Gertrud und Paul hatten nach Aussage ihrer Tochter Suse schon 1936 unter dem Druck der zunehmenden Diskriminierung und den Schikanen gegenüber der jüdischen Bevölkerung Anstrengungen unternommen, nach Amerika auszuwandern. Sie waren beim Amerikanischen Konsulat für die Auswanderung in die USA registriert und besaßen ein Affidavit eines Amerikaners, der für sie gebürgt hatte. Obwohl das Geld für die nötigen Reisekosten von Gertrud und Paul Pincus vorhanden war, sollte es nicht zur Ausreise kommen. Gertruds Bruder Hermann Kapauner hatte sich im Januar 1939 nach Florida retten können und hegte bis zum Schluss die Hoffnung, dass ihm seine Schwester samt Familie nachfolgen würde.
Suse, die nach ihrer Volksschulzeit das Königin–Luise–Lyzeum besuchte, musste die staatliche Schule als jüdisches Kind verlassen und ging dann bis Januar 1938 auf die Theodor–Herzl–Schule. Diese Schule, unter der Leitung der jüdischen Reformpädagogin Paula Fürst, war 1920 unter dem Namen „Private Volksschule des Jüdischen Schulvereins“ gegründet worden. Die Schülerinnen und Schüler sollten auf die Alijah, die Auswanderung nach Palästina vorbereitet werden. Die Schule wurde 1938 geschlossen und Gertrud und Paul Pincus beschlossen, nachdem die Auswanderung in die USA unmöglich geworden war, Suse allein ins sichere Ausland zu schicken. Durch Vermittlung der Jüdischen Gemeinde kam die inzwischen 15-Jährige nach Schweden, wo sie drei Jahre lang die Internatsschule „Kristinehov“, Västabry bei Löberöd besuchte.
Die Familie Pincus lebte von Beginn an in der Windscheidstraße 8 in einer Drei – Zimmer – Wohnung. Nachdem Suse nach Schweden ausgereist war, brachte man in dem frei gewordenen Zimmer, Paul Pincus’ Vetter Rolf Bendix unter.
1941 wurde dem Ehepaar Pincus kurzfristig die Wohnung gekündigt. Die Jüdische Kultusgemeinde vermittelte den drei Personen zwei Zimmer zur Untermiete bei Markus (Marcus)in der Moabiter Thomasiusstraße 19.
Am 27. November desselben Jahres wurden Gertrud und Paul Pincus von der Sammelstelle in der ehemaligen Synagoge in der Levetzowstraße 7/8 nach Riga deportiert, wo sie drei Tage darauf im Wald von Rumbula vor den Toren Rigas ermordet wurden. Suse hat nie wieder etwas von ihren Eltern gehört. Da sie nach Beendigung der Schule völlig mittellos war, musste sie ihren Lebensunterhalt als Hausangestellte bestreiten. 1946 heiratete sie den ebenfalls geflüchteten Erich Paul Pinzke und bekam zwei Söhne, Thomas und Stefan. Suse starb am 8.
Juni 2012 in Helsingborg.
Das Schicksal von Gertruds Schwestern Betty und Margarethe ist nicht bekannt, ihre Mutter Luise wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet, der Vater Adolf war bereits 1931 verstorben.
Das Bezirksamt Pankow hat in Zusammenarbeit mit dem Frauenbeirat Pankow, AG Spurensuche am 10. März 2022 eine öffentliche Fläche zwischen Krüger-, Duncker- und Kuglerstraße in „Gertrud – Pincus – Platz“ benannt.