HIER WOHNTE
DR. GEORG MARTIN
FONTHEIM
JG. 1881
DEPORTIERT 12.1.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET
Georg Martin Fontheim wurde am 30. August 1881 in Berlin geboren. Er hatte promoviert und war Rechtsanwalt und Notar. Verheiratet war er mit
Charlotte Fontheim die als Charlotte Marck am 10. März 1891 in Berlin geboren wurde. Das Ehepaar hatte zwei Kinder: Ernest Günter, geboren am 23. Oktober 1922 in Berlin, und Eva Irene, sie wurde am 18. Juli 1927 ebenfalls in Berlin geboren. Sie genossen eine unbeschwerte Kindheit.
Die Familie zog 1929 in das 1912 erbaute vierstöckige Mietshaus Kaiserdamm 67 im Westend in den 2. Stock rechts ein. Es hatte auf jeder Etage zwei Acht-Zimmer-Wohnungen – nicht mitgezählt die sogenannte Mädchenkammer für die Hausangestellte und die Küche. Das für damalige Verhältnisse Luxushaus hatte Zentralheizung, warmes Wasser und einen Fahrstuhl. Dieser Abschnitt des Kaiserdamms wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Heerstraße umbenannt, das Grundstück bekam die Nummer 17. Das Haus wurde total zerbombt.
Fontheims waren Kunstliebhaber und statteten ihre Wohnung entsprechend liebevoll aus. Die Zimmer waren mit Perserteppichen ausgelegt, an den Wänden hingen wertvolle Gemälde, die Stilmöbel waren in Italien gekauft, und es gab eine umfangreiche Bibliothek mit einer 54-bändigen Goethe-Ausgabe.
Die Eltern machten mit ihren Kindern Waldspaziergänge in nahe Grunewald und Dampferfahrten auf den Seen. „Unser Idyll endete jäh am 30. Januar 1933“, erinnerte sich Ernest Fontheim später, „von diesem Tage an ging es mit der Qualität unseres Lebens bergab.“ Es begann die nationalsozialistische ideologische Gleichschaltung und zugleich die Judenverfolgung. Ernest war zehn Jahre alt, seine Schwester Eva war sechs.
Der Vater Dr. Georg Fontheim, ein angesehener und bekannter Rechtsanwalt, hatte sein Büro in der Joachimstaler Straße 4 in der Nähe des Bahnhofs Zoo. Unten im Haus befand sich das berühmte Lokal Aschinger, das bis 1976 bestand, dann noch einmal öffnete und 2000 endgültig schloss. Er durfte zunähst weiter praktizieren, da er zu jenen Anwälten gehörte, die vor dem 1.8.1914 zugelassen worden waren. Aber er verlor zahlreiche Kunden, musste in kleineres Büro in die Meinekestraße 23 umziehen und sein Personal verringern.
„Die Schlinge zog sich fester um unser Genick“, schrieb Ernest Fontheim in seinen Erinnerungen an die Jugendzeit. Juden wurde jede wirtschaftliche Tätigkeit verboten, die freie Verfügung über Vermögenswerte war unterbunden. 1939 wurde Georg Fontheim die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen. Fontheims unternahmen verzweifelte Versuche auszuwandern, aber keiner glückte. Der Sohn Ernest machte nach dem Abitur 1940 an einer jüdischen Schule eine Schlosserlehre.
Ende Februar 1941 erhielten Fontheims vom Reichssicherheitshauptamt (RSHA) die Mitteilung, sie hätten binnen neun Tagen ihre Wohnung zu räumen. Bei entfernten Verwandten in der Eisenzahnstraße in Wilmersdorf fanden sie Unterschlupf in zwei Zimmern. „Unsere Charlottenburger Zeit, die so idyllisch begonnen hatte, war zu Ende“, notierte Ernest, der 1941 zur Zwangsarbeit bei Siemens eingezogen wurde.
Am 24. Dezember 1942 wurden Georg, Charlotte und Eva Fontheim verhaftet und ins ehemalige jüdische Altersheim an der Großen Hamburger Straße 26, wo die Gestapo eine Sammelstelle für Juden eingerichtet hatte, gebracht. Ernest blieb davon verschont, weil er in der Rüstungsindustrie arbeiten musste. Er besorge sich gefälschte Ausweise und tauchte unter.
An einem bitterkalten Tag, dem 12. Januar 1943, sind die anderen drei in einem Viehwagen vom Güterbahnhof an der Putlitzstraße in Moabit mit 1196 Menschen nach Auschwitz deportiert worden. In Birkenau wurden sie vergast.
Ernest lebte zunächst in einer Gartenlaube in dem märkischen Dorf Senzig bei Königs Wusterhausen und überlebte danach mit der Hilfe von Freunden sowie mit List, Vorsicht und Glück. Zu denen, die halfen, gehörten Heinz Drossel, Frieda Kunze und Erika Fluhme. 1947 wanderte Ernest Fontheim in die USA aus. Er heiratete dort seine Freundin Margot und sie bekamen einen Sohn und eine Tochter.
Text: Helmut Lölhöffel nach „Jugend in Charlottenburg“ von Dr. Ernest Günter Fontheim, in: Juden in Charlottenburg. Ein Gedenkbuch. Berlin 2009.