Stolpersteine Nassauische Straße 61

Hauseingang Nassauische Str. 61

Hauseingang Nassauische Str. 61

Diese Stolpersteine wurden am 15.4.2010 verlegt.

Stolperstein für Amalie Sorauer

Stolperstein für Amalie Sorauer

HIER WOHNTE
AMALIE SORAUER
JG. 1873
DEPORTIERT 30.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 20.1.1943

Amalie Sorauer, geboren am 5. September 1873 in Orzesze (Oppeln, Kreis Pleß), Schlesien wuchs im Kreise zahlreicher Geschwister und Halbgeschwister auf. Ihr Vater Julius Joel Sorauer, Verwalter einer Glashütte, heiratete in erster Ehe Bertha Löwenstamm (1824 – 1867), mit der er 7 Kinder hatte. Zwei von ihnen starben noch in ihrem ersten Lebensjahr.
Bis 1854 wurde der Nachname Sohrauer noch mit einem h geschrieben, abgeleitet vom Namen der oberschlesischen Stadt Sohrau, aus der die Familie vermutlich ursprünglich stammte.
Bertha Sorauer starb 1867 und hinterließ ihrem Mann die Sorge für seine 5 Kinder. Bertha hatte eine jüngere Schwester, Friederike (1835 – 1885), die nun an deren Stelle Haushalt und Versorgung der Kinder übernahm. Julius und Friederike heirateten am 28. Januar 1868 – Friederike war damals schon schwanger – und im Laufe der Jahre kamen 4 Kinder zur Welt: Hermann am 28. April 1868, Moritz am 30. Mai 1870, Salo am 19. Januar 1872, und als jüngste der Geschwister Amalie am 5. September 1873. Ihre Mutter Friederike starb 1885, als Amalie gerade 12 Jahre alt war und ihr Vater Julius starb 1900.
Wie ihre Halbschwestern Cäcilie Oberländer (1863 – 1943), Dorothea Cassirer (1855 – 1943) und Rosalie Tichauer (1861 – 1900) ging auch Amalie nach Berlin. Im Gegensatz zu ihnen blieb sie ledig und kinderlos.
Über Amalie Sorauers Leben in Berlin ist nichts bekannt, weder Angaben über eine Berufstätigkeit noch ihre Adressen sind in einem zugänglichen Dokument hinterlegt.
Irgendwann ist sie zu ihrer Halbschwester Dorothea und deren Ehemann Ludwig Cassirer in die Nassauische Straße 61 gezogen. Das Ehepaar Cassirer lebte nachweislich seit 1935 in diesem Haus, vorher in der Helmstedter Straße 30. Ob Amalie vorher schon bei ihnen gelebt hat, ist nicht bekannt. Sie wird für die 18 Jahre ältere Dorothea und den 22 Jahre älteren Ludwig eine Stütze bei der Bewältigung ihres täglichen Lebens gewesen sein, denn die Lebensumstände für die jüdische Bevölkerung waren Ende der 1930er-Jahre katastrophal.
Dorothea und Ludwig Cassirer mussten ihre Wohnung noch vor der geplanten Deportation verlassen. Ludwig starb im Oktober 1942 in dem sogenannten „Siechenheim“ der Israelischen Synagogengemeinde Adass Jisroel, Elsässer Straße 85, Dorothea am 1. März 1943 im Jüdischen Altersheim, Gerlachstraße 20/21 in Friedrichshain. Dieses Altenheim diente wie viele andere als Sammelstelle für die alten Menschen, deren Deportation unmittelbar bevorstand.
Amalie wurde aus der Wohnung Nassauische Straße 61 abgeholt und am 30. Oktober 1942 mit dem Transport I/74 in das böhmische Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie erlag den unmenschlichen Bedingungen des Ghettos am 20. Januar 1943. Zynischerweise wurde in der vom Ghettoarzt ausgestellten „Todesfallanzeige“ als Todesursache „Altersschwäche“ verzeichnet.

Für Amalie Sorauers Halbschwester Cecilie Oberländer und ihre Familie wurden 2011 vor dem Haus Else – Lasker – Schüler – Straße 5 Stolpersteine verlegt.

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf
Quellen:

Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz


Deportationslisten

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Yad Vashem – Opferdatenbank

Landesarchiv Berlin
Historische Berliner Adressbücher
https://www.stolpersteine-berlin.de/de/else-lasker-schuler-str/5/cacilie-oberlander

Stolperstein für Rudolf Spiegel-Wolff

Stolperstein für Rudolf Spiegel-Wolff

HIER WOHNTE
RUDOLF
SPIEGEL-WOLFF
JG. 1888
DEPORTIERT 13.6.1942
SOBIBOR
ERMORDET

Rudolf Spiegel war der zweitälteste von vier Söhnen des Ehepaares Louis (Lesser) und Martha Spiegel geb. Wolff. Louis Spiegel (1852 – 1897) war Kaufmann und kam aus Deutsch Krone; Martha Wolff (*1864) war in Anklam gebürtig. Die Ehe zwischen Rudolfs Eltern wurde 1893 geschlossen.
Louis Spiegel war – noch über seinen Tod hinaus – unter der Firmenbezeichnung „Louis Spiegel Söhne“ in den Berliner Adressbüchern verzeichnet. Allerdings fand sich kein Hinweis über die Art seiner geschäftlichen Tätigkeit.

Der 1887 geborene Sohn Moritz starb schon im Alter von drei Monaten. Als Rudolf am 5. Dezember 1888 auf die Welt kam, wohnte die Familie in der Holzmarktstraße 5, unweit der Jannowitzbrücke.
Julius wurde am 5. Juni 1891 geboren. Er verlor als Dreijähriger infolge einer Krankheit sein Gehör und kam nach dem Tod der Eltern in das Internat der Königlichen Taubstummenanstalt zu Berlin. Er studierte zunächst Malerei und trat in den 1920er-Jahren in Kabaretts und Varietés als Grotesk- bzw. Exotiktänzer auf. Julius starb 1974 auf der Insel Capri.
Walter war der jüngste Sohn, er kam am 17. August 1893 auf die Welt. Vier Jahre nach dessen Geburt starb der Vater Louis Spiegel.
Rudolf wurde wie sein Vater Kaufmann, es ist ebenfalls nicht bekannt, in welcher Branche er tätig war. Bis 1923 war seine Adresse Straußberger Straße 7.

1921 änderte Rudolf Spiegel seinen Nachnamen, indem er den Geburtsnamen seiner Mutter anfügte: „Durch Ermächtigung des Justizministers vom 13. August 1921 führt der Kaufmann Rudolf Spiegel in Charlottenburg an Stelle des Familiennamens Spiegel den Familiennamen Spiegel-Wolff. Der Standesbeamte Genske“ – so stand es als handschriftliche Ergänzung in seiner Geburtsurkunde.
Er wohnte schon in der Thüringer Straße 21, als er am 30. Mai 1923 die „Maschinenschreiberin“ Charlotte Stern heiratete. Das Ehepaar blieb dort bis 1934 wohnen und zog dann um in die Nassauische Straße 61.
1939 geriet das Ehepaar Spiegel-Wolff in große finanzielle Not. Rudolf war im 1. Weltkrieg verwundet worden. Er gab an, wegen seiner Kriegsversehrtheit arbeitsunfähig zu sein. Seine Frau war schwanger, das Kind Dan wurde im Oktober geboren und Charlotte war somit ebenfalls nicht in der Lage, den Lebensunterhalt für die Familie zu bestreiten.
Rudolf hatte alles für eine Auswanderung nach Shanghai geplant und beim Reiseunternehmen „Atlantic Express GmbH“ eine Anzahlung auf die Schiffspassagen geleistet. Das Unternehmen wurde jedoch im Frühjahr 1939 insolvent und meldete im November Konkurs an. Die Anzahlung hat Rudolf Spiegel-Wolff trotz intensiver Bemühungen nicht zurückerhalten.

Gemeinsam mit seinem Bruder Walter versuchte Rudolf, einen Erbschein als Miterben ihres Vaters Louis nach dem Großvater Joseph Spiegel zu beantragen. Er schrieb am 13. August 1940 an das Nachlassgericht in Berlin: “In der Erbschaftssache Joseph Spiegel beantrage ich mit Rücksicht auf meine wirtschaftlichen Verhältnisse Bewilligung des Armenrechts und füge diesbezüglich Bescheinigung des Finanzamts Wilmersdorf Nord bei. Begründung: Ich bin durch die Entbindung und Krankheit meiner Frau sowie meines Kindes ausserordentlich belastet und besitze ebenso wie meine Frau kein Vermögen.Wir sind beide erwerbslos. Die bisherige Ernährerin der Familie war bis zu 1.3.1940 meine Frau. Gegenwärtig sind wir lediglich auf meine Rente angewiesen. Ich bin schwer kriegsbeschädigt und laut vorgelegter Urkunde ehemaliger Kämpfer gegen die Feinde der Nationalen Erhebung.“1
Auch diese Bemühungen, einen Erbschein zu erlangen, blieben erfolglos, wie Walter Spiegel an seinen Bruder schrieb: “….und kann ich dir dazu nur sagen, daß meines Ermessens in dieser Sache nichts zu machen ist und ich für meinen Teil auf die Erbschaft verzichte, da ich nicht in der Lage bin, noch mehr Geld einzusetzen…..“.
Rudolf Spiegel-Wolff hatte offenbar bis zum Schluss die Hoffnung nicht aufgegeben, dass es für ihn und seine Familie eine Zukunft geben könnte. So eröffnete er für seinen Sohn Dan nach dessen Geburt noch ein Sparkonto, auf dem lt. Vermögenserklärung von 1942 ganze 4,23 Reichmark vorhanden waren. Auch das wurde vom Oberfinanzpräsidenten konfisziert.

Am 10. Oktober 1941 verließ die Familie Spiegel-Wolff die Nassauische Straße 61 und mietete am Friedrich-Karl-Platz 17 (heute Klausenerplatz) eine 2 ½–Zimmerwohnung im Hinterhaus Parterre, wobei eins der Zimmer schon an ein Ehepaar untervermietet war. Das Haus befand sich noch in jüdischem Besitz.

Am 31. Mai 1942 erhielten Rudolf und Charlotte Spiegel-Wolff ein Formular – die sogenannte Vermögenserklärung – in dem sie aufzuführen hatten, was ihnen zu diesem Zeitpunkt noch an Habseligkeiten geblieben war. Das untrügliche Zeichen dafür, dass die Deportation unmittelbar bevorstand.
Sie machten es dem Obergerichtsvollzieher leicht, indem sie akribisch jedes einzelne Stück aufführten und bewerteten – bis hin zu ihrer Leibwäsche. Quasi entschuldigend fügte Rudolf Spiegel-Wolff unter der Rubrik „Verschiedenes“ hinzu: „Einzelheiten können nicht aufgeführt werden, da die vorliegenden Listenformulare mir um 22 h 10 min am 30.5.1942 durch Boten eingehändigt worden sind und dieselben bereits am nächsten Morgen um 9 h vorliegen müssen.“

Drei Tage später, am 2. Juni 1942, wurden Rudolf und Charlotte Spiegel-Wolff zusammen mit ihrem kleinen Sohn Danny in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet.2
Rudolfs Bruder Walter Spiegel wurde am 14. Dezember 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet.

