Stolpersteine Knobelsdorffstraße 33

Hausansicht Knobelsdorffstr. 33

Die Stolpersteine für Gertrud und Edith Rein wurden von Anwohnern gespendet und zusammnen mit den anderen Stolpersteinen am 4.10.2010 verlegt.

Stolperstein für Joseph Berenblum

Stolperstein für Joseph Berenblum

HIER WOHNTE
JOSEPH BERENBLUM
JG. 1896
DEPORTIERT 27.11.1941
RIGA
ERMORDET 30.11.1941

Joseph Berenblum wurde am 20. April 1896 in Szydłowiec (deutsch Schiedlowietz) geboren. Die Stadt, gut 100 km südlich von Warschau gelegen, gehörte damals zum Russischen Reich und wurde nach dem Ersten Weltkrieg Teil der neu entstandenen Republik Polen.

Seine Ehefrau Cypra, geb. Geler, wurde am 22. Mai 1897 in Piotrków (deutsch Petrikau, heute Piotrków Trybunalski in Polen) geboren. Auch dieser Ort war damals Teil des Zarenreichs. Um 1914 heirateten die beiden nach jüdischen Ritus in Lódz. Dort kam auch der Sohn Hermann am 17. Oktober 1914 zur Welt.

Ein Antrag auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft wurde von den polnischen Behörden 1920 abgelehnt. Das Gleiche widerfuhr der Familie in Deutschland, wohin sie im gleichen Jahr gegangen war. Hier wurde die Tochter Klara am 13. März 1923 geboren. Sie war, wie auch die Eltern und Geschwister, staatenlos. Am 9. Januar 1924 kam der Sohn Bernhard zur Welt.

1926 schlossen die Eltern in Berlin erneut die Ehe, nun aber vor dem Standesamt.
Mitte der 1920er Jahre wohnte die Familie in der Keibelstraße 42, unweit des Alexanderplatzes. 1928 finden wir Joseph Berenblum, Schneidermeister, unter der Anschrift Knobelsdorffstraße 40. Unter dieser Anschrift ist er auch im »Jüdischen Adressbuch von Groß-Berlin« von 1930/31 aufgeführt. In den nächsten Jahren zog die Familie in die Hausnummer 45-47 in der gleichen Straße und schließlich in das Haus Nr. 33-35, wo sie bis zuletzt wohnte.

Joseph Berenblum, seit 1925 selbständig, hatte sich auf die Anfertigung von Herren-Maßanzügen und fertigen Mänteln spezialisiert. Sein Sohn Bernhard erinnerte sich später an die Ausstattung der Werkstatt in der Knobelsdorffstraße (u.a. vier Nähmaschinen und eine Zuschneidemaschine) und daran, dass pro Woche rund vier Maßanzüge à 100 Mark angefertigt wurden. Auch Cypra Berenblum war in der Werkstatt ihres Mannes tätig.

Der Sohn Hermann absolvierte von April 1930 bis März 1933 eine Lehre bei einem Schneidermeister in Berlin-Schöneberg und erhielt am 3. April 1933 den Gesellenbrief. Bernhard besuchte von März 1934 bis März 1938 die IV. Private Volksschule der Jüdischen Gemeinde in der Klopstockstraße im damaligen Bezirk Tiergarten. Auch seine Schwester Klara hatte diese Schule besucht, als sie 1937 eine Lehre bei einer Modistin in Berlin begann, doch nach einem Jahr wurde sie entlassen, „weil ihre Meisterin Angst hatte, eine Jüdin in der Lehre zu halten. Sie hat danach aus rassischen Gründen keine andere Stelle finden können. Dann hat sie, so lange es möglich war, in der Schneiderei meines Vaters mitgearbeitet“, wie Bernhard Berenblum nach dem Krieg zu Papier brachte.

1938 erfuhr die Ausgrenzungspolitik der Machthaber gegenüber den deutschen Juden eine Verschärfung. Dies hatte für Joseph Berenblum zur Folge, dass er nicht mehr als selbständiger Schneider arbeiten durfte. Damals hatte er, so Bernhard Berenblum später, Stoffe im Wert von rund 25.000 Reichsmark auf Lager. Die Familie schlug sich mit Heimarbeit für Fabriken durch.

Hermann Berenblum führte 1961 in einem Schreiben an die Entschädigungsbehörde an, dass sein Bruder Bernhard zwischen November 1938 und Januar 1939 vier Mal „von halbwüchsigen Burschen der Hitler-Jugend in Uniform überfallen und zusammengeschlagen“ worden sei. Die Misshandlungen seien unweit der Wohnung in der Knobelsdorffstraße geschehen.

Hermann Berenblum gelang es Anfang 1939, Deutschland zu verlassen. Vermittelt durch »Palestine & Orient Lloyd«, einem auch in Berlin ansässigen Reisebüro, fuhr er mit einem Dampfer von Marseille nach Mollendo (Peru) und von da weiter nach La Paz (Bolivien). Ende 1947 ging er in die argentinische Hauptstadt Buenos Aires und 1950 nach Kanada.

