27,50 RM Miete zahlte.
Von Beruf war sie Stenotypistin, als ihre letzte Arbeitsstelle ist das Elektromotorenwerk von Siemens & Schuckert angegeben, ein Betrieb, der für die Rüstungsindustrie sehr wichtig war. Vermutlich stellte sie dort die Kupferwicklungen für die Elektromotoren her, eine Tätigkeit, die sie für einige Zeit geschützt hat.

Am 28. Februar 1943 begann im Deutschen Reich die von den Opfern so genannte „Fabrik-Aktion“. Im Verlauf dieser Aktion verhaftete die Gestapo mit Unterstützung der SS allein in Berlin mehr als 8000 jüdische Zwangsarbeiter entweder direkt an ihrem Arbeitsplatz in den Fabriken, auf offener Straße oder, durch einen Vorwand dorthin gelockt, in einer Polizeistation.
Ilse Cohn wurde am ersten Tag dieser Aktion verhaftet und in einem der fünf für diesen Zweck errichteten Sammellager, in der Großen Hamburger Straße, festgehalten. Hier musste sie eine Vermögenserklärung unterschreiben, in der allerdings keine Werte aufgeführt waren.
Die Liste des Inventars offenbart die einfache Ausstattung, mit der die damals 29-Jährige gelebt hat: In ihrem Zimmer befanden sich ein achteckiger Tisch, 2 Stühle, 1 Ruhebett, 1 Nähtisch und 1 Sessel. Das gesamte Inventar, das Ilse Cohn zurücklassen musste, da sie vermutlich direkt in der Fabrik verhaftet wurde, schätzte ein Gerichtsvollzieher auf 130 RM.

Ilse Cohn wurde am 1. März 1943 nach Auschwitz transportiert. Dieser Transport markierte den Beginn der letzten großen Welle, mit der Juden nach Auschwitz gebracht wurden. „In dem ersten Transport befanden sich nach der Zählung in Auschwitz ungefähr 1500 Menschen. Nach der „Selektion“ wurden 142 Männer sowie 385 Frauen als Häftlinge in das Lager eingewiesen. Die übrigen Menschen wurden in den Gaskammern getötet.“(Gottwald/Schulle, S. 408)

Text und Recherche: Initiative Stolpersteine Charlottenburg-Wilmersdorf
Quellen: BLHA, Akten der OFD Berlin, Gottwald/Schull

Stolperstein Alice Buttermilch

Stolperstein Alice Buttermilch

HIER WOHNTE
ALICE BUTTERMILCH
GEB. LIPSKI
JG. 1900
DEPORTIERT 4.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 29.9.1942
TREBLINKA

Alice Buttermilch geb. Lipski ist am 18. Februar 1888 in Posen (Poznan) geboren. Ihre Eltern hießen mit Vornamen Abraham und Margareta, die Geschwister waren Frieda (geboren 1903), Theodor (geboren am 15. Juli 1905) und Ruth (geboren am 20. März 1908). Die Familie zog nach dem Ersten Weltkrieg von Posen nach Berlin und lebte seit 1931 in der Bochumer Straße 31. Wie ihr Mann Leo (geboren am 27. Dezember 1874) wohnte Alice, die offenbar kinderlos war, in der Küstriner Straße 13 (heute Damaschkestraße 30). Vor ihrer Deportation sind beide als Folge der antisemitischen Gesetzgebung der Nationalsozialisten aus der Wohnung vertrieben worden und mussten in die Bochumer Straße 18 in die Wohnung der Mutter und Geschwister umziehen. Dort wurde ein Stolperstein zum Gedenken an sie verlegt (siehe auch www.stolpersteine-berlin.de/de/biografie/88). Alice war Lehrerin in der jüdischen Schule von Adass Jisroel im Sigmundshof an der Spree.

Zum Abtransport mussten sie sich in der Sammelstelle Große Hamburger Straße 26 melden. Am 4. September 1942 sind sie aus dem Sammellager über den Anhalter Bahnhof mit 100 Personen nach Theresienstadt deportiert worden; von dort wurden sie am 29. September 1942 nach Treblinka geschafft und ermordet.

Eine Nichte, Khana Gilboa, hat bei der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem ein Gedenkblatt für Alice Buttermilch, allerdings mit falschem Geburtsjahr (1898), eingereicht.

Biografische Zusammenstellung mit Material der Stolpersteininitiativgruppe Berlin-Friedenau

Stolperstein Leo Buttermilch

Stolperstein Leo Buttermilch

HIER WOHNTE
LEO BUTTERMILCH
JG. 1874
DEPORTIERT 4.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 29.9.1942
TREBLINKA

Leo Buttermilch ist am 27. Dezember 1874 in Schönlanke (Trzcianka) bei Posen (Poznan) geboren. Seine Wohnung, in der er mit seiner Frau Alice (geboren am 18. Februar 1888) lebte, lag im Stadtteil Halensee in der Küstriner Straße 13. Der Straßenname und die Hausnummer sind später in Damaschkestraße 30 geändert worden.

Bevor das Ehepaar – Kinder gab es anscheinend keine – am 4. September 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde, wurde es aus seiner Wohnung vertrieben. Beide waren gezwungen, in die Bochumer Straße 18 in die Wohnung der Schwiegermutter und der Geschwister umziehen. Dort wurden ebenfalls Stolpersteine zum Gedenken an ihn und sie verlegt (siehe auch www.stolpersteine-berlin.de/de/biografie/88). Doch dann mussten sie sich im Sammellager Große Hamburger Straße 26 für den Abtransport nach Theresienstadt registrieren lassen.

Todesort war Treblinka, wohin sie in einem Zug mit 2001 Menschen, von denen niemand überlebte, am 29. September 1942 gefahren wurden. Dort sind beide ums Leben gebracht worden.

Biografische Zusammenstellung mit Material der Stolpersteininitiativgruppe Berlin-Friedenau

Stolperstein Elfriede Russ

Stolperstein Elfriede Russ

HIER WOHNTE
ELFRIEDE RUSS
GEB. PERLBERG
JG. 1910
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
14.3.1943

Elfriede Russ geb. Perlberg ist am 23. September 1910 in Tarnowitz (Tarnowskie Gory) in Schlesien geboren. Sie lebte im Berliner Stadtbezirk Wilmersdorf in der Küstriner Straße 13 (heute: Damasckestraße), wo sie sich Untermieterin bei der Familie Sobotker registrieren ließ. Zeitweise war sie auch im Bezirk Tiergarten in der Solinger Straße 11 sowie in der Wilmersdorfer Straße 60 in Charlottenburg verzeichnet. Ihr Todesdatum war der 14. März 1943. Elfriede Russ beging, um der auch ihr drohenden Deportation zu entgehen, Selbstmord.