1 In Deutschland feierten die Nationalsozialisten den 30. Januar 1933 als „Tag der nationalen Erhebung.“

2 Der 14. Osttransport wurde häufig fälschlicherweise auf den 13. Juni 1942 datiert.

Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf
Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in -Deutschland 1933 – 1945
-Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de
-Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde
-Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
-Landesarchiv Berlin
-Deportationslisten
-Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
-Yad Vashem – Opferdatenbank
-https://tanzfonds.de/projekt/dokumentation-2013/julius-hans-spiegel-zentrum/
-https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Hans_Spiegel

Stolperstein für Charlotte Spiegel-Wolff

Stolperstein für Charlotte Spiegel-Wolff

HIER WOHNTE
CHARLOTTE
SPIEGEL-WOLFF
GEB. STERN
JG. 1898
DEPORTIERT 13.6.1942
SOBIBOR
ERMORDET

Charlotte Stern kam als älteste von 2 Schwestern am 28. Januar 1898 in Berlin auf die Welt. Elisabeth wurde 2 Jahre später, am 14. Januar 1900 geboren. Die Eltern Margarete und Leopold (Leo) Stern wohnten in Friedrichshain in der Andreasstraße 33, einige Jahre später gegenüber in der Andreasstraße 56. In derselben Wohnung hatte Leo auch seine Praxis als praktischer Arzt und Kinderarzt. Als Charlotte 14 Jahre alt war, zog die Familie mit der väterlichen Praxis um in die Große Frankfurter Straße 123 (heute Karl–Marx–Allee). Beide Töchter machten eine Ausbildung als Stenotypistin bzw. Maschinenschreiberin.
Bis zu ihrer Hochzeit blieb Charlotte bei ihren Eltern wohnen.
Ihr Mann, der Kaufmann Rudolf Spiegel – Wolff war 10 Jahre älter (*5. Dezember 1888). Sie heirateten am 30. Mai 1923. Das Ehepaar wohnte viele Jahre in der Thüringer Straße 21, erst 1935 erfolgte der Umzug in die Nassauische Straße 61. Die Ehe der Spiegel – Wolffs blieb 16 Jahre lang kinderlos. Der Sohn Dan, Danny genannt, kam am 16. Oktober 1939 auf die Welt. Neben den zunehmenden systematischen Diskriminierungen und Entrechtungen für die jüdische Bevölkerung, gab es in diesem Jahr auch persönliche dramatische Einschnitte im Leben von Charlotte. Ihre Eltern verließen die Wohnung in Friedrichshain und zogen zu ihren Kindern in die Nassauische Straße. Leo Stern starb im Juni dieses Jahres an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Charlotte und Rudolf hatten ihre Ausreise nach Shanghai vorbereitet und schon eine Anzahlung auf die Schiffspassagen geleistet, als die Reiseagentur insolvent ging und die Anzahlung damit verloren war.
Beide Eheleute waren längst erwerbslos und so geriet die Familie in erhebliche finanzielle Nöte. Dieses war möglicherweise auch ein Grund, die große Wohnung in der Nassauischen Straße 61 aufzugeben und im Oktober 1941 in eine 2 ½ Zimmerwohnung am Friedrich – Karl – Platz 17 (heute Klausenerplatz) zu ziehen. Charlottes Mutter Margarete Stern war schon im Herbst 1940 zur Untermiete an den Hohenzollerndamm 201 verbracht worden.
Obwohl schon 1939 der jüdischen Bevölkerung die Mietrechte genommen worden waren, konnten die Spiegel – Wolffs noch einen Einheitsmietvertrag mit gesetzlicher Kündigungsfrist unterzeichnen. Allerdings standen der jungen Familie tatsächlich nur 1 ½ Zimmer in der Wohnung zur Verfügung. Das andere Zimmer wurde schon vorher vom Ehepaar Hermann und Hedwig Scholl bewohnt, wobei nur Hermann Scholl jüdisch war.
Charlotte wurde, obwohl Mutter eines Kleinkindes, zur Zwangsarbeit in einem Rüstungsbetrieb herangezogen. Sie gab in ihrer „Vermögenserklärung“ an, bei der Fa. Wilhelm Jakubaschk, Simeonstraße 11 in Kreuzberg als Handnäherin für einen „schwankenden Wochenlohn“ Akkordarbeit geleistet zu haben.
Charlotte, Rudolf und Dan Spiegel – Wolff wurden am 2. Juni 1942 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet. Fälschlicherweise wurde der 14. Berliner Osttransport auf den 13. Juni 1942 datiert, die „Vermögenserklärung“ wurde von ihrem Mann am 31. Mai unterzeichnet, ein Indiz, dass die Deportation unmittelbar bevorstand.

Charlottes Schwester Elisabeth, die 1922 den Zahnarzt James Ludwig Krebs geheiratet hatte, war offenbar schon kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten mit ihrem Mann nach Palästina ausgewandert, 1933 gibt es die letzte Eintragung für James Ludwig Krebs in den Berliner Adressbüchern.

Für Charlotte wurde ein Gedenkblatt von der entfernten Verwandten Carolyn Winchester geb. Burgess, aus Frankreich, in der Gedenkstätte Yad Vashem hinterlegt.

Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in -Deutschland 1933 – 1945

-Brandenburgisches Landeshauptarchiv
-
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

-Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

-Landesarchiv Berlin 

-Deportationslisten

-Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

-Yad Vashem – Opferdatenbank


Stolperstein für Dan Spiegel-Wolff

Stolperstein für Dan Spiegel-Wolff

HIER WOHNTE
DAN
SPIEGEL-WOLFF
JG. 1939
DEPORTIERT 13.6.1942
SOBIBOR
ERMORDET

Dan, von seinen Eltern Danny genannt, wurde keine drei Jahre alt. Er kam am 16. Oktober 1939 auf die Welt, nachdem die Ehe seiner Eltern 16 Jahre lang kinderlos geblieben war und wurde im Juni 1942 ermordet. Die zwei Jahre, in denen er leben durfte, waren überschattet von den existenziellen Sorgen seiner Eltern Charlotte und Rudolf Spiegel – Wolff.
Er hatte nicht viel: ein Kinderbett, einen Kinderschrank und Bettzeug und 4,23 RM auf dem Sparkonto – beschlagnahmt und eingezogen von der Finanzbehörde eines Regimes, das beschlossen hatte, dass dieses Kind nicht leben durfte, weil es jüdisch war.
Am 2. Juni 1942 wurde Danny zusammen mit seinen Eltern in das Vernichtungslager Sobibor verschleppt und ermordet.

Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Stolperstein für Margarete Stern

Stolperstein für Margarete Stern

HIER WOHNTE
MARGARETE STERN
GEB. PARISER
JG. 1871
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 25.12.1942

Margarete Adolfine Pariser wurde als jüngstes von vier Kindern des Ehepaares Albert und Emilie Pariser am 23. Dezember 1871 in Berlin geboren. Ihre Geschwister waren Julius Kurt (1863 – 1931), Otto (1865 – 1934) und Gertrud (1867 – 1906).
Albert Pariser war von Beruf Kaufmann, doch viele Familienmitglieder waren oder wurden Mediziner.
Julius studierte Allgemeinmedizin, er praktizierte in Altheide, Bez. Glatz in Schlesien. Otto erlernte wie sein Vater den Beruf eines Kaufmanns und Gertrud heiratete den Arzt Dr. Max Leichtentritt. Sie wurde nur 29 Jahre alt.

Auch Margarete heiratete einen Arzt, Dr. Leopold (Leo) Stern geb. am 4. November 1865. Er kam aus einer Kaufmannsfamilie. Am 22. April 1897 war ihre Eheschließung. Margaretes Eltern waren zu diesem Zeitpunkt schon verstorben – Albert Pariser im Jahr 1878 und Emilie 1890. Emilies Vater, Margaretes Großvater trug den Titel eines Königlichen Sanitätsrats.
Leo Stern wohnte damals in der Andreasstraße 56, später Nr.33 in Friedrichshain. 1912 zog das Ehepaar in die Große Frankfurter Straße 123. Bis 1938 ist Leo Stern in den Adressbüchern unter dieser Anschrift verzeichnet.
Am 28. Januar 1898 kam Charlotte auf die Welt, am 19. Januar 1900 ihre Schwester Elisabeth. Auch sie heiratete 1922 einen Mediziner, den Zahnarzt Dr. James Ludwig Krebs (*1898).
Charlotte war seit 1923 mit dem Kaufmann Rudolf Spiegel–Wolff verheiratet und wohnte mit ihm in der Nassauischen Straße 61.
1939 zogen Margarete und Leo bei Charlotte und Rudolf ein.
Kurz nach ihrem Umzug kam Leo bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Er starb am 15. Juni 1939 im Jüdischen Krankenhaus. Die Folgen des Unfalls waren neben Prellungen, Rippenbrüchen und Kreislaufschwäche eine Lungenentzündung, die er nicht überlebte.
Am 16. Oktober 1939 wurde Margarete Großmutter. Charlotte und Rudolf bekamen einen Sohn, Dan, auch Danny genannt.
Charlotte und Rudolf versuchten im Herbst 1939 mit ihrem Baby Nazideutschland zu verlassen und hatten schon Schiffspassagen nach Shanghai gebucht und angezahlt. Durch die Insolvenz der Reiseagentur kam die Ausreise nicht zustande und Rudolf mietete am Friedrich – Karl – Platz 17 (heute Klausenerplatz) eine kleine Wohnung.
Margarete zog am 1. September 1940 zur Untermiete am Hohenzollerndamm 201 bei dem jüdischen Vermieter Karl Klingelhöfer ein. Die Lage der Wohnung von Herrn Klingelhöfer gab sie mit „Portal II v. III links“ an. Von ihrem ursprünglichen Hausstand hatte sie so gut wie nichts behalten können. Ihren Schmuck und weitere Wertsachen hatte sie längst – schon im Februar 1939 – in einer Ankaufstelle in der Jägerstraße abgeben müssen. Ihr verbliebenes „Vermögen“, dass sie kurz vor ihrer Deportation deklarieren musste, gab sie mit „nur wenige einzelne Teile“ an, „alles andere wurde mir zur Mitbenutzung überlassen.“ Unter der Rubrik „Verschiedenes“ trug sie ein: „nur ganz wenige Kleinstücke, die ich zur Abwanderung mitnehme.“

Der Obergerichtsvollzieher, der für die Oberfinanzbehörde die Vermögenspfändung durchführen sollte, gab an: „Schätzungswert: erfolglos“. Immerhin verlangte er vom Oberfinanzpräsidium 2,55 RM für Gebühr, Fahrkosten, Schreibgebühr und Vordrucke.
Diesen Vordruck hatte Margarete sorgfältig mit akribischer Schrift am 28. September 1942, fünf Tage vor ihrer Deportation nach Theresienstadt ausgefüllt. Sie wurde am 3. Oktober 1942 mit dem sogenannten 3. großen Alterstransport in das böhmische Ghetto Theresienstadt transportiert, wo sie nur wenige Monate überlebte. Am 27. Dezember 1942 wurde Margarete Stern ums Leben gebracht.