Bernhard Berenblum schaffte es im August 1939, nach England zu gelangen. Dort wurde er zunächst interniert. Wenige Tage später begann der Zweite Weltkrieg, der Kontakt zwischen Bernhard und seiner Familie in Berlin war unterbrochen. 1940 ging er nach Kanada.

Joseph, Cypra und Klara Berenblum wurden am 27. November 1941 aus Berlin deportiert. Sie mussten zuvor das Sammellager, zu dem die Synagoge in der Levetzowstraße 7 – 8 in Berlin Moabit missbraucht wurde, aufsuchen. Der Transport in Personenwagen der 3. Klasse der Reichsbahn, der 1053 Juden umfasste, brachte die Verschleppten vom Bahnhof Grunewald nach Riga. Der Zug fuhr von Berlin über Küstrin, Dirschau, Königsberg und Tilsit bis zum Rangierbahnhof Šķirotava in Riga, wo er nach dreitägiger Fahrt am 30. November eintraf.
Die deutschen Juden wurden unverzüglich in den Wald von Rumbula, ein Kiefernwäldchen im gleichnamigen Stadtteil von Riga, getrieben und dort von lettischen Hilfspolizisten, deutschen Polizisten und SS-Männer erschossen.

Hermann Berenblum hatte 1966 in Toronto Mabel Dame geheiratet. Dort starb er am 27. September 2008 im Alter von 94 Jahren.
Bernhard Berenblum war seit 1952 in mit Nancy Schuessler in Toronto verheiratet. Er starb dort am 20. Juli 2012. Er wurde 88 Jahre alt.

Text: Harald Marpe (Kiezbündnis Klausenerplatz e.V.)
Quellen:
Versch. Berliner Adressbücher
Akten des Landesentschädigungsamtes Berlin

Stolperstein für Cypra Berenblum

Stolperstein für Cypra Berenblum

HIER WOHNTE
CYPRA BERENBLUM
GEB. GELER
JG. 1897
DEPORTIERT 27.11.1941
RIGA
ERMORDET 30.11.1941

Stolperstein für Klara Berenblum

Stolperstein für Klara Berenblum

HIER WOHNTE
KLARA BERENBLUM
JG. 1923
DEPORTIERT 27.11.1941
RIGA
ERMORDET 30.11.1941

Stolperstein für Gertrud Rein

Stolperstein für Gertrud Rein

HIER WOHNTE
GERTRUD REIN
GEB. LANDAU
JG. 1879
DEPORTATION 21.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 3.2.1943

Gertrud Rein wurde am 25. Juli 1879 im niederschlesischen Schweidnitz (heute: Świdnica in Polen) geboren. Im März 1906 heiratete sie in Berlin Siegfried Rein. Am 15. Januar 1907 kam ihre erste Tochter Herta zur Welt; im Jahr darauf, am 6. Mai 1908, folgte das zweite Kind Edith.

Herta Rein, verheiratete Priester, überlebte den Holocaust. Über die Umstände ihrer Emigration aus Nazi-Deutschland ist nichts bekannt. In den 1950er Jahren wohnte sie in Johannesburg (Südafrika). Damals wandte sie sich an das Berliner Entschädigungsamt und fügte ihrem Antrag auch Lebensläufe ihrer Mutter und ihrer Schwester bei. Sie geben uns biographische Informationen.

Die Ehe zwischen Gertrud und Siegfried Rein wurde schon nach wenigen Jahren im Dezember 1914 geschieden. Gertrud Rein blieb unverheiratet. Kurz nach der Scheidung erwarb sie ein Seifen-Einzelhandelsgeschäft in der Knobelsdorffstraße 33. „Aus ihrem Einkommen aus diesem Geschäftsunternehmen bestritt sie den Lebensunterhalt für sich und ihre beiden Kinder“, schrieb Herta Priester 1953. Doch die Zeiten wurden immer schwieriger, schon bald nach 1933 ging der Umsatz zurück. Im Anschluss an die November-Pogrome im November 1938 wurde Gertrud Rein von der Seifenhandelsfachgruppe zur Schließung ihres Geschäftes gezwungen.
Sie konnte jedoch in der Wohnung bleiben, die hinter den Geschäftsräumen lag; die Verbindung zwischen den beiden Bereichen wurde allerdings abgesperrt.

Im September 1943 wurde Gertrud Rein gezwungen, ihre Wohnung zu verlassen; sie musste sich in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 begeben. Die Machthaber missbrauchten das ehemals jüdische Altersheim in Berlin-Mitte seit 1942 als Sammellager. Rund 55 000 Berliner Juden wurden von hier nach Theresienstadt und Auschwitz verschleppt.
Gertrud Rein taucht auf der Transportliste des von den Gestapo-Beamten so genannten 63. Alterstransportes auf, der Berlin am 21. September 1942 verließ. An diesem Tag wurden 100 Juden nach Theresienstadt deportiert. Die 63-jährige Gertrud Rein wurde in der Deportationsliste als „arbeitsfähig“ bezeichnet.

