HIER WOHNTE
JOSEPH BERENBLUM
JG. 1896
DEPORTIERT 27.11.1941
RIGA
ERMORDET 30.11.1941
Joseph Berenblum wurde am 20. April 1896 in Szydłowiec (deutsch Schiedlowietz) geboren. Die Stadt, gut 100 km südlich von Warschau gelegen, gehörte damals zum Russischen Reich und wurde nach dem Ersten Weltkrieg Teil der neu entstandenen Republik Polen.
Seine Ehefrau Cypra, geb. Geler, wurde am 22. Mai 1897 in Piotrków (deutsch Petrikau, heute Piotrków Trybunalski in Polen) geboren. Auch dieser Ort war damals Teil des Zarenreichs. Um 1914 heirateten die beiden nach jüdischen Ritus in Lódz. Dort kam auch der Sohn Hermann am 17. Oktober 1914 zur Welt.
Ein Antrag auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft wurde von den polnischen Behörden 1920 abgelehnt. Das Gleiche widerfuhr der Familie in Deutschland, wohin sie im gleichen Jahr gegangen war. Hier wurde die Tochter Klara am 13. März 1923 geboren. Sie war, wie auch die Eltern und Geschwister, staatenlos. Am 9. Januar 1924 kam der Sohn Bernhard zur Welt.
1926 schlossen die Eltern in Berlin erneut die Ehe, nun aber vor dem Standesamt.
Mitte der 1920er Jahre wohnte die Familie in der Keibelstraße 42, unweit des Alexanderplatzes. 1928 finden wir Joseph Berenblum, Schneidermeister, unter der Anschrift Knobelsdorffstraße 40. Unter dieser Anschrift ist er auch im »Jüdischen Adressbuch von Groß-Berlin« von 1930/31 aufgeführt. In den nächsten Jahren zog die Familie in die Hausnummer 45-47 in der gleichen Straße und schließlich in das Haus Nr. 33-35, wo sie bis zuletzt wohnte.
Joseph Berenblum, seit 1925 selbständig, hatte sich auf die Anfertigung von Herren-Maßanzügen und fertigen Mänteln spezialisiert. Sein Sohn Bernhard erinnerte sich später an die Ausstattung der Werkstatt in der Knobelsdorffstraße (u.a. vier Nähmaschinen und eine Zuschneidemaschine) und daran, dass pro Woche rund vier Maßanzüge à 100 Mark angefertigt wurden. Auch Cypra Berenblum war in der Werkstatt ihres Mannes tätig.
Der Sohn Hermann absolvierte von April 1930 bis März 1933 eine Lehre bei einem Schneidermeister in Berlin-Schöneberg und erhielt am 3. April 1933 den Gesellenbrief. Bernhard besuchte von März 1934 bis März 1938 die IV. Private Volksschule der Jüdischen Gemeinde in der Klopstockstraße im damaligen Bezirk Tiergarten. Auch seine Schwester Klara hatte diese Schule besucht, als sie 1937 eine Lehre bei einer Modistin in Berlin begann, doch nach einem Jahr wurde sie entlassen, „weil ihre Meisterin Angst hatte, eine Jüdin in der Lehre zu halten. Sie hat danach aus rassischen Gründen keine andere Stelle finden können. Dann hat sie, so lange es möglich war, in der Schneiderei meines Vaters mitgearbeitet“, wie Bernhard Berenblum nach dem Krieg zu Papier brachte.
1938 erfuhr die Ausgrenzungspolitik der Machthaber gegenüber den deutschen Juden eine Verschärfung. Dies hatte für Joseph Berenblum zur Folge, dass er nicht mehr als selbständiger Schneider arbeiten durfte. Damals hatte er, so Bernhard Berenblum später, Stoffe im Wert von rund 25.000 Reichsmark auf Lager. Die Familie schlug sich mit Heimarbeit für Fabriken durch.
Hermann Berenblum führte 1961 in einem Schreiben an die Entschädigungsbehörde an, dass sein Bruder Bernhard zwischen November 1938 und Januar 1939 vier Mal „von halbwüchsigen Burschen der Hitler-Jugend in Uniform überfallen und zusammengeschlagen“ worden sei. Die Misshandlungen seien unweit der Wohnung in der Knobelsdorffstraße geschehen.
Hermann Berenblum gelang es Anfang 1939, Deutschland zu verlassen. Vermittelt durch »Palestine & Orient Lloyd«, einem auch in Berlin ansässigen Reisebüro, fuhr er mit einem Dampfer von Marseille nach Mollendo (Peru) und von da weiter nach La Paz (Bolivien). Ende 1947 ging er in die argentinische Hauptstadt Buenos Aires und 1950 nach Kanada.
Bernhard Berenblum schaffte es im August 1939, nach England zu gelangen. Dort wurde er zunächst interniert. Wenige Tage später begann der Zweite Weltkrieg, der Kontakt zwischen Bernhard und seiner Familie in Berlin war unterbrochen. 1940 ging er nach Kanada.
Joseph, Cypra und Klara Berenblum wurden am 27. November 1941 aus Berlin deportiert. Sie mussten zuvor das Sammellager, zu dem die Synagoge in der Levetzowstraße 7 – 8 in Berlin Moabit missbraucht wurde, aufsuchen. Der Transport in Personenwagen der 3. Klasse der Reichsbahn, der 1053 Juden umfasste, brachte die Verschleppten vom Bahnhof Grunewald nach Riga. Der Zug fuhr von Berlin über Küstrin, Dirschau, Königsberg und Tilsit bis zum Rangierbahnhof Šķirotava in Riga, wo er nach dreitägiger Fahrt am 30. November eintraf.
Die deutschen Juden wurden unverzüglich in den Wald von Rumbula, ein Kiefernwäldchen im gleichnamigen Stadtteil von Riga, getrieben und dort von lettischen Hilfspolizisten, deutschen Polizisten und SS-Männer erschossen.
Hermann Berenblum hatte 1966 in Toronto Mabel Dame geheiratet. Dort starb er am 27. September 2008 im Alter von 94 Jahren.
Bernhard Berenblum war seit 1952 in mit Nancy Schuessler in Toronto verheiratet. Er starb dort am 20. Juli 2012. Er wurde 88 Jahre alt.
Text: Harald Marpe (Kiezbündnis Klausenerplatz e.V.)
Quellen:
Versch. Berliner Adressbücher
Akten des Landesentschädigungsamtes Berlin