Die Verschleppung ihrer Kinder Charlotte, Rudolf und Dan nach Sobibor hatte sie im Juni 1942, also 3 Monate vor ihrer eigenen Deportation noch schmerzhaft miterleben müssen. Deren Schicksal wird in gesonderten Biografien dargestellt.
Ihrer Tochter Elisabeth Krebs und ihrem Ehemann James Ludwig Krebs war zu einem nicht bekannten Zeitpunkt die Flucht nach Palästina gelungen. Sie lebten in Tel Aviv, von wo aus Elisabeth 1952 einen Antrag auf Entschädigung für ihre Mutter und ihre Schwester Charlotte stellte. Nachdem James Krebs 1964 in Tel Aviv gestorben war, wanderte Elisabeth in die USA aus. Sie starb dort im Jahr 1979 und wurde auf dem Beth Israel Cemetery in Fresno/Kalifornien beigesetzt.

Für Margarete wie für ihre Tochter Charlotte wurden Gedenkblätter von der entfernten Verwandten Carolyn Winchester geb. Burgess, aus Frankreich, in der Gedenkstätte Yad Vashem hinterlegt.

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf
Quellen:

-Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in -Deutschland 1933 – 1945

-Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz

-Brandenburgisches Landeshauptarchiv
-
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

-Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

-Landesarchiv Berlin 

-WGA
-Deportationslisten

-Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

-Yad Vashem – Opferdatenbank


Stolperstein für Franziska Wollenberg

Stolperstein für Franziska Wollenberg

HIER WOHNTE
FRANZISKA
WOLLENBERG
JG. 1882
DEPORTIERT 13.6.1942
SOBIBOR
ERMORDET

Am 31. Oktober 1882 wurde Franziska Wollenberg in Gnesen/Provinz Posen (heute Gniezno/Poznan) geboren. Ihre Eltern waren der Bankier und Stadtrat Emil Wollenberg und Edelina (Lina) geb. Hirschwald. Franziska hatte drei Geschwister, die gemeinsame Kinder von Emil und Lina Wollenberg waren. Ihre ältere Schwester Käthe verh. Jäntsch, geb. 3. September 1880, überlebte als Einzige den Holocaust. Bei dem Bruder handelte es sich um den Ingenieur Heinrich Elimar Wollenberg, geb. 11. September 1981, ermordet am 23. Juni 1944 in Theresienstadt. Ihre Schwester Friederike Frida, geb. 13. April 1869 und verheiratet mit dem Rechtsanwalt Georg Landsberg, wurde am 15. Mai 1943 ebenfalls in Theresienstadt ermordet.
Es gab noch einen Halbbruder, Adolf Abraham, aus der ersten Ehe Emil Wollenbergs mit Pauline Pestachowska.
Die Familie Wollenberg zog mit allen fünf Kindern nach Berlin und wohnte in der Hohenstauffenstraße 13. Lina Wollenberg verstarb am 30. März 1911 in dieser Wohnung.
Franziska ließ sich im Lette Verein zur Sekretärin ausbilden. Sie bezog 1920 in der Nassauischen Straße 61 im Gartenhaus parterre eine kleine Zweizimmerwohnung. Im Adressbuch findet sich der Zusatz „Privatiere“, später „Agentur“ hinter ihrem Namen.
Sie blieb unverheiratet.
Aufgrund der zunehmenden Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung und dem damit verbundenen Leid wurde Franziska arbeitsunfähig. Sie war körperlich nicht mehr in der Lage einen Beruf auszuüben. Ihre Schwester Käthe und deren protestantischer Ehemann, der Ingenieur Edwin Jäntsch, unterstützten sie finanziell. Die kleine Wohnung in der Nassauischen Straße musste sie zum Teil untervermieten, vermutlich handelte es sich dabei um Zwangseinweisungen jüdischer Menschen, die auf Grund des eingeschränkten Mieterschutzes für Juden seit 1939 ihre eigenen Wohnungen räumen mussten.
Käthe Jaentsch zählte in ihrem Entschädigungsantrag von 1952 einige wenige Möbelstücke auf – darunter ein Klavier, die ihrer Schwester in den letzten Jahren geblieben waren. Die Einrichtung deutete auf eine eher bescheidene Lebensweise hin.
Franziska Wollenberg war zu einem nicht bekannten Zeitpunkt zum römisch – katholischen Glauben konvertiert. Es schützte sie jedoch nicht vor der Verfolgung und Ermordung.
Kurz vor ihrer Deportation nahm man Franziska noch ihre letzten Wertsachen ab. In einer akribisch geführten Liste „Entnommene Wertsachen – Welle XIV – zur Verwahrung Herrn Eulert!“ Listennummer XIV 8966 wurde aufgeführt, dass man Franziska Wollenberg einen Hypothekenbrief über 4000,00 RM und ein Sparbuch über 25,70 RM „entnommen“ hatte.
Am 13. Juni 1942 (vermutlich wurde der Transport falsch datiert und es war es der 2. Juni 1942) wurde Franziska Wollenberg zusammen mit ihren Nachbarn Rudolf, Charlotte und Dan Spiegel–Wolff und Georg Blumenfeld in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet.

Recherche und Text: Karin Sievert (Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf)

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Landesarchiv Berlin
Deportationslisten

Arolsen Archives
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
Yad Vashem – Opferdatenbank

geni.com
“Abwanderungsbuch” des Bischöflichen Hilfswerks Berlin betreffend zum Christentum konvertierte Juden und Jüdinnen, die aus Berlin deportiert wurden oder emigriert sind (Zeitraum: 28.10.1938 und September 1944)

Stolperstein für Hella Flörsheim

Stolperstein für Hella Flörsheim

HIER WOHNTE
HELLA FLÖRSHEIM
JG.1921
DEPORTIERT 12.1.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Hella Flörsheim wurde am 2. April 1921 als Tochter des Kaufmanns Jacob Theodor Flörsheim und seiner Ehefrau Lydia Ruben in Berlin geboren. Die Eheschließung der Eltern erfolgte am 12. Oktober 1920 in Berlin – Steglitz, Arndtstraße 39, wo die Familie bis zur Scheidung von Hellas Eltern im Jahr 1926 wohnte. Am 31. März 1923 kam ihre Schwester Gerda – später verheiratete Nossek – auf die Welt.
Kurz nach der Scheidung von Theodor Flörsheim heiratete ihre Mutter im Dezember 1926 den 1885 geborenen Max Borchardt und zog mit ihm und beiden Töchtern in die Nassauische Straße 61, Vorderhaus 4. Etage. Max Borchardt war Mitinhaber einer Mützenfabrik in Berlin-Mitte.
Hella ging von ihrem 6. Lebensjahr an in die nahe der Wohnung gelegene Cecilien – Schule am Nikolsburger Platz. Ab 1936 wurde ihr als jüdischem Mädchen versagt, weiterhin eine staatliche Schule zu besuchen. Sie konnte noch einen Schulabschluss an der „Privatschule Dr. Erna Landsberg“ in der Wichmannstraße 6 machen, die sie am 20. März 1937 mit der „Obersekundareife U II“ verließ. In der allgemeinen Beurteilung hieß es: „Hella ist strebsam und arbeitet sehr zielbewusst.“ Mit „sehr gut“ benotet wurden ihre Leistungen im Zeichen- und Kunstunterricht und der Musiklehre. Ihr hervorragendes zeichnerisches Talent sollte in einer Ausbildung als Modezeichnerin Ausdruck finden. Sie besuchte daher eine damals bekannte Kunstschule am Kurfürstendamm.
Hella durfte nie in ihrem gewünschten Beruf arbeiten. Das 16-jährige Mädchen wurde zur Zwangsarbeit herangezogen, zunächst in der Firma Knorr-Bremse in Friedrichshain, die für die Rüstungsproduktion tätig war und bis zu ihrer Deportation für einen Hungerlohn von 18 Reichsmark monatlich bei Siemens und Halske in der Jungfernheide.
Nach der „Arisierung“ der Fabrik ihres Stiefvaters Max Borchardt – er musste später Zwangsarbeit in einer Schlachterei leisten – und ihrer eigenen abgebrochenen Berufslaufbahn versuchte ihre Mutter Lydia in Amerika Affidavits für sich, ihren Ehemann und die beiden Töchter zu beschaffen. Sie war erfolgreich, die Quotennummer war jedoch so hoch, dass eine rechtzeitige Auswanderung nicht möglich war. Sie ging dann nach England, um ihre Bemühungen dort fortzusetzen.
Während Lydia Borchardts Aufenthalt in England, von dem sie nie zurückkehren sollte, wurde ihre Familie deportiert und ermordet. Max und Hella wurden am 12. Januar 1943 zusammen mit weiteren sechs Menschen aus der Nassauischen Straße 61 abgeholt und mit dem 26. Osttransport in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt.
In der elterlichen Wohnung lebte auch Hellas Schwester Gerda mit ihrem Ehemann Egon Nossek. Dieser hatte – wohl gezwungenermaßen – nach der Aufhebung des Mieterschutzes für Juden im Mai 1939 seine Wohnung in der Mommsenstraße 44 verlassen müssen und war zu den Borchardts in die Nassauische Straße gezogen. Am 25. September 1941 heirateten Gerda und Egon. Drei Tage vor der Deportation von Hella Flörsheim und Max Borchardt brachte die 19-jährige Gerda ein Mädchen zur Welt. Jedidja Nossek wurde am 9. Januar 1943 geboren. Am 26. Februar 1943 wurden Gerda und Egon Nossek mit ihrem 1 ½ Monate alten Säugling nach Auschwitz deportiert und ermordet. Der Tod von Egon Nossek und der seiner kleinen Tochter wurde vom Sonderstandesamt Arolsen auf den 22. Juli 1943 datiert. Vermutlich wurde auch Gerda an diesem Tag ermordet.
Lydia Borchardt heiratete 1947 erneut und hieß fortan Fromberg. Sie lebte bis zu ihrem Tod in London.
Hellas leiblicher Vater Theodor Flörsheim starb am 17. März 1941 im Jüdischen Krankenhaus Berlin an Lungenkrebs.

