Stolpersteine Giesebrechtstraße 7

Hauseingang Giesebrechtstr. 7

Hauseingang Giesebrechtstr. 7

Diese Stolpersteine wurden am 08.05.2011 verlegt und von Brigitte Fanelsa, Eva-Maria Lübbert, Ernst-Ulrich und Dorothea Matz, M. Mende und Martin Sinell gespendet.

Stolperstein für Arthur Landsberger

Stolperstein für Arthur Landsberger

HIER WOHNTE
ARTHUR
LANDSBERGER
JG. 1878
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 7.5.1942

Arthur Landsberger wurde am 29. November 1878 in Hannover geboren. Er war der Sohn von Sigismund und Amanda Landsberger und zog mit seinen Eltern und seinem Bruder Willi nach Berlin, als er noch ein kleines Kind war. Nach seiner Ausbildung heiratete er Käthe Klara Elvira Alwine geb. Löwenberg. Käthe wurde am 2. November 1879 in Berlin geboren. Das Paar hatte eine Tochter: Charlotte Sigrid, geboren 1906 in Berlin. Die Familie wohnte zuletzt in der Giesebrechtstraße 7.

Arthur trat als Vertreter und Reisender in die Firma Eduard Pincuss, einer Armaturen-Fabrik, ein. Er war fleißig und erfolgreich und wurde bald Junior-Partner des Eigentümers. Er reiste im Namen der Firma innerhalb Europas, nach Klein-Asien und Ägypten. Etwa 1910 zog sich der Inhaber zurück und Arthur wurde Alleininhaber der Firma in Friedrichshain, Große Frankfurter Straße 13, die inzwischen 400 Arbeiter hatte. Als angesehener Vertreter der Armaturenbranche war er Vorsitzender dieser Organisation und Mitglied des Handelsgerichts mit dem Titel Handelsgerichtsrat. Seine Tochter Charlotte erinnerte sich, dass ihr Vater ihr 1926 oder 1927 gesagt habe, sein Vermögen betrage etwa eine Million. Charlotte heiratete Ernst Reichenbach, und Arthur Landsberger nahm seinen Schwiegersohn 1928 in seine Firma auf, erst als Prokurist und 1931 als Junior-Partner und Mitinhaber.

Zunächst florierte das Unternehmen weiterhin. Der Boykott ab 1933 jedoch sowie der Beschluss, ab 1935 keine öffentlichen Aufträge mehr an jüdische Geschäfte zu vergeben, minderte die Geschäftstätigkeit. Aber die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom November 1938 bedeutete das Ende der Firma. Die Betriebe jüdischer Inhaber wurden damit zwangsweise neuen nichtjüdischen Eigentümern übereignet. Im Februar 1939 bemächtigten sich zwei SS-Leute der Firma Eduard Pincuss. Arthur Landsberger wurde unter Druck gesetzt, das Geschäft zu übertragen. Die Tochter Charlotte erinnerte sich, wie der Vater erschüttert nach Hause kam mit vier Tausendmarkscheinen in der Hand. Das war alles, was er von den Leuten für sein blühendes Geschäft erhalten hatte.

Einer der SS-Leute namens Bachtler arisierte die Firma und gab ihr den Namen Bachtler, Derpsch & Co. Derpsch war bereits als 14jähriger in Landsbergers Firma gekommen. Auch Arthurs Bruder Dr. Willi Landsberger spielten die Nazis übel mit. Er war Direktor einer Ölgesellschaft und verlor seinen Posten im Juni 1933, weil er Jude war. Er musste seine Wohnung in der Paulsborner Straße 3 aufgeben, floh über Paris nach Ungarn und emigrierte 1939 über London in die USA.

Charlotte wurde im Januar 1939 von Ernst Reichenbach geschieden. Die Eltern Landsberger ermöglichten ihrer Tochter die Emigration nach London. Sie wussten sie damit in Sicherheit. Aber sie haben sie nie wieder gesehen.

Arthur und Käthe wurden am 18. Oktober 1941 abgeholt und mit dem ersten Transport vom Bahnhof Grunewald mit mehr als 1000 Menschen nach Lodz/Litzmannstadt deportiert, zusammen mit ihren Nachbarn Selma Meyer und Jenny Finkel aus dem selben Haus. Käthe erlag den Strapazen am 6. Mai 1942, Arthur einen Tag später, am 7. Mai in Lodz.

