Stolpersteine Emser Straße 39 D

Hauseingang Emser 39 D

Hauseingang Emser 39 D

Die Stolpersteine wurden am 19.03.2011 verlegt und von Sola Eck, Dr. Marianne Gaehtgens, Frauke Giersch, gespendet.

Stolperstein für Lore Ida Halle

Stolperstein für Lore Ida Halle

HIER WOHNTE
LORE IDA HALLE
JG. 1897
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Ida Lori Halle kam laut überlieferten Geburtsurkunde am 26. Januar 1894 in Stettin (heute: Szczecin in Polen) Pommern zur Welt. Ihre Eltern, der 40-jährige Kaufmann Emil Halle (geboren 1854) und die 28-jährige Selma Halle, geborene Haurwitz (geboren am 16.5.1876), wohnten damals in der Pölitzer Straße 16 in Stettin.

Ob Ida Lori Geschwister hatte, ist nicht bekannt. Ihr Vater starb 1909, vier Tage vor Ida Loris 15. Geburtstag, mit 55 Jahren in der Charité in Berlin. Er wurde in seiner Heimat auf dem Israelitischen Friedhof Stettin beigesetzt.

Ihre Mutter Selma gab auf der Sterbeurkunde ihres Mannes an, dass sie in der König-Albertstraßer 38 in Stettin wohne. An dieser Adresse befand sich zur damaligen Zeit das Loewe Konservatorium, Hochschule für Musik mit Hörsaal und Unterrichtsräumen, das Bachinstitut und das Riemann Konservatorium. Vielleicht war Ida Loris Mutter dort tätig. Selma Halle starb am 23. März 1936 mit 60 Jahren und wurde ebenfalls auf dem Israelitischen Friedhof beigesetzt. Ida Lori war damals 42 Jahre alt.

Da es zu dieser Zeit viele antisemitische Übergriffe in Stettin gab, ist anzunehmen, dass Ida Lori sich in Berlin, der Stadt mit der größten jüdischen Gemeinde in Deutschland, sicherer fühlte und deshalb dort hinzog. Vielleicht hatte sie Freunde und Bekannte in Berlin. Bei der Minderheiten-Volkszählung am 17. Mai 1939 war sie in der Sächsischen Straße 39 d gemeldet. Das Berliner Adressbuch führte 1939 sechs Hauptmieterinnen in dem Haus 39 d. Eine der Hauptmieterinnen war E. Karin, Operettensängerin, die dort eine Schauspielschule führte. Vielleicht kannten sich beide aus Musikkreisen in Stettin.

Am 1. Oktober 1941 zog sie nach „mapping the lives“ in die Helmstedter Straße 21.

Ida Loris letzte Adresse war die Waitzstraße 25, hier wohnte sie als Untermieterin bei der Familie Löwenstein. Die Wohnung befand sich im Hochparterre. Fritz Löwenstein, der jüdische Hauptmieter, lebte mit seiner adeligen, protestantischen Ehefrau, der Baroness Johanna Löwenstein de Witt, in einer priveligierten Mischehe. Der Sohn Hans-Oskar (geboren am 22. Juni 1926 in Stralsund) galt für die Nationalsozialisten als Geltungsjude und musste schon mit 14 Jahren Zwangsarbeit in der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik am Eichborndamm leisten. Die Baronesse Löwenstein de Witt wurde immer wieder von der Gestapo vorgeladen und aufgefordert, sich von ihrem jüdischen Mann zu trennen.

Als Ida Lori Halle am Morgen des 27. Februars 1943 das Haus verließ, um zur Zwangsarbeit zu gehen, wusste sie nicht, dass sie niemals wieder zurückkommen würde. Am Arbeitsplatz wurde sie von der SS und der Gestapo im Rahmen der sogenannten „Fabrikaktion“ festgesetzt. Auch Fritz Löwenstein und sein Sohn Hans-Oskar kamen an diesem Tag nicht von der Arbeit nach Hause. Beide konnten jedoch im Zuge des Rosenstraßen-Protests ca. eine Woche später wieder befreit werden.