Aus der Familie Flörsheim wurden folgende Personen im Holocaust ums Leben gebracht:
aus Frankfurt
Betty Flörsheim verh. Goldschmidt *27. März 1858 (Freitod)
Rosa Flörsheim verh. Sachs *18. Februar 1875 (Theresienstadt)
Ida Flörsheim geb. May *14. November 1874 (Theresienstadt)
Isidor Flörsheim *8.Juni 1870 (Theresienstadt)

aus Berlin
Edith Flörsheim geb. Koppel *13. Juni 1894 (Riga)
Fritz Flörsheim *19. Februar 1874 (Riga)
Gerda Flörsheim verh. Nossek *31. März 1923 (Auschwitz)
Hella Flörsheim *2. April 1921 (Auschwitz)
Jenny Flörsheim geb. Salomon *4. Dezember 1860 (Theresienstadt)

aus Lyon
Adrienne Rosalie Flörsheim verh. Levy *12. Juni 1880 (Auschwitz)

Recherche/Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Brandenburgisches Landeshauptarchiv BLHA
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
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Landesarchiv
Deportationslisten

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Yad Vashem – Opferdatenbank

Arolsen Archiv

Stolperstein für Max Borchart

Stolperstein für Max Borchart

HIER WOHNTE
MAX BORCHARDT
JG. 1885
DEPORTIERT 12.01.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Max Borchardt wurde am 29. September 1885 in Mogilnow, Kreis Posen geboren. Seine Eltern waren der Spediteur Jacob Borchardt (1835 – 1912) und Berta, geb. Alexander.
Max hatte 5 standesamtlich bekannte ältere Geschwister:
Auguste, verh. Goldemann wurde am 17. Januar 1867 geboren und am 12. November 1942 in Theresienstadt ermordet.
Rosalie, verh. Hirsch, geb. 24. Dezember 1868 starb am 28. November 1939 im Jüdischen Krankenhaus in Berlin an einem Gehirntumor.
Paula, verh. Danielewska, geb. am 8. Dezember 1870 wurde am 12. September 1942 in Theresienstadt ums Leben gebracht.
Emma, verh. Jacobi kam am 13. Oktober 1872 auf die Welt. Sie wurde über Theresienstadt am 23. September 1942 nach Treblinka deportiert und ermordet.
Franz wurde am 15. Mai 1877 geboren, sein Sterbedatum ist nicht bekannt.

Max Borchardt besuchte das Gymnasium in Mogilnow und verließ es mit der Mittleren Reife. Er machte eine kaufmännische Ausbildung bei der Firma Rappold & Söhne in Hamburg, eine renommierte Firma im Besitz der jüdische Familie Rappold, die hoch qualitative Modeerzeugnisse herstellte.
In Berlin wurde Max Borchardt Mitinhaber der Firma „Max Gärtner“, die Hüte und Mützen produzierte.
1926 heiratete Max die geschiedene Lydia Flörsheim geb. Ruben. Deren Ehe mit Theodor Flörsheim war schon nach wenigen Jahren zerbrochen. Sie brachte ihre beiden Töchter, die 5-jährige Hella und die 3-jährige Gerda, mit in die Ehe ein. Die Familie bezog eine 5-Zimmerwohnung im 4. Stock in der Nassauischen Straße 61 in Wilmersdorf.
Die Geschäfte der Firma „Max Gärtner“ in der Wallstraße in Berlin-Mitte liefen ausgezeichnet. Max Borchardt und sein Kompagnon Fedor Krebs beschäftigten 80 Angestellte in der Fabrik und 100 Heimarbeiter. Von 1933 bis 1936 machte die Firma einen Jahresumsatz von ca. 600 000 RM. Max Borchardt konnte somit zwischen 1500 und 2000 RM im Monat für den Lebensunterhalt seiner Familie entnehmen.
Im Juli 1938 wurde die Firma „arisiert“. Der Käufer, ein Dr. Rudolf Häussler aus Krefeld, zahlte 107 000 RM, obwohl die Firma ein Vielfaches wert war. Von den 55 000 RM, die durch den Verkauf auf Max Borchardt entfielen, verblieben ihm nach der Vermögensabgabe und der Reichsfluchtsteuer noch 5000 RM. Aber auch über diese Summe konnte er nicht frei verfügen. Das Geld lag auf einem Sperrkonto und Max Borchardt konnte lediglich 250 RM monatlich für seinen Lebensunterhalt abheben. Der Käufer der Firma, Dr. Rudolf Häussler, zeigte in dieser Situation seine menschliche Seite. So wurde vereinbart, dass Max Borchardt noch für 6 Monate eine Mitarbeit in der Firma für 500 RM monatlichem Lohn gewährt wurde. „Ich habe daher persönlich Herrn Borchardt mit Geld, später als nach seiner Zwangsverpflichtung in den Schlachthof sein körperlicher Verfall offensichtlich wurde, auch mit Lebensmitteln unterstützt.“, erklärte Rudolf Häussler 1957 in einer eidesstattlichen Erklärung.
1936 erfuhr Max Borchardt einen gewaltsamen Übergriff am eigenen Leibe. Er wurde eines Tages schwer verletzt nach Hause gebracht. Auf offener Straße hatten ihn SA–Männer niedergeschlagen und auf ihn eingetreten. Sein Gesicht war durch die Misshandlungen völlig entstellt und er musste sich monatelang in ärztliche Behandlung begeben. Sein seelischer Zustand war so schlecht, dass er geplante Geschäftsreisen absagen musste.
Die Familie entschloss sich, das Land zu verlassen. 1938 reiste Lydia Borchardt nach Amerika, um für die Familie Affidavits zu bekommen – was ihr auch gelang. Die Quotennummer war jedoch so hoch, dass eine rechtzeitige Ausreise nicht mehr möglich gewesen wäre. Von Amerika reiste sie mit einem Besuchervisum nach England weiter, um von dort aus eine Ausreise organisieren zu können. Der Kriegsausbruch verhinderte sowohl eine Flucht der Familie, als auch ihre eigene Rückkehr nach Berlin.
Inzwischen war Max zur Zwangsarbeit verpflichtet worden. Auf dem Berliner Schlachthof musste er die Tierhäute verwerten. Die ungewohnte schwere körperliche Arbeit über mehrere Jahre hinweg führte zu einem katastrophalen körperlichen Verfall, er war am Ende kaum noch wiederzuerkennen, wie Rudolf Häussler ebenfalls eidesstattlich erklärte. Der tägliche Umgang mit Salzen und Säuren hatte außerdem seine Hände verätzt.
In die Wohnung in der Nassauischen Straße war inzwischen auch Egon Nossek eingezogen, der Freund seiner Stieftochter Gerda. Die beiden heirateten in der schlimmsten Zeit der Verfolgung im September 1941 und Gerda bekam am 9. Januar 1943 ein Baby.
Drei Tage nach der Geburt seine Enkeltochter wurde Max Borchardt zusammen mit der Stieftochter Hella und sechs weiteren Menschen aus dem Haus mit dem 26. Osttransport vom 12. Januar 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet.
Gerda und Eugen Nossek wurden zusammen mit ihrer kleinen 1 ½ Monate alten Tochter Jedidja am 26. Februar 1943 ebenfalls nach Auschwitz verschleppt.

Lydia Borchardt lebte in England fern von ihrer Familie mittellos und in völliger Ungewissheit. Sie wird wohl erst nach Kriegsende von deren Schicksal erfahren haben. In London lernte sie dann Michael (Mieczlaw) Fromberg kennen. Er hatte in Warschau ebenfalls seine Familie in der Shoah verloren. Lydia und Michael Fromberg heirateten am 15. September 1947 in Paddington. Mitte der 50er-Jahre stellte Lydia Fromberg Anträge auf Wiedergutmachung und Entschädigung für den Verlust ihrer Familie und ihres Eigentums. Da sich die Verfahren über Jahre hinzogen und Lydia aufgrund ihres schlechten Allgemeinzustandes dringend auf Entschädigungszahlungen angewiesen war, wandte sie sich in Briefen u.a. verzweifelt an den Evangelischen Bischof von Berlin und den damaligen Innenminister Gerhard Schröder mit der Bitte, sich für ihre Sache einzusetzen. Eine Antwort darauf ist nicht bekannt.

Recherche/Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Brandenburgisches Landeshauptarchiv BLHA
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
‘
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Deportationslisten

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
Yad Vashem – Opferdatenbank

Arolsen Archiv

Stolperstein für Max Blumenfeld

Stolperstein für Max Blumenfeld

HIER WOHNTE
MAX BLUMENFELD
JG. 1872
DEPORTIERT 17.08.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET SEPT. 1942 IN
TREBLINKA

Max Moritz Blumenfeld war der Sohn von Ferdinand und Natalie Blumenfeld. Er wurde am 29. Dezember 1872 in Domshöhe Kreis Ratibor in Oberschlesien geboren. Er hatte eine ein Jahr ältere Schwester, Louise.
Als junger Mann übersiedelte Max nach Berlin, wo er am 11. März 1902 Clara Hedwig Helene Karbe heiratete. Clara war die Tochter des aus Sonnenberg Kreis Ruppin stammenden Gutsbesitzerehepaares Gustav und Wilhelmine Karbe. Wie auch ihre Eltern hatte Clara die evangelische Religionszugehörigkeit. Als Max und Clara heirateten, wohnten sie am äußersten Rande Lichtenrades in der Prinzessinnenstraße 15. In der Folge waren von 1905 bis 1908 die Adressen Hornstraße 5 und nur 1935 die Kaiserallee 189 in den Adressbüchern nachzuweisen.
Am 14. März 1905 kam der älteste Sohn Heinz auf die Welt, am 22. März 1910 wurde der zweite Sohn Georg geboren.
Im Laufe seines Berufslebens war Max im Kaufhaus Hertie beschäftigt, dieses war auch seine letzte Arbeitsstelle, bis er Ende Dezember 1935 seine Anstellung verlor- wie auch die gesamte jüdische Belegschaft der Warenhäuser „Hermann Tietz & Co“. Seit 1936 wohnte Max Blumenfeld mit seiner Frau und dem Sohn Georg in einer 5–Zimmer Wohnung im 2. Stock rechts in der Nassauischen Straße 61. Die Wohnung war komfortabel ausgestattet mit Dampfheizung, Warmwasser, Fahrstuhl im Haus, Balkon und der üblichen Kammer für das Hausmädchen. Auch das Mobiliar, das Max Blumenfeld in seiner Vermögenserklärung wenige Tage vor seiner Deportation auflisten musste, zeugte von einem gehobenen Lebensstil, der kaum von den 500 RM Monatslohn, den Max bei Hertie verdiente, bestritten werden konnte. Vermutlich konnte Clara als Tochter eines Gutsbesitzers einiges zur Ausstattung beitragen. Als Nichtjüdin war sie 1938 von der Vermögensabgabe befreit.
Heinz Blumenfeld, Max’ ältester Sohn, hatte 1935 Elisabeth Gernsheimer geheiratet und floh mit ihr unter dem Druck der zunehmenden Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung nach Shanghai. Später emigrierte das Ehepaar weiter nach Amerika, wo sich Heinz später in Henry Bloomfield umbenannte. Er verstarb in Broward County/Florida.
Nach der Aufhebung des Mieterschutzes für Juden im Mai 1939 wurde es in der Wohnung Blumenfeld drangvoll eng. Zu Max, Clara und Georg Blumenfeld wurden Irma Elkeles, Else Pauly, Bertold Lewin und Robert Ollendorf zwangsweise als Untermieter eingewiesen. Außerdem kam der Nachbar Hans Nathan hinzu, dessen Vater mit seiner zweiten Frau nach Belgien geflohen war. Nicht zuletzt wegen dieser stark eingeschränkten Wohnsituation verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Clara Blumenfeld, die an Diabetes erkrankt war, dramatisch. Sie verstarb am 10. Januar 1941 im Rudolf-Virchow-Krankenhaus. Die Todesursache war lt. Sterbeurkunde „Schwere Zuckerkrankheit, Brand des rechten Fußes.“
Als Max Blumenfeld am 17. August 1942 in das böhmische Ghetto Theresienstadt deportiert wurde, war sein Sohn Georg schon 2 Monate zuvor in das Vernichtungslager Sobibor (oder Majdanek) verschleppt worden. Dessen Todesdatum wurde auf den 11. September 1942 festgesetzt.
Am 19. September 1942 wurde Max Blumenfeld in einer mehrtägigen Zugfahrt von Theresienstadt in das Vernichtungslager Treblinka gebracht. Er wurde vermutlich sofort nach Ankunft ermordet.