Quellen: Gedenkbuch der Opfer; Yad Vashem: Lodz, Blattbindergasse 13, Flat 22; Statistik des Holocaust, Deportationsliste: Landsberger Arthur, Fabrikant Nr. 562 (Transportliste 951) und Käthe Elvira, Hausfrau Nr. 563 (708 Stenotypistin); Entschädigungsamt Berlin.

Stolperstein für Käthe Landsberger

Stolperstein für Käthe Landsberger

HIER WOHNTE
KÄTHE
LANDSBERGER
GEB. LÖWENBERG
JG. 1879
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 6.5.1942

Stolperstein für Kurt Meyer

Stolperstein für Kurt Meyer

HIER WOHNTE
KURT MEYER
JG. 1882
FLUCHT 1.4.1938
FRANKREICH
INTERNIERT DRANCY
DEPORTIERT 6.3.1943
ERMORDET IN
MAJDANEK

Kurt Meyer wurde am 19. Januar 1882 in Berlin geboren. Er war Arzt und Direktor der Bakteriologischen Abteilung am Rudolf-Virchow-Krankenhaus (1914-1933) und auch im Forschungsinstitut Robert Koch Berlin tätig. Über sein Privatleben ist den Akten nichts zu entnehmen. Er war nicht oder nicht mehr verheiratet. Vielleicht sah er den Sinn seines Lebens in der Ausübung seines Berufs und dem Studium der Bakteriologie. Aufgrund seines Berufsstands und seines Postens als Direktor einer Abteilung in der Charité war er nicht unvermögend. Er hatte Konten und ein Depot. Es ist bekannt, dass er, bevor er in der Giesebrechtstraße 7 gewohnt hat, eine Wohnung in Grunewald hatte. Er war ein erfolgreicher Mann, anerkannt in seinem Beruf als Bakteriologe und sah sich noch lange nicht am Ende seiner Laufbahn.

Dann aber kamen die Nazis. Und es war kein Trost, dass es ihm erging wie allen anderen jüdischen Ärzten ab 1933: Er verlor seine Befugnis zu forschen und zu veröffentlichen. Er wurde am Betreten des Krankenhauses und des Instituts gehindert. Er verlor sein Amt und sein Gehalt. Er wurde ersetzt durch einen Kollegen, der Mitglied der NSDAP war. Sein Bankvermögen wurde beschlagnahmt. Dr. Kurt Meyer war quasi mittellos. Um sich über Wasser zu halten, praktizierte er als „Krankenbehandler für Juden“. Im Adressbuch von 1936 ist Dr. med. Kurt Meyer, Arzt, Kaiserdamm 99 T. zu finden.

Die stufenweise Entrechtung und die ständige Furcht vor Verfolgung seit 1933 war für Kurt Meyer schließlich unerträglich geworden. Er lagerte seine Möbel bei der Firma Roth in Berlin ein. In der Hoffnung, seinen Häschern zu entgehen, floh er am 1. April 1938 nach Frankreich. Die Polizei in Berlin registrierte ihn als „vorübergehend abwesend“. Einige Jahre gelang es ihm, in permanenter Angst vor Entdeckung und das vermutlich ohne finanzielle Mittel in Frankreich zu leben. Am 2. März 1943 geschah es dann doch: in Le Guillac in der Dordogne wurde er verhaftet und ins Lager Gurs und weiter ins Sammellager Drancy gebracht. Vier Tage später, am 6. März 1943 wurde er von Drancy nach Majdanek deportiert. Genau fünf Monate später, am 6. August 1943 starb Dr. Kurt Meyer im Vernichtungslager Majdanek im Alter von 61 Jahren. 5 Jahre Erniedrigung durch die Nazis, 5 Jahre Illegalität im Ausland und 5 Monate Konzentrationslager. Das waren seine letzten Jahre.

Recherche und Text: Monika Herz
Quellen: Bundesarchiv; Yad Vashem; Adressbuch v. 1936 S. 1761
Schreiben der Charité Institut für Geschichte der Medizin an Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Abt. I Entschädigungsbehörde 23.5.2012 (Liste der verfolgten Ärzte und Ärztinnen des Bl. Öff. Gesundheitsdienstes 1933-1945); Entschädigungsamt Berlin