Die Vermögenserklärung, die vor der Deportation von Ida Lori auszufüllen war, ist im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam leider nicht mehr vorhanden. Auch im Landesarchiv Berlin, Entschädigungsbehörde, waren keine Akten nachweisbar.

Die Gestapo deportierte Ida Lori Halle am 3. März 1943 mit 1.885 anderen gelisteten Personen nach Auschwitz und ermordeten sie dort. Sie starb mit 49 Jahren.

Text und Recherche: Gundula Meiering

Auf dem Stolperstein zu Ida Lori Halles Gedenken wurde ihr Name versehentlich mit e graviert.

Quellen:
Mapping the Lives; Stettiner Adressbuch; Berliner Adressbücher; Arolsen Archives – Deportationslisten; Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen/über ancestry; My heritage

Stolperstein für Edith Jacob

Stolperstein für Edith Jacob

HIER WOHNTE
EDITH JACOB
JG. 1898
DEPORTIERT 2.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Edith Jacob wurde am 20. Mai 1898 als ältestes der vier Kinder von Samuel Jacob seiner Frau Mathilde, geb. Hoffmann, in Berlin geboren. Sie besuchte die höhere Schule, das Margarethen-Lyzeum, später die Handelsschule der Korporation der Kaufmannschaft und war nach der Abschlussprüfung als Kontoristin bei verschiedenen Firmen tätig, unter anderem in der Schürzenfabrik Bernhard Kass. Später war sie sechs Jahre lang in der Hauptstelle der Dresdner Bank tätig.

Nebenberuflich ließ sie sich zur Sängerin ausbilden, wurde beim Stadttheater Guben (Brandenburg) fest angestellt und war auf einigen Sommertournéen u.a. in Wilhelmshaven, Gelsenkirchen und Wanne-Eickel. Nach 1930 hatte sie eine eigene, schön eingerichtete Wohnung im Eckhaus Emser Straße/Pariser Straße, das heute noch steht. Hier gab es, nach Aussagen der Schwester Margarete Steinecke, geb. Jacob, die den Entschädigungsantrag stellte, alles, was eine Künstlerin zur Ausübung ihres Berufes und zur Repräsentation benötigte: einen Konzertflügel, wunderschöne Abendkleider, Pelze, Schmuck, Perserteppiche.

Edith war unverheiratet und kinderlos und lebte mit einem Lebensgefährten zusammen, von dem sie finanziell unabhängig war. Seit 1937 war sie Mitglied des Ensembles des jüdischen Kulturbund-Chores. Sie begleitete ihre Schwester nach Hamburg, die sich dort mit ihrem Sohn am 20.1.1939 auf der Monte Rosa einschiffte, um nach Sao Paulo auszuwandern. Edith wollte später mit ihrer Mutter nachkommen. Sie erlitt jedoch beim Anblick der Auswanderer und der umherschwirrenden Gerüchte einen schweren Nervenzusammenbruch – es war auch die Trennung vom Lebensgefährten vorausgegangen – und sie musste klinisch behandelt werden. Ihrer Mutter gelang es unter großen Schwierigkeiten, sie aus der Anstalt herauszuholen, aus Angst, dass sie sonst der Euthanasie zum Opfer gefallen wäre. Sie wurde dann zur Zwangsarbeit in der Wäscherei Spindler eingesetzt.

Die Mutter konnte 1940 auch nach Sao Paulo fliehen. Es folgten Räumung der Wohnung, Verschleuderung des Mobiliars, Unterbringung als Untermieterin in der Martin-Luther-Straße. Während der „Fabrikaktion“ Ende Februar/Anfang März 1943 wurde sie am 27. Februar 1943 an ihrer Arbeitsstelle festgenommen und am 2. März 1943 vom Bahnhof Grunewald in einem Zug mit 1 592 Menschen nach Auschwitz deportiert, direkt in die Gaskammern und die Verbrennungsöfen.

