HIER WOHNTE
SARA SELMA MEYER
GEB. WOLFF
JG. 1877
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 8.5.1942
CHELMNO / KULMHOF
Sara Selma Meyer, geb. Wolff, wurde am 4. Januar 1877 in Bütow/Pommern geboren. Selma war die Tochter von Moritz Bernhard und Johanna, geb. Bluhm. Sie war verheiratet mit Bruno Meyer, der 1934 starb. Die Ehe war kinderlos. Als ihre Schwester Lore, verheiratete Lewinsohn, im April 1923 starb und eine Tochter hinterließ, nahm sie ihre damals 18jährige Nichte Eva zu sich. Eva heiratete den Anwalt Fritz Salomon in Berlin. Im Januar 1937, gerade noch rechtzeitig, gelang es ihr, mit Mann und zwei Kindern nach New York zu emigrieren. So überlebte die Familie.
Selma war nicht unvermögend. Sie hatte ein Bankkonto mit Wertpapieren in Höhe von 40.000 RM und eine Lebensversicherung. Sie besaß teuren Schmuck, Pelzmäntel und elegante Garderobe. Ihre Wohnung war ausgestattet mit wertvollen Perserteppichen, Silber, Kobalt-Rosenthal- und Meißner-Porzellan für 18 Personen sowie 6 Ölgemälden von namhaften Malern wie Toulouse-Lautrec und Spitzweg. Sie verkaufte die gesamte Wohnungseinrichtung an den Bankdirektor Schukkel zu dem Spottpreis von 6.580 RM, wovon die Oberfinanzkasse jedoch 2.000 RM einbehielt.
Dieser Verkauf zeigt, wie verzweifelt Selma war. Sie wollte ebenfalls auswandern. Sie hatte die Reichsfluchtsteuer in Höhe von 4.800 RM und die Judenvermögensabgabe von 14.000 RM bereits gezahlt. Wahrscheinlich hatte sie gezögert, wie viele ihrer Leidensgenossen, die nicht glauben konnten, dass sie ein so schlimmes Ende finden würden. Bis es zu spät war.
Selma Meyer musste in ihrem Leben viele Schicksalsschläge hinnehmen. Ihre Geschwister und ihr Mann waren gestorben: Lore 1923, Bernhard 1930, ihr Mann 1934, Bruder Willy 1941. Ihre Schwester Emmy Wolff wurde am 25. Januar 1942 nach Riga deportiert und ermordet. Lores zweite Tochter Judith, geboren am 4. Juli 1897 in Gera, war verheiratet mit Max Salomon, der 1884 in Zempelburg in Holland geboren war. Judith wurde am 23. März 1943 vom Internierungslager Westerbork nach Sobibor in Polen deportiert und ermordet. Der Sohn von Judith und Max, Heinz Salomon, wurde am 10. Juni 1924 in Hamburg geboren. Er wurde in einer privaten „Heil- und Pflegeanstalt“ in Wien getötet.
Selma wurde am 18. Oktober 1941 zusammen mit ihren Nachbarn Jenny Finkel, Arthur und Käthe Landsberger aus demselben Haus mit dem allerersten Transport vom Gleis 17 des Bahnhofs Grunewald mit 1088 Menschen nach Lodz/damals: Litzmannstadt deportiert. Damit nicht genug. Ein halbes Jahr später, am 8. Mai 1942 wurde sie nach Chelmno/Kulmhof weiter verschleppt und am selben Tag ermordet.
Recherchen und Text: Monika Herz
Quellen: Bundesarchiv; Yad Vashem: lebte während des Krieges in
Lodz, Kranichweg 13. Flat 19, Rauchgasse; Transportliste Nr. 702, Gestapo-Liste Nr. 979, „ohne Beruf, 64 Jahre“; Adressbuch 1938: „Selma Meyer, Ww. Giesebrechtstr. 4“.