HIER WOHNTE
LOLA CARO
JG. 1907
DEPORTIERT 17.5.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET
Lola Caro wurde am 23. Juli 1907 in Berlin geboren. Ihre Mutter war Gabriele Caro, geb. Schmelkes, ihr Vater hieß Isaac Caro. Lola hatte zwei Geschwister: ihre ein Jahr jüngere Schwester Henny und den noch jüngeren Bruder Heinz. Die Familie Caro war bürgerlich gut situiert. Das Einkommen des Vaters als Verwalter des Besitzes seiner Geschwister und anderer Personen war offenkundig gut, so dass sich die Familie eine herrschaftliche Wohnung in der Charlottenburger Mommsenstraße 60 leisten konnte.
Die Caros waren eine gastfreundliche und warmherzige Familie. So beschreibt es der indische Schriftsteller Vikram Seth in seinem Buch Zwei Leben (im Fischer-Verlag), in dem er die Geschichte seines Onkels Shanti erzählt, der 1933 als Untermieter zu den Caros gezogen und später mit Lolas Schwester Henny verheiratet war. Danach hatten die Geschwister viele Freunde, und da die Mädchen damals das Fürstin-Bismarck-Gymnasium besucht hatten, waren unter den Freunden und Bekannten mehr Christen als Juden.
Erste dunkle Wolken zogen nach dem Tod des Vaters 1932 auf. Sohn Heinz übernahm die Verwalter-Aufgaben des Vaters, aber wohl nicht so erfolgreich wie dieser. Hinzu kamen die wirtschaftlichen Einschränkungen durch die von den Nazis erlassenen antijüdischen Gesetze und Verordnungen, die die Ersparnisse zusammenschmelzen ließen. Das Geld wurde knapp. Lola und ihre Schwester Henny, die bei der Mannheimer Lebensversicherungsgesellschaft arbeiteten (Lola als Privatsekretärin des Direktors), gaben ein Großteil ihres Verdienstes an die Mutter ab. Auf Dauer aber konnte die Familie die teure Mietwohnung in der Mommsenstraße nicht halten. 1938 zog man deshalb in die deutlich kleinere Wohnung in der nahen Bleibtreustraße 19.
Im gleichen Jahr emigrierte Heinz Caro nach Südamerika. Ohne den Hauptverdiener wurde die Lage immer angespannter, zumal auch Henny Caro ihren Job bei der Versicherung verloren hatte und nun bei weit geringerem Gehalt bei einem Rechtsanwalt arbeitete. Immerhin gelang auch ihr – einen Monat vor Beginn des Zweiten Weltkrieges – die Flucht aus Deutschland nach England. Zurück blieben ihre Mutter und ihre Schwester Lola.
Offensichtlich hatte Lola Skrupel, ihre inzwischen gesundheitlich angeschlagene Mutter – sie war Jahrgang 1871 – allein zu lassen. Deshalb gab sie mögliche Fluchtpläne auf. In einem Brief an Henny Caro nach England schrieb ihre Tante Malchen Pawels: „Lola ist ja eine rührende Tochter, so dass Du überzeugt sein kannst, dass alles Mögliche für Mutter getan wird.“
Doch die Zeiten wurden härter. Immer neue antijüdische Verordnungen machten das Leben der beiden Frauen schwer. Und es begannen die ersten Deportationen. Ende 1942 oder Anfang 1943 wurde auch Gabriele Caro von der Gestapo „abgeholt“, aber Lola, die inzwischen bei der Jüdischen Gemeinde arbeitete, gelang es, die Mutter wieder frei zu bekommen. Doch ein zweites Mal glückte die Rettung nicht.
Am 18. Mai 1943 wurde Gabriele Caro mit dem „Alterstransport I/93“ nach Theresienstadt deportiert. Ohnehin krank und entkräftet, konnte sie in diesem „Zwischenreich, nicht Leben, nicht Tod“ (so die Theresienstadt-Überlebende Margot Friedländer) nicht lange überleben. Sie starb am 18. Oktober 1943.
Einen Tag vor der Deportation ihrer Mutter war Lola Caro am 17. Mai 1943 vom Sammellager in der Großen Hamburger Straße zum Deportationszug nach Auschwitz gebracht worden.
Auf der Transportliste der insgesamt 406 Deportierten hatte sie die „Lfd.Nr. 171“. Dieser „38. Osttransport“ war der letzte größere Transport von Juden aus Berlin in das Vernichtungslager. In Auschwitz wurde am 19. Mai 1943 der Eingang eines Transports aus Berlin mit ungefähr 1000 Menschen angenommen, offenbar waren andere Sammeltransporte an den Zug angehängt worden. Nach einer „Selektion“ an der berüchtigten Rampe wurden 80 Männer sowie 115 Frauen als Häftlinge in das Lager eingewiesen. Alle anderen wurden am selben Tag in den Gaskammern ermordet.
Lola Caro gehörte zu den „Ausselektierten“. Sie musste im Lager unter härtesten Bedingungen Zwangsarbeit leisten. Am 15. Juli konnte sie eine Postkarte an einen Vertreter der Jüdischen Gemeinde in Berlin schreiben: „Lieber Herr Wolffsky, bin hier im Lager, arbeite und bin gesund. Hoffentlich geht es Ihnen und Ihrer Familie gut. Mit vielen herzlichen Grüßen an Sie, Ihre Gattin und Jonny, sowie an meine übrigen Berliner Freunde bin ich Ihre Lola Caro“ Der Absender lautete:“ Lager Birkenau“. Ein rührend-banaler, weil überwachter Text aus der Hölle.
Wann Lola Caro in Auschwitz starb, wissen wir nicht. Vermutlich hat sie das Jahr 1943 nicht überlebt. Ihre Ermordung war den Nazi-Mördern nicht einmal einen Eintrag wert.
Recherche und Texte: Sönke Petersen