Recherche und Text: Karin Sievert Stolperstein Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf

Quellen:

Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz

Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Landesarchiv Berlin 


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Arolsen Archives
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Stolperstein für Georg Blumenfeld

Stolperstein für Georg Blumenfeld

HIER WOHNTE
GEORG BLUMENFELD
JG. 1910
DEPORTIERT 13.6.1942
SOBIBOR
ERMORDET 11.9.1942

Georg Blumenfeld kam als Sohn des Kaufmanns Max Blumenfeld und der protestantischen Gutsbesitzers Tochter Clara Hedwig Helene, geb. Karbe am 22. März 1910 in Berlin auf die Welt. Sein älterer Bruder Heinz war am 14. März 1905 geboren worden. Zu diesem Zeitpunkt wohnte die Familie in der Hornstraße 5, später zogen sie zu einem nicht bekannten Zeitpunkt in die Kaiserallee 189 (heute Bundesallee). Erst 1936 bezog die Familie Blumenfeld die große Wohnung in der Nassauischen Straße 61.
Über Schulbesuch und Berufsausbildung von Georg gibt es keine Informationen. Er hat bis zu seiner Deportation 1942 bei seinen Eltern in der 5–Zimmerwohnung gewohnt. Sein älterer Bruder Heinz heiratete 1935 und flüchtete mit seiner Frau Elisabeth, geb. Gersheimer über Shanghai nach Amerika.
Ab 1939 wurden in die Wohnung zahlreiche jüdische Untermieter zwangseingewiesen. Unter ihnen war der junge Hans Nathan, der mit Vater und Stiefmutter im selben Haus wohnte. Nach deren Flucht nach Belgien zog Hans Nathan zu den Blumenfelds, sodass bis zur Räumung und Deportation aller Bewohner zeitweise 8 Menschen in der Wohnung zusammenleben mussten.
Am 10. Januar 1941 starb Clara Blumenfeld im Rudolf-Virchow-Krankenhaus an ihrer Diabeteserkrankung. Max Blumenfeld wurde am 17. August 1942 nach Theresienstadt deportiert, von dort weiter in das Vernichtungslager Treblinka, wo er am 19. September 1942 ermordet wurde.
Als Georg Blumenfeld am 13. Juni 1942 mit über 700 weiteren Menschen Richtung Sobibor verschleppt wurde, war auf der Transportliste unter Adresse angegeben: „Nassauische Straße 61, z.Zt. Tegel“. Offenbar war Georg, der nach den „Nürnberger Rassegesetzen“ als „Mischling 1. Grades“ galt, vor seiner Deportation im Strafgefängnis Tegel inhaftiert. Über die Hintergründe dieser Haft ist nichts dokumentiert.
In verschiedenen Quellen wird sowohl das Mordlager Sobibor, als auch das KZ Majdanek als Todesort für Georg Blumenfeld angegeben. Die Historiker Alfred Gottwald und Diana Schulle bemerken für den 15. Osttransport vom 13. Juni 1942: „Auf einem Nebengleis in Lublin wurden die Zuginsassen einer „Selektion“ unterworfen. Eine unbekannte Zahl von Männern im Alter zwischen 15 und 50 Jahren wurde danach in das Lager Majdanek eingewiesen. Soweit sich das heute noch wissen lässt, endeten alle anderen Menschen aus diesem Transport in Sobibor.“(Im Februar 1943 wurde Majdanek in „Konzentrationslager Lublin“ umbenannt.) Wahrscheinlich gelangte Georg Blumenfeld nach Majdanek und nicht nach Sobibor, denn im KL Lublin wurde er mit der Häftlingsnummer 10374 versehen. Auf einer „Geldverwertungskarte“, die zu den Häftlings – Personalunterlagen gehörte, war gleich nach seiner Registrierung der Zugang von 15 RM verzeichnete, was Georg mit seiner Unterschrift bestätigte. In einem „Geld- und Wertsachenverzeichnis verstorbener Häftlinge“ wurde mit der ganzen Gründlichkeit des verbrecherischen Systems die letzte Ausplünderung der Menschen vor ihrem sicheren Tod festgehalten.

Am 11. September 1942 wurde Georg Blumenfeld ermordet.

Recherche und Text: Karin Sievert Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Landesarchiv Berlin
Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz
Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Deportationslisten

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“
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Arolsen Archives
Deutsches Historisches Museum, Berlin

Stolperstein für Marianne Klatt

Stolperstein für Marianne Klatt

HIER WOHNTE
MARIANNE KLATT
GEB. HEIDENHAIN
JG. 1882
VOR DEPORTATION
FLUCHT IN DEN TOD

Am 19. November 1882 wurde in Marienwerder/Westpreußen Marianne Nanny Dorothea Heidenhain geboren. Sie war Tochter des Arztes Dr. Max Heidenhain und seiner Frau Dorothea geb. Jacobson. Am 6. April 1883 wurde Marianne in der Deutschen Kirche Marienwerder evangelisch getauft. Ein Hinweis auf eine jüdische Herkunft ist einem Eintrag im Taufregister zu entnehmen, in dem ihrem Namen der Zusatz „Israel“ hinzugefügt wurde. Dass sie auf Grund der nationalsozialistischen Rassegesetze als Jüdin galt, ergibt sich weiterhin aus der Meldekartei von 1939, in der alle Juden gesondert erfasst wurden und dem Zwangsnamen Sara, wie er in der Deportationsliste hinter ihrem eigentlichen Namen Marianne stand.
Marianne heiratete den ebenfalls in Marienwerder ansässigen Arzt Dr. Hans Klattkang, später Klatt, mit dem sie zwei Söhne bekam.

Marianne Klatt Adressbuch Marienwerder 1921

Adressbuch Marienwerder 1921

Am 13. Juli 1902 wurde Hans Heinrich Eduard geboren und am 4. Juli 1906 Wilhelm Max Georg. Beide Kinder wurden ebenso wie ihre Mutter evangelisch getauft.
Wann aus dem Namen Klattkang das kürzere Klatt wurde, ist nicht überliefert, ebenso wenig, wann Hans Klatt starb.
Die Söhne zogen nach Berlin, Marianne Klatt blieb in Marienwerder und verdiente ihren Unterhalt als Musiklehrerin.
Hans Heinrich, er war verheiratet mit Mathilde Lange, machte eine große Karriere als Schauspieler. An der Seite von Veit Harlan und Dora Gerson spielte er in zahlreichen Theaterstücken mit. Er starb im November 1932 im Alter von 30 Jahren in seiner Wohnung am Kaiserplatz 10 (heute Bundesplatz).
Wilhelm Max war Lektor, Journalist und Schriftsteller geworden. Er heiratete ein halbes Jahr vor dem Tod seines Bruders die Stenotypistin Annemarie Kleemann. Im selben Jahr, am 11. Juni 1932, wurde der Sohn Michael Johannes geboren. Die Ehe zwischen Wilhelm und Annemarie wurde 1935 wieder geschieden. Michael zog daraufhin zur Großmutter Marianne in die Nassauische Straße. Sie hatte irgendwann nach 1932 Marienwerder verlassen. Michael erinnerte sich später daran, dass seine Großmutter mehrfach untergetauchte Juden in der Wohnung versteckt hatte, was bei dem kleinen Jungen die ständige Angst auslöste, dass die Gestapo kommen und in die Wohnung eindringen könnte. Laut ihrer Kennkarte soll sie dort 1943 bei der Bankangestellten B. Paul zur Untermiete gewohnt haben.
Michael wanderte zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nach Kanada aus, wo er eine Familie gründete und 2002 starb.
Im August 1941 wurde Wilhelm Max Klatt in das Zuchthaus Brandenburg – Görden eingeliefert und dort am 6. September um 5 Uhr früh hingerichtet. Grund der Verhaftung und Ermordung war „Fahnenflucht“, was immer sich für Wilhelm hinter dieser Bezeichnung verbarg.
Am 27. Februar 1943 begann in Berlin die sogenannte „Fabrikaktion“. Die bis dahin von der Deportation verschonten letzten Berliner Juden, die noch in der Rüstungsindustrie Zwangsarbeit leisten mussten, wurden in einer Großrazzia aus ihren Betrieben heraus verhaftet und kurz darauf in die Vernichtungslager deportiert. Dazu gehörten auch sogenannte „Geltungsjuden“ wie Marianne Klatt, die, wie auch ihre Söhne, der protestantischen Kirche angehörte. Marianne Klatts Deportation stand unmittelbar bevor. Ihr Name war bereits auf der Deportationsliste nach Auschwitz am 1. März unter der Nummer 39 vermerkt. Angesichts der bevorstehenden Fahrt in das Vernichtungslager nahm sich Marianne Klatt das Leben. Ihr genauer Todeszeitpunkt ist nicht bekannt, ebenso wenig der Ort der Bestattung.