Biographie: Marianne Gaehtgens
Quellen: Entschädigungsbehörde

Stolperstein für Martha Pinner

Stolperstein für Martha Pinner

HIER WOHNTE
MARTHA PINNER
GEB.GUMPEL
JG. 1874
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
5.6.1942

Martha Gumpel wurde am 10. Dezember 1874 in Lübeck geboren. Ihre Eltern hießen Falck Salomon und Cäcilie Gumpel.
Am 3. Juni 1897 heiratete Martha in Lübeck den 10 Jahre älteren Kaufmann Max Pinner, sie hieß dann Martha Pinner. Sie zogen nach Berlin und bekamen hier zwei Kinder, Edgar wurde am 14. Juni 1898 und Gertrude am 3. März 1902 geboren. Die beiden verloren ihren Vater schon in jungen Jahren. Max Pinner starb 50jährig am 9. März 1914. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee bestattet.

Damals hatte die Familie am Rüdesheimer Platz 11 gewohnt.
Nach Max Pinners Tod zog die Witwe mit den beiden Kindern in die Düsseldorfer Straße 76 in eine 5-Zimmerwohnung. In den Berliner Telefon- und Adressbüchern ist seit 1915 „Martha Gumpel, Kaufmannswitwe“ unter dieser Anschrift als Haushaltsvorstand namentlich eingetragen. Im Juni 1933 musste sie diese Wohnung aufgeben. Der größte Teil der Einrichtung wurde damals verschleudert, denn Martha lebte in den darauf folgenden Jahren stets zur Untermiete in teilmöblierten Zimmern. Zuerst zog sie in die Babelsberger Straße 50. Aus den verbliebenen Unterlagen geht nicht hervor, wann und bei wem Martha Pinner in der Emser Straße 39 D lebte. Ihre letzte Bleibe war ein teilmöbliertes Zimmer bei dem jüdischen Wohnungsinhaber Benno Lobsenzer in der Bredtschneiderstraße 13. Dort war sie am 1. August 1938 eingezogen. Womit Martha ihren Lebensunterhalt in den Jahren zuvor bestritten hatte ist nicht bekannt, ihre Schwester Emma unterstützte sie zuletzt monatlich mit 100 RM. Davon musste sie noch einen Mietanteil von 50 RM bezahlen.

Martha Pinner sollte von der Bredtschneiderstraße aus deportiert werden. Sie füllte die Vermögenserklärung noch akribisch mit feiner Handschrift aus. Nichts deutete in dieser Schrift auf die Verzweiflung über ihr drohendes Schicksal hin. Angesichts der bevor stehenden Deportation nahm sich Martha am 5. Juni 1942 durch eine Überdosis Schlaftabletten das Leben. Am 11. Juni wurde sie an der Seite ihres Ehemannes Max auf dem Jüdischen Friedhof Weissensee bestattet.

Die Beerdigung wurde von ihrem Sohn Edgar angemeldet und bezahlt.
Edgar Pinner war mit Rosa Baer, geschiedene Rosenbaum verheiratet. Das Paar wohnte in der Holzmarktstraße 8. Ihre Ehe blieb kinderlos, Rosa hatte jedoch eine Tochter aus ihrer ersten Ehe. Edgar und Rosa Pinner wurden am 17. Juni 1943, ein Jahr nach Marthas Tod, gemeinsam nach Theresienstadt deportiert. Dort mussten sie die unmenschlichen Bedingungen 11 Monate lang ertragen, dann wurden sie am 18. Mai 1944 zusammen mit insgesamt 2500 Menschen in das Todeslager Auschwitz verschleppt, wo 2199 von ihnen sofort in den Gaskammern ermordet wurden.

Gertrude Pinner hatte in Berlin in der Bamberger Straße 17 gewohnt. Sie konnte ihr Leben durch Auswanderung in die USA retten. Zu welchem Zeitpunkt sie emigrierte ist ungewiss. Sie lebte in New York, ledig und kinderlos.

Recherche und Text: Karin Sievert

Quellen:
- www.bundesarchiv.de/gedenkbuch
- Landesarchiv Berlin, Historische Einwohnermeldekartei
- Entschädigungsamt Berlin
- Landeshauptarchiv Berlin – Brandenburg
- Opferdatendank des KZ Theresienstadt
- Jüdische Gemeinde zu Berlin, Friedhofsverwaltung
- Berliner Telefon- und Adressbücher