HIER WOHNTE
ERICH WOLPERT
JG. 1891
DEPORTIERT 8.11.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET
Erich Wolpert wurde am 17. September 1891 in Halle an der Saale geboren. Erichs Mutter hieß Henriette Wolpert geb. Cohn. Sein Vater, Markus Wolpert, war Kantor verschiedener Jüdischer Gemeinden, zunächst in Kolmar/Posen.
Hier kamen seine Geschwister Ella (26. November 1882) und Anna (25. Dezember 1883) auf die Welt. Die Familie zog bald in das nahe gelegene Kreisstädtchen Czarnikau, wo die Töchter Selma (6. Oktober 1888) und Paula (4. Oktober 1889) geboren wurden. Kurz darauf wurde Markus Wolpert Kantor in der Jüdischen Gemeinde Halle/Saale. In dieser Zeit wurden die letzten drei der sieben Kinder geboren, Erich, Martha (5. Februar 1893) und Viktor (11. Juni 1900).
Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zog die neunköpfige Familie Wolpert nach Berlin und lebte dort in der Gartenstraße 7. Erichs Vater Markus starb am 30. Dezember 1917. Seine Witwe Henriette zog daraufhin in die Solinger Straße 9. Dieses war auch Erichs Adresse, der in allen vorhandenen Dokumenten als Kaufmann bezeichnet wurde.
Erich war zeitweise beruflich in Stettin tätig, wo er am 15. Mai 1919 Lydia Karger heiratete. Er kehrte mit seiner Ehefrau nach Berlin zurück und zog mit ihr in die Prinzregentenstraße 86. Erich Wolperts „Herrenkleiderwendeanstalt HAKAWEA“ befand sich in der Chausseestraße 123. Die Geschäfte schienen gut zu laufen und die Wolperts lebten in relativem Wohlstand. Die 8- Zimmerwohnung der Familie im 3. Stock des Vorderhauses in der Prinzregentenstraße war mit wertvollem Mobiliar ausgestattet, wie Lydia Wolperts Nichte Helga Magner in dem 1952 gestellten Entschädigungsantrag beschrieb.
Bald wurden die beiden Söhne Manfred (26. November 1921) und Heinz (16. April 1925) geboren. Wahrscheinlich konnten beide Söhne nach der Volksschulzeit auf Grund des Ausschlusses jüdischer Schüler vom Unterricht an staatlichen Schulen keinen höheren Schulabschluss erlangen. Von Heinz ist lediglich bekannt, dass er Elektromaschinenbauer war. Jedenfalls war dieses die Berufsbezeichnung, die in der Deportationsliste hinter seinem Namen vermerkt wurde. Manfreds Schicksal hingegen ist unbekannt. Er gilt bis heute als verschollen, vermutlich tauchte er zu einem nicht bekannten Zeitpunkt unter oder wählte den Freitod. Im Gedenkbuch München wird angegeben, dass Manfred in einem Transport des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) von Berlin nach Auschwitz deportiert wurde. In der Liste der Deportierten wird sein Name jedoch nicht aufgeführt.
Als der Ausschluss der deutschen Juden vom öffentlichen Leben in eine forcierte Vertreibung überging, sahen sich drei der Schwestern Erichs und sein Bruder Viktor mit ihren Ehepartnern und Kindern gezwungen, Nazideutschland zu verlassen.
Anna Krucz, eine Pianistin, ging mit ihrem Mann, dem Ingenieur Richard Krucz, in die USA. Sie ließen sich in Beverly Hills, Kalifornien, nieder.
Paula Bochner, verheiratet mit dem Militärarzt Benno (Baruch) Bochner, lebte bis zu ihrem Tod 1951 in San Francisco.
Martha Hartvig, ihr Ehemann Max Hartvig und der Sohn Egon flüchteten nach Dänemark. Egon Hartvig kümmerte sich nach dem Krieg um das Gedenken an seine ermordeten Verwandten. Er reichte von Kopenhagen und später von Stockholm aus Gedenkblätter bei der Gedenkstätte Yad Vashem ein. Auch machte er sich erfolglos auf eine intensive Suche nach seinem Cousin Manfred Wolpert.
Dr. med. Viktor Wolpert und seine Frau Erika Sufrin flohen mit der Tochter Evelyn nach Shanghai und 1950 weiter in die USA. Das Grab des 1952 verstorbenen Viktor befindet sich auf dem „Sons of Israel“ Friedhof in Colorado Springs.
Das Schicksal von Ella Wolpert ist völlig ungewiss. Da sie im Gedenkbuch nicht erwähnt wird, besteht die Möglichkeit, dass sie ebenfalls den Holocaust im Ausland überlebt hat.
Selma Kantorowitz, verheiratet mit dem Sanitätsrat Dr. Hermann Kantorowitz, blieb in Berlin. Hermann Kantorowitz war 1937 verstorben und Selma wohnte mit ihrer Tochter Marianne in der Belziger Straße, bis beide am 3. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurden.
Auch Erich Wolpert wird angesichts der Emigration so vieler Angehöriger darüber nachgedacht haben, Deutschland zu verlassen. Es ist nicht bekannt, aus welchen Gründen die Familie in Berlin geblieben ist. So bleiben die letzten Jahre der Familie Wolpert bis zu ihrer Deportation im Ungewissen.
Lydia, Erich und Heinz Wolpert wurden am 8. November 1943 mit dem „46. Osttransport“ vom Bahnhof Grunewald, Gleis 17 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Heinz‘ Todesdatum wurde auf den 5. Januar 1944 datiert, der Todeszeitpunkt seiner Eltern ist nicht bekannt.
An diesem Tag wurden 50 Menschen in einem Eisenbahnwaggon in das Vernichtungslager Auschwitz transportiert. Insgesamt wurden von 1941 bis Kriegsende über 50 000 deutsche Juden von diesem Gleis aus nach Warschau, Riga, Theresienstadt und Auschwitz- Birkenau deportiert.
Recherche/Text: Karin Sievert
Quellen:
- Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945
- Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde
- Berliner Adressbücher- Zentral- und Landesbibliothek Berlin
- Landesarchiv,WGA, Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden
- Bundesarchiv,Deportationslisten
- Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
- Yad Vashem – Opferdatenbank
- JDC Shanghai Refugee Client List, 1950
- https://collections.arolsen-archives.org/search/?s=Manfred%20Wolpert
- https://gedenkbuch.muenchen.de/index.php?id=gedenkbuch_link&gid=14850
- Loose: „Berliner Juden im Getto Litzmannstadt 1941 – 1944