Recherche und Text: Karin Sievert Stolpersteininitiative Charlottenburg-Wilmersdorf
Quellen:

Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Arolsen Archives
Adressbuch Marienwerder 1921
Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Deportationslisten

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Yad Vashem – Opferdatenbank

Landesarchiv Berlin
Weitere Informationen von Marianne Klatts Urenkelin

Stolperstein für Salomon M. Landau

Stolperstein für Salomon M. Landau

HIER WOHNTE
SALOMON M. LANDAU
JG. 1864
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 13.6.1943

Salomon Mendel Landau wurde am 25. Oktober 1864 im damals österreichischen Neu Sandez/Galizien (heute Nowy Sacz/Polen) geboren.
Rosa Landau geb. Sadger kam am 29.Dezember 1873 in Krakau zur Welt. Mit elterlicher Genehmigung nahm Rosa Sadger ein Musikstudium am Wiener Konservatorium, u. a. bei dem berühmten Eduard Hanslick, auf. In Wien lernte sie auch ihren künftigen Ehemann kennen. 1896 zog das Paar nach Halle in die Talamtstraße 6, wo Salomon Landau, Sami genannt, die Spezial-Eier-Großhandlung seines Bruders im Nebenhaus übernahm. Sie zogen noch zweimal um und wohnten zuletzt im Haus Universitätsring 6. In Halle wurden auch ihre drei Kinder geboren – Grete am 26. Februar 1898, Anneliese am 5. März 1903 und Kurt, der in jungen Jahren tödlich verunglückte.

Die Landaus waren eine liberal eingestellte Familie, in der Musik eine große Rolle spielte. Abendliche Hauskonzerte und häufige Besuche des Leipziger Gewandhauses standen im Zentrum des Interesses. Die Eltern waren Mitglieder im “B’nai-B’rith-Orden” und der Germania-Loge in Halle, wo sich später auch Tochter Anneliese engagierte und einen ihrer ersten öffentlichen Vorträge hielt. Anneliese erhielt bei ihrer Mutter Klavierunterricht, spielte Geige und studierte in Halle und Berlin Musikwissenschaft. Sie war musikschriftstellerisch tätig, gestaltete eine Vortragsreihe im Radio und arbeitete lange für den von Martin Buber, Leo Baeck u. a. gegründeten Jüdischen Kulturverein. Wie bei vielen Intellektuellen begann durch die feindselige politische Lage und den wachsenden Druck der Nationalsozialisten auch bei Anneliese Landau eine Rückbesinnung auf die eigenen jüdischen Wurzeln und das Interesse für spezifisch jüdische Musik. So entstanden ihre auch heute noch interessierenden Aufsätze z. B. über die Musik von Jacques Offenbach.

Grete heiratete den Juristen Kurt Julius Paechter, Leiter der Rechtsabteilung der Deutschen Bank und zog zu ihm nach Berlin, zunächst in die Meineckestr.6, später in die Nassauische Str. 61. Auch ihre Kinder Hans (1925), Gert (*1928) und Lise Ruth (*1933) kamen in Berlin zur Welt. Die Verhaftung von *Kurt Paechter nach dem Novemberpogrom 1938 und seine Internierung im KZ Sachsenhausen ließ die Familie das Ausmaß der Gefahr erkennen. Es gelang, die drei Paechter-Kinder mit einem Kindertransport nach England zu schicken. Die Eltern Landau verließen Halle und zogen zu Grete nach Berlin in die Nassauische Straße 61.

Anneliese Landau verließ Deutschland am 19. April 1939. In England traf sie ihre Neffen und die Nichte wieder, die bei englischen Familien untergebracht waren. Am 1. Januar 1940 erreichte sie New York. Alle Bemühungen von dort, die Ausreise ihrer Familie zu erreichen, waren erfolglos. Durch Zwangsarbeit geschwächt, erkrankte die 43-jährige Grete Paechter und starb am 31.Dezember 1941 in Berlin.

Am 3. Oktober 1942 wurde das Ehepaar Landau nach Theresienstadt deportiert. Dort traf Rose Landau auf Emma Italiander aus Krefeld, mit der sie eine tiefe Freundschaft verband. Emma Italiander, die das Konzentrationslager überlebte, war im Besitz eines Schriftstückes, das von Rose Landau an Chanukka, am 10. Dezember 1944 verfasst worden war.

Im Theresienstädter Ghetto starben der 78-jährige Salomon Landau am 13. Juni 1943 – als offizielle Todesursache wurde eine Gehirnblutung angegeben – und Rosa Landau kurz vor ihrem 71.Geburtstag am 21. Dezember 1944.

Der Schwiegersohn Kurt Paechter wurde am 30.Oktober 1942 von der Gestapo aus der Wohnung in der Nassauischen Straße 61 abgeholt mit einem nur 100 Personen umfassenden Transport ebenfalls nach Theresienstadt deportiert. Von dort wurde er in einem „Transport“ von 1600 Menschen am 9. Oktober 1944 weiter nach Auschwitz verschleppt und ermordet. Seine Schwägerin Anneliese hatte eine andere Erinnerung an sein Schicksal. Nach ihren Aussagen wurde er weiter nach Bergen-Belsen deportiert (vermutlich von Auschwitz aus). Im April 1945, als Bergen-Belsen von britischen Truppen befreit wurde, gehörte er zu den todkranken Häftlingen, für die alle Hilfe zu spät kam. Er starb 52-jährig am 31. Dezember 1945.

Anneliese Landau wurde ab 1944 Musikdirektorin der Jewish Center Association in Kalifornien. Sie organisierte Konzerte, hielt Vorträge, publizierte und erarbeitete ein Bildungsprogramm, das sie später an verschiedenen Erwachsenenschulen verwirklichte. Sie starb 88-jährig am 3. August 1991 in Los Angeles.

Die Biografie basiert auf dem veröffentlichten Text von www.zeit-geschichten.de/th_01_v_66.html (Stolpersteine in Halle) mit Ergänzungen und Änderungen durch Nachrecherche von Karin Sievert

Quellen:
www.bundesarchiv.de/gedenkbuch
Theresienstädter Gedenkbuch www.holocaust.cz
Yad Vashem Opferdatenbank
Deportationslisten
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich“
Landesarchiv Berlin
Kulturbüro – NS-Dokumentationsstelle Krefeld
ITS Arolsen

  • Rose Landaus letzte Zeilen in Theresienstadt, 1944 abfotografierte Fotos

    PDF-Dokument (660.2 kB)

  • Rose Landaus letzte Zeilen in Theresienstadt, 1944

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Stolperstein für Rose Landau

Stolperstein für Rose Landau

HIER WOHNTE
ROSE LANDAU
GEB. SADGER
JG. 1873
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 21.12.1944

Stolperstein für Kurt Paechter

Stolperstein für Kurt Paechter

HIER WOHNTE
KURT PAECHTER
JG. 1888
DEPORTIERT 30.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Stolperstein für Siegfried Levy

Stolperstein für Siegfried Levy

HIER WOHNTE
SIEGFRIED LEVY
JG. 1891
DEPORTIERT 19.4.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Siegfried Levy wurde am 8. September 1891 als drittes von fünf Kindern im westpreußischen Culm (Chełmno) geboren. Die Eltern waren der Klempnermeister Moritz Levy und seine Frau Cecilie geb. Levy.
Siegfried Levy besuchte in Culm die Realschule bis zur Obertertia und erlernte anschließend das Klempnerhandwerk im Betrieb seines Vaters, der in Culm ein Installationsgeschäft mit angeschlossener Eisenwarenhandlung betrieb. 1913 trat er bei den „Culmer Jägern“ seinen aktiven Militärdienst an. Im Ersten Weltkrieg wurde er an der Front eingesetzt und später mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Nach dem Krieg kehrte er kurzfristig nach Culm zurück, übersiedelte aber 1920 nach Berlin. Er wechselte nun ins kaufmännische Fach und beteiligte sich an dem Konfektionsgeschäft von J.L. Rosenzweig in der Invalidenstraße 1a. Nach seinem Eintritt wurde die Firma in Rosenzweig & Levy umbenannt. Allerdings ist nur 1926 die Firma unter diesem Namen in den Adressbüchern zu finden. Bis 1938 ist sie wechselnd unter Siegfried Levys Namen oder unter J.L. Rosenzweig eingetragen.
Am 19. Juni 1928 heiratete Siegfried die geschiedene Margarete David geb. Markt, die den 12- jährigen Sohn Rolf Ludwig mit in die Ehe brachte. Die Familie David wohnte in der Duisburger Straße 18 in einer 4-Zimmer-Wohnung. Nach der Scheidung 1925 war Martin David ausgezogen und hatte Margarete und dem Sohn die Wohnung überlassen. Siegfried Levy, der zum Zeitpunkt der Heirat in der Kantstraße 57 gewohnt hatte, zog nun zu seiner Frau und dem Stiefsohn in die Duisburger Straße. Aus nicht bekannten Gründen war die Familie gezwungen, 1933 die Wohnung zu verlassen und in eine nahe gelegene kleinere in der Konstanzer Straße 11 zu ziehen. Zum Glück konnte das gesamte Inventar in die neue Wohnung mitgenommen werden, denn Margarete war anspruchsvoll, wie einige Familienangehörige später berichteten.
Der Stiefsohn Rolf Ludwig verließ unter dem Druck der sich verschärfenden Verfolgung der jüdischen Bevölkerung 1937 Nazideutschland und emigrierte nach Palästina.
1938 wurde die Firma Rosenzweig & Levy gezwungenermaßen an einen vermutlich „arischen“ Angestellten veräußert. Damit verbunden begann sich auch die Wohnsituation des Ehepaares dramatisch zu verschlechtern. Auf der Meldekarte von Siegfried Levy waren für 1938 mehrere Adressen verzeichnet: Brandenburgische Straße 43 zur Untermiete bei Grünbaum, Motzstraße 88 und schließlich, ab Dezember 1938, Nassauische Straße 61. Sie wurden bei Julius Lewinsohn, der eine kleine Parterrewohnung im Gartenhaus bewohnte, möbliert zur Untermiete in einem seiner 2 Zimmer untergebracht. Beim Auszug aus der Konstanzer Straße 11 hatten Siegfried und Margarete Levy ihre gesamte Wohnungseinrichtung, zu der auch zahlreiche Kunstgegenstände gehörten, weit unter Wert verschleudern müssen.
Siegfried Levy wurde für einen Wochenlohn von 38 RM zu Zwangsarbeit in der Bauschlosserei Paul Fromm in Köpenick verpflichtet.
Als er am 19. März 1943 seine „Vermögenserklärung“ unterschrieb, besaß er nichts mehr, was er hätte angeben können. Der Obergerichtsvollzieher bescheinigte: „Levy hat möbliert gewohnt. Eigene Sachen konnten nicht festgestellt werden. Evt. Sachen werden mit denen des Vermieters aufgenommen.“
Zwischen der Unterzeichnung der Vermögenserklärung und der Deportation vergingen vier Wochen. Offenbar wurden Siegfried und Margarete Levy bis dahin in dem als Gestapo Gefängnis umfunktionierten Altersheim Große Hamburger Straße 26 gefangen gehalten. Dort wurde ihnen die Urkunde des Obergerichtsvollziehers am 16. April 1943 zugestellt. Drei Tage darauf, am 19. April 1943 wurde das Ehepaar mit dem 37. Osttransport, der insgesamt 688 Jüdinnen und Juden umfasste, nach Auschwitz deportiert. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.