Auf einer „Todesfallanzeige“ des Ghettos Theresienstadt vom 3. Februar 1943 ist vermerkt, dass Gertrud Rein am Vortag um 13 Uhr starb. Als Todesursache wird eine Myodegeneratio cordis, „eine Herzmuskelentartung“, attestiert. Drei Unterschriften, die des Totenbeschauers, des Amtsarztes und des Chefarztes, erwecken den Eindruck einer seriösen medizinischen Bescheinigung. Nicht dokumentiert sind freilich die grauenvollen Lebensumstände im Ghetto.

Stolperstein für Edith Rein

Stolperstein für Edith Rein

HIER WOHNTE
EDITH REIN
JG. 1908
DEPRTATION 6.3.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Edith Rein wurde am 6. Mai 1908 in Berlin-Charlottenburg geboren. Sie besuchte die Ottilie-Manteuffel-Mädchenschule in der Charlottenburger Goethestraße 43. Anschließend absolvierte sie einen sechsmonatigen Lehrgang der kaufmännischen Privatschule Paul Dieke in Charlottenburg. Hier wurde sie in Stenographie, Buchführung, Handelskorrespondenz und anderen einschlägigen Fächern unterrichtet. Sie fand anschließend, um 1924, eine Anstellung als Kontoristin und Verkäuferin bei der Firma Julius Eifermann in der Waldstraße 43 in Moabit. Ein Blick ins Adressbuch von 1930 zeigt, dass es eine Weingroßhandlung war, die auch Fruchtsäfte vertrieb und Liköre und Essenzen herstellte.

Dort war Edith Rein rund zwölf Jahre lang tätig. Der Inhaber Julius Eifermann war Jude. Sein Geschäft erlitt nach 1933 einen Rückgang, sodass er sich gezwungen sah, Edith Reins Gehalt herunterzusetzen. Um nicht stellungslos zu werden, erklärte sie sich damit einverstanden.
Der Verkauf seines Geschäftes ermöglichte Julius Eifermann die Auswanderung. Der neue Eigentümer („ein Arier“, so schrieb Hertha Priester) entließ die Jüdin Edith Rein.
„Da sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine ihrer Vorbildung und ihren kaufmännischen Kenntnissen entsprechende Anstellung finden konnte, musste sie sich mit einem gering bezahlten Posten in einem jüdischen Unternehmen zufrieden geben, den sie jedoch wegen Auflösung des Unternehmens wenige Monate später wieder verlor“, brachte Hertha Priester später zu Papier.

Edith Rein gelang es nicht mehr, eine Stellung als Büroangestellte zu erhalten. Sie war in der Folge als Lagerarbeiterin bei der Firma Bernhard, einer Weinhandlung in der Turmstraße in Berlin-Moabit, tätig. Etwa im Juli 1938 wurde der Betrieb des jüdischen Besitzers zwangsverkauft, Edith Rein verlor erneut ihre Stellung und war mehrere Monate erwerbslos. Schließlich arbeitete sie ab Oktober 1938 als Hausangestellte bei einer jüdischen Firma. Der Arbeitgeber sah sich nicht in der Lage, ihr mehr als 20 Mark im Monat für ihre Tätigkeit zu bezahlen.

Doch schon im Jahr darauf war Edith Rein erneut ohne Anstellung, als der Arbeitgeber Nazi-Deutschland verließ. Ab September 1940 wurde sie zur Zwangsarbeit bei den IG-Farben-Werken in Berlin-Rummelsburg verpflichtet. In dem Werk in der Hauptstraße 13 im Bezirk Lichtenberg wurde synthetische Seide produziert.

Seit April 1942 war den Juden in Deutschland die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel verboten. Das hatte direkte Auswirkungen auch auf Edith Rein: „Sie berichtete mir einmal, daß sie täglich einen je 2stündigen Weg von ihrer Wohnung in der Knobelsdorffstr. 33 bis zur ihrer Arbeitsstelle zu Fuß zurücklegen mußte“, erinnerte sich Herta Priester.

Die Transportlisten des von den Nazis so genannten 35. Osttransports haben sich erhalten. Ihnen ist zu entnehmen, dass Edith Rein am 6. März 1943 zusammen mit 657 Juden aus Berlin und fünf weiteren Personen aus Metz nach Auschwitz deportiert wurde. Dazu kamen noch 25 „Schutzhäftlinge“. In Auschwitz wurde Edith Rein zu einem unbekannten Zeitpunkt ermordet.
Zuvor hatte man ihr Bankguthaben, rund 2100,- Mark, „zu Gunsten des deutschen Reiches“ eingezogen. Auch die Einrichtung ihrer Wohnung in der Knobelsdorffstraße 33 wurde beschlagnahmt und zu Geld gemacht.

Text: Harald Marpe, Kiezbündnis Klausenerplatz e.V.

Quellen:
Entschädigungsamt Berlin (Akten Gertrud Rein und Edith Rein)

Todesfallanzeigen des Ghettos Theresienstadt

Statistik und Deportation der jüdischen Bevölkerung aus dem Deutschen Reich

Häftlingsliste des Lagers Theresienstadt, Terezínská pametní kniha / Theresienstädter Gedenkbuch, Institut Theresienstädter Initiative, Band I–II: Melantrich, Praha 1995; Band III: Academia, Praha 2000