Zum Schicksal der Geschwister Siegfried Levys:
Selma Levy verh. Rosendorff, geb. 30. September 1887, flüchtete 1939 zusammen mit ihren Söhnen Manfred und Gerhard Richard in die Niederlande. Über Westerborg wurden sie nach Sobibor bzw. Auschwitz deportiert. Selma wurde am 7. Mai 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Ihr Sohn Rudolf war 1936 in die Niederlande geflüchtet, er wurde 1945 im KZ Buchenwald ermordet, seine Frau und die kleine Tochter wurden in Auschwitz ums Leben gebracht. Selmas Tochter Lizzy emigrierte nach Südafrika.
Arthur Levy, geb. 11. September 1889, emigrierte nach Palästina.
Bruno Levy, geb. 25. Oktober 1893, wurde am 9. Oktober 1944 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.
Richard Levy, geb. am 30. November 1895, starb als Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg im Oktober 1917 .

Recherche und Text: Karin Sievert Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:

Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de

Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

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Mapping The Lives
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Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Yad Vashem – Opferdatenbank


Stolperstein für Margarete Levy

Stolperstein für Margarete Levy

HIER WOHNTE
MARGARETE LEVY
GEB. MARKT
JG. 1899
DEPORTIERT 19.4.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Am 23. November 1893 kam in der Berliner Wohnung im Grüner Weg 111 Sofie Margarete Markt auf die Welt. Ihre Eltern waren Georg Heiman und Malwine Markt geb. Tarlau. Georg Heiman Markt war Schneider und Kaufmann für „Knabenkonfektion engros“ mit einem Geschäft in der Neuen Friedrichstraße 78. Die Familie bezog später eine Wohnung in der Kantstraße 134a.
Margaretes jüngere Schwester Rose Valerie wurde am 12. März 1898 geboren.
Im Alter von 20 Jahren heiratete Margarete am 21. Oktober 1913 den Kaufmann Martin David, damals wohnhaft in der Charlottenburger Sybelstraße 51. Am 10. Mai 1916 wurde der gemeinsame Sohn Rolf Ludwig geboren. Die Familie David bezog in der Duisburger Straße 18 eine 4-Zimmer -Wohnung. Die Ehe zwischen Margarete und Martin David wurde 1925 geschieden. Martin David zog nach Schöneberg in die Haberlandstraße 12 und überließ Margarete und dem Sohn die Wohnung in der Duisburger Straße. Am 19. Juni 1928 heiratete Margarete den Kaufmann Siegfried Levy, der zu ihr und Rolf Ludwig in die große Wohnung zog. Die Einrichtung der Wohnung zeugte mit einem Herrenzimmer, einem Salon, dem Speisezimmer, Schlafzimmer und der Kammer für das Hauspersonal von gehobenem Mittelstand. Laut Aussagen von Familienangehörigen und Freunden Siegfried Levys galt Margarete als sehr anspruchsvoll und Siegfried konnte ihr dank seines gut gehenden Geschäfts einen angemessenen Lebensstil ermöglichen.
1933, gleich nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten, gaben Margarete und Siegfried Levy die große Wohnung gezwungenermaßen auf und zogen in eine kleinere in der Konstanzer Straße 11. Glücklicherweise fand der gesamte Hausrat Platz in der 3-Zimmer-Wohnung.
1937 verließ Margaretes Sohn Rolf Deutschland und emigrierte nach Palästina. Unter dem Namen Arje David lebte er in dem Kibbuz Givat Chaim nahe Chadera.
Zwei Jahre später waren Margarete und Siegfried Levy in den Berliner Adressbüchern nicht mehr zu finden. Laut Meldekarte haben sie ab 1938 in verschiedenen Wohnungen zur Untermiete gewohnt: Brandenburgische Straße 43, Motzstraße 88 und in der Nassauischen Straße 61. Dort sind sie bei der Volkszählung vom Mai 1939 als Untermieter von Julius Lewinsohn eingetragen. Sicher steht der Verlust der großen Wohnung und die letztendliche Einweisung in ein möbliertes Zimmer im Parterre des Hauses im Zusammenhang mit der „Arisierung“ des Bekleidungsgeschäftes 1938 von Siegfried Levy. Die gesamte schöne Einrichtung der bisherigen Wohnung wurde nach Aussagen von Margaretes Sohn weit unter Wert verschleudert.
Von nun an musste Margarete sich als Küchenhilfe ohne Entlohnung durchschlagen, zunächst bei der „Reichsvereinigung der Juden“ in der Güntzelstraße 45 und zuletzt bei der „Jüdischen Kultusvereinigung“ in der Rosenstraße 2-4.
Anfang 1943 beschlossen die Nationalsozialisten, die letzten noch in Berlin verbliebenen Jüdinnen und Juden zu deportieren. Margarete und Siegfried Levy wurden verhaftet und in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 gebracht. Am 19. März 1943 füllten sie die Vermögenserklärung aus, in der sie ihre letzten Habseligkeiten auflisten sollten. Striche über die gesamten Seiten besagten, dass sie nichts mehr hatten.
Am 19. April 1943 wurde Margarete Levy zusammen mit ihrem Ehemann Siegfried in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet.

Margaretes Schwester Rose Valerie konnte mit ihrem späteren Ehemann Ewald Blumenthal 1943 nach Shanghai auswandern. In Shanghai trennte sich das Ehepaar und Valerie heiratete dort Erich Nussbaum. 1947 emigrierten Ewald Blumenthal und Valerie und Erich Nussbaum nach Kalifornien. Valerie starb dort 1970.

Recherche und Text: Karin Sievert Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:

Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de

Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Landesarchiv Berlin 

Arolsen Archiv
Mapping The Lives
Deportationslisten

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Yad Vashem – Opferdatenbank


Stolperstein für Julius Lewinsohn

Stolperstein für Julius Lewinsohn

HIER WOHNTE
JULIUS LEWINSOHN
JG. 1895
DEPORTIERT 28.9.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Julius Lewinsohn wurde am 2. Januar 1895 im brandenburgischen Wriezen (Oberbarnim) geboren.
Wriezen hatte im 19. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde mit 100 bis 150 Mitgliedern aus über 30 Familien, eine jüdische Elementarschule und eine Synagoge mit angeschlossenem Friedhof. Die Wriezener Juden waren – auch weil ihnen traditionsgemäß andere Möglichkeiten verschlossen waren – fast ausschließlich im Handel tätig.
Julius Lewinsohns Großeltern mütterlicherseits, Moses und Rahel Jacob, waren schon 1874 in der Heberolle für Wriezen genannt. Ihre Tochter Alma, Julius’ Mutter, heiratete 1894 den aus Allenstein (Ostpreußen) stammenden David Lewinsohn. Das Paar bekam zwei Söhne, am 2. Januar 1895 Julius und am 26. März 1902 Helmut. David Lewinsohn starb 1914 im Alter von 48 Jahren in der „Landesirrenanstalt Eberswalde“. Sein Grab befindet sich auf dem Wriezener Friedhof.
Julius und sein Bruder verließen zu einem nicht bekannten Zeitpunkt Wriezen und zogen nach Berlin. Helmut war als Dekorateur tätig und Julius war Kaufmann, bzw. später Vertreter. Die Unternehmen, für die sie tätig waren, sind nicht bekannt. Julius taucht in den Berliner Adressbüchern erstmals namentlich 1927 unter der Adresse Herzbergstraße 32 auf. Die Herzbergstraße liegt in Rixdorf, im historischen Kern Neuköllns.
1928 war Julius Trauzeuge seines Bruders Helmut, der vor dem Charlottenburger Standesamt Klara Perl heiratete. Helmut und Klara zogen wieder nach Wriezen, wo ihre drei Töchter zur Welt kamen: Marion am 4. August 1932, Hella am 7. Juli 1933 und Rita am 30. Oktober 1937. Später kehrte die Familie nach Berlin Prenzlauer Berg zurück, von wo alle fünf Familienmitglieder am 19. Januar 1942 aus der Christburger Straße 18 in das Rigaer Ghetto deportiert wurden.
In den Jahren 1933 bis 1935 ist die Anschrift Julius Lewinsohns ungeklärt. In der sogenannten Vermögenserklärung, in der Juden kurz vor ihrer Deportation all ihre verbliebenen Habseligkeiten auflisten mussten, gab Julius am 12. September 1943 an, von 1936 bis Dezember 1942 in der Nassauischen Straße 61 gewohnt zu haben „und dann illegal“ – wie er hinzufügte. Die 2-Zimmer-Wohnung befand sich im Gartenhaus parterre. Der Auflistung des Inventars durch den Gerichtsvollzieher nach, war die Wohnung gut und individuell möbliert. Im Dezember 1938 wurde in eins der beiden Zimmer das Ehepaar Siegfried und Margarete Levy einquartiert, das keine eigenen Besitztümer mitbrachte. Julius’ Mutter Alma soll ebenfalls in der Wohnung gelebt haben, auf der Sterbeurkunde vom 20. Mai 1940 war die Nassauische Straße 61 als ihre Wohnadresse angegeben. Sie starb im Jüdischen Krankenhaus im Wedding an Brustkrebs.
Julius Lewinsohn wurde wie viele andere Juden zur Zwangsarbeit herangezogen. Als Schweißer musste er für einen Wochenlohn von 28-30 RM in der Deutschen Schneekettenfabrik „Nordland“, Kurfürstenstraße 14 Schwerstarbeit leisten.
Wann, wo und wie lange Julius Lewinsohn illegal lebte, ist nicht bekannt.
In einem Schreiben der Oberfinanzdirektion vom 20. September 1943 an die Gestapo heißt es: „Nach meinen Ermittlungen ist der o.g. Jude aus seiner Wohnung unbekannt verzogen und wahrscheinlich flüchtig.“ Offenbar war der Oberfinanzdirektion nicht bekannt, dass Julius Lewinsohn bereits am 12. September seine Vermögenserklärung unterzeichnet hatte, also schon davor gefasst worden sein musste.
Wenig später, am 28. September 1943, wurde er von dem Sammellager in der Großen Hamburger Straße 26 aus mit dem 1001 Menschen umfassenden 43. Osttransport in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Recherche und Text: Karin Sievert Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:

Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Landesarchiv Berlin 

Arolsen Archives
Mapping The Lives
Deportationslisten

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Yad Vashem – Opferdatenbank

Brigitte Heidenhain „Juden in Wriezen“, Universitätsverlag Potsdam

Stolperstein für Hans Nathan

Stolperstein für Hans Nathan

HIER WOHNTE
HANS NATHAN
JG. 1913
DEPORTIERT
AUSCHWITZ
ERMORDET 4.3.1943

Hans Ludwig Nathan kam am 9. Oktober 1913 in Essen, als Sohn der damals noch ledigen Emilie Adelheid Elsa (Adele) Hirtes, auf die Welt. Adele Hirtes war protestantisch und Tochter des Hamburger Laternenanzünders Carl Hirtes und seiner Frau Auguste.
Adele Hirtes, die nach Aussagen ihres Sohnes beim Theater beschäftigt gewesen sein soll, zog es von Hamburg nach Essen, wo sie den 1887 geborenen jüdischen Kaufmann Sally Nathan kennenlernte und von ihm schwanger wurde. Sally Nathan erkannte Hans 1914 urkundlich als seinen leiblichen Sohn an und zu einem nicht bekannten Zeitpunkt heirateten Adele und Sally Nathan und zogen nach Berlin. Hans besuchte in Berlin die Oberrealschule bis zur Untertertia und anschließend für einen Jahreskurs die Rackow – Handelsschule. Seine Lehrzeit absolvierte er in einem Betrieb der Damenbekleidungsindustrie. Als Berufsbezeichnung wurde in allen Dokumenten „Handlungsgehilfe“ angegeben.
Am 6. November 1929 starb Adele Nathan im Alter von 41 Jahren. Die auf der Sterbeurkunde angegebene Adresse war die Hanauer Straße 80 am Rande des Rheingau-Viertels in Wilmersdorf.
Hans und sein Vater lebten zusammen in dieser Wohnung, später in der Schöneberger Wartburgstraße 26, bis Sally 1936 erneut heiratete. Seine jüdische Frau Henriette Margarete Bendix war 20 Jahre jünger als er und nur 6 Jahre älter als Hans. Das Ehepaar emigrierte nach Belgien – ohne Hans, der vermutlich zu diesem Zeitpunkt zu Max und Georg Blumenfeld zur Untermiete in die Nassauische Straße 61 zog. Georg Blumenfeld war nur drei Jahre älter als Hans und möglicherweise kannten sich die beiden jungen Männer aus den Zeiten ihrer Ausbildung.
1938 verlor Hans Nathan seine Anstellung in dem Geschäft für Damenmoden „Stein im Hofe“ am Tauentzien. Er galt nach den Nürnberger Rassegesetzen als „Mischling 1. Grades“ und erfuhr wie alle Juden im öffentlichen Leben keinerlei Schutz. Im selben Jahr erklärte er seinen Austritt aus der Jüdischen Gemeinde.
Im Dezember 1940 kam es zu einer Anzeige und Verhaftung Hans Nathans. Er wurde des „Verbrechens der „Rassenschande“ bezichtigt. Im Laufe der Sommer 1939 und 1940 hatte Hans Nathan zu drei nicht–jüdischen Frauen, die schon länger mit ihm bekannt waren, sexuelle Beziehungen gehabt. Bis zur Verhandlung und Urteilsverkündung war er im Gefängnis Plötzensee inhaftiert. Dort kam es mehrfach zu mehrtägigen Arreststrafen z.B. wegen „Unterhaltung mit dem Zellennachbarn“ oder „Rauchen auf dem Abort“. Am 17. Mai 1941 wurde das Urteil der 4. Berliner Strafkammer verkündet: 3 Jahre Zuchthaus – 1 Jahr für jede Beziehung – und 5 Jahre Ehrverlust. Während der Zeugenvernehmungen wurden die intimsten Details der Beziehungen öffentlich gemacht und protokolliert.

In der Urteilsbegründung heißt es: „In den Fällen K… und L… mußte besonders strafschärfend wirken, daß diese Taten in der Kriegszeit liegen. Während deutsche Männer im Alter des Angeklagten dem Feinde gegenüberstehen, benutzte der Angeklagte seine Ausschließung von der Wehrpflicht dazu, sich an arische Frauen heranzumachen und diese als Jude zu außerehelichen Geschlechtsverkehr zu mißbrauchen.“

Hans Nathan wurde seit seiner Verhaftung mehrfach verlegt, vom Polizeigefängnis in die Untersuchungshaft nach Moabit, von dort ins Gefängnis Plötzensee und schließlich Ende Juni ins Zuchthaus Luckau. Am 10. Juli 1941 verzeichnet das Zuchthaus Görden/Brandenburg seine Einlieferung. Hans Nathans Gesundheitszustand hatte sich infolge der harten Haftbedingungen verschlechtert. In Moabit musste er im Haftkrankenhaus behandelt werden und er war stark abgemagert. Bei der ärztlichen Untersuchung in Görden wog der 28–Jährige gerade noch 61 kg.
Als seine Strafe im Zuchthaus Görden– unter Anrechnung der Untersuchungshaft – dem Ende zuging, wurde er nicht etwa in die Freiheit entlassen.
Am 5. Januar 1943 findet sich sein Name auf einer Liste von 15 Gefangenen, die an die Polizei (Stapo) Potsdam überführt werden. Von dort wurde er auf nicht bekanntem Wege nach Auschwitz verschleppt. In den Deportationslisten dieses Zeitraums ist Hans Nathan nicht zu finden. Es bleibt unklar, was sich zwischen der Entlassung aus dem Zuchthaus Görden und seiner Deportation nach Auschwitz zugetragen hat.
Am 4. März 1943 wurde im Konzentrationslager der Tod von Hans Nathan verzeichnet.
Hans’ Vater Sally Nathan und seine Frau Henriette wurden in Belgien verhaftet und in Frankreich über das Internierungslager Saint Cyprien und das Sammellager Mechelen am 31. Oktober 1942 ebenfalls nach Auschwitz verschleppt und ermordet.

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Quellen:
Bundesarchiv
Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Landesarchiv Berlin
Brandenburgisches Landeshauptarchiv

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
Landesarchiv Berlin 

Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“

Arolsen Archives: Kriminalpolizeiliche Strafakte; Personalakte Zuchthaus Brandenburg Görden (Gefangenenbuch)

Stolperstein für Martha Prager

Stolperstein für Martha Prager

HIER WOHNTE
MARTHA PRAGER
GEB. WOLFF
JG. 1886
DEPOTIERT 19.2.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Am 26. November 1886 kam in Neuteich Krs. Marienburg in Westpreußen Martha Wolff zur Welt. Ihre Eltern Aron Wolff und Lina geb. Michaelis hatten sieben Kinder.
Wilhelm, geb.1875, ermordet 1942 in Auschwitz, Georg, geb.1876, ermordet 1944 in Auschwitz, Martin geb.1879, gest.1880, Cäcilie, geb. 1877 gest.1880, Alma, geb.1878, gest.1970, Richard geb.1880 mit unbekanntem Sterbedatum und als jüngstes Kind Martha, geboren am 26. November 1886. Wilhelm, Georg und Alma wurden in Massow Krs. Naugard geboren, die anderen Kinder außer Martha in Stettin. Aron Wolff, von Beruf Ingenieur, wechselte also mehrfach mit seiner Familie den Wohnort, bis er sich endgültig in Berlin niederließ, wo er im April 1905 starb.
Am 5. Juni 1908 gebar Martha Wolff im Alter von 20 Jahren ihre einzige Tochter Hedwig, genannt Hedy. Der Vater des Kindes, der Kaufmann Alfred Prager war 20 Jahre älter als Martha. Martha war zu diesem Zeitpunkt ledig und als Wirtschafterin tätig, möglicherweise führte ihre Tätigkeit das Paar zusammen. Erst 13 Jahre später, am 8. Juni 1921 heirateten sie. Beide gaben zu diesem Zeitpunkt die Helmstedter Straße 24 als gemeinsame Adresse an. Die Tochter Hedy feierte dort 1934 mit dem Diplomingenieur Jacob Jacoby ihre Hochzeit. Sie war zu diesem Zeitpunkt die Geschäftsführerin eines Modesalons.
Martha und Alfred Prager zogen 1935 in die Nassauische Straße 61. Alfred verstarb am 18. August 1938 im Krankenheim der Israelitischen Synagogengemeinde Adass Jisroel in der Elsässer Straße 85 (heute Torstraße).
Martha Prager blieb in der ehelichen Wohnung und wurde im Adressbuch bis 1940 als Haushaltsvorstand mit dem Zusatz Wwe. (Witwe) unter der Adresse Nassauische Straße 61 aufgeführt. Infolge des Gesetzes über Mietverhältnisse mit Juden und die damit verbundene Aufhebung des Mieterschutzes wurde sie gezwungen, die große Wohnung zu verlassen und „2 Zimmer ohne Küche bei Schulz – arisch, Vh 5 Treppen rechts“ im selben Haus zu beziehen.
Martha wurde zur Zwangsarbeit herangezogen. Sie gab in ihrer Vermögenserklärung vom 11. Februar 1943 an, als Arbeiterin und Reinemachefrau bei der „Reichsführung SS“ für einen Wochenlohn von 25,00 RM beschäftigt gewesen zu sein. Unter der von ihr angegebenen Adresse Kaiserallee 76 befand sich jedoch das Gemeindehaus der evangelischen Gemeinde Friedenau, das wohl gemeinte SS Führungshauptamt befand sich hingegen an der Kaiserallee 188.
Zu dem beschlagnahmten Vermögen von Martha Wolff gehörten nur einige wenige Möbelstücke – von einer ehemaligen Mitbewohnerin in derselben Wohnung als gut und gediegen wenn auch alt bezeichnet – die mit einem Gesamtwert von 95,00 RM taxiert wurden.
Martha Prager wurde am 19. Februar 1943 mit dem sogenannten 29. Osttransport nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Hedy und Jacob Jacoby müssen noch vor dem Umzug der Eltern in die Nassauische Straße – vermutlich überhastet und ohne wichtige Familiendokumente – nach Australien ausgewandert sein. In dem 1958 gestellten Entschädigungsantrag konnte Hedy weder das Sterbejahr ihres Vaters, noch das Geburtsjahr der Mutter und die Adresse ihrer Eltern korrekt angeben.
Marthas Schwester Alma und ihre Ehemann Max Rosenow waren rechtzeitig mit ihren 2 Söhnen geflüchtet. Sie ließen sich in Michigan, USA, nieder.

Recherche und Text: Karin Sievert, Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf
Quellen:

-Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in -Deutschland 1933 – 1945

-Brandenburgisches Landeshauptarchiv www.blha.de
-
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

-Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

-Landesarchiv Berlin 

-WGA
-Deportationslisten

-Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945”