Stolpersteine Landhausstr. 9

Hausansicht Landhausstr. 9, Foto: H-J. Hupka, 2014

Hausansicht Landhausstr. 9, Foto: H-J. Hupka, 2014

Diese Stolpersteine wurden am 15.4.2010 verlegt.

Stolperstein für Elsbeth Lappe

Stolperstein für Elsbeth Lappe

HIER WOHNTE
ELSBETH LAPPE
JG. 1875
DEPORTIERT 25.1.1942
RIGA
ERMORDET

Kurz vor ihrem 24. Geburtstag trifft Elsbeth Lappe ein Schicksalsschlag. Am 14. September 1899 stirbt ihr Vater Fabian Lappe mit 67 Jahren in der gemeinsamen großen Wohnung in der Grolmannstraße 56. Erst knapp zwei Jahre zuvor waren Vater und Tochter in den herrschaftlichen Neubau gezogen, davor hatten sie in der Ansbacher Straße 52 gewohnt, nahe der Lietzenburger Straße. Elsbeth Lappe wird sich von nun an ihrem beruflichen Fortkommen widmen. Eine eigene Familie wird sie nicht gründen. Ein eher ungewöhnlicher Weg für eine Tochter aus einem traditionsreichen jüdischen Elternhaus.

Elsbeth Lappe wurde am 3. Dezember 1875 in Frankfurt/Oder geboren. Dort waren ihre Eltern seit einigen Jahren ansässig. Ursprünglich stammte die jüdische Kaufmannsfamilie Lappe jedoch aus Breslau. In alten Dokumenten wird die Familie Lappe bereits im 18. Jahrhunderts erwähnt. Im Jahr 1793 reichte der „Schutzjude und Medizinlieferant Fabian Israel Lappe in Breslau“ ein offizielles Gesuch um „Zollfreiheit für Armeelieferungen“ ein. Wie so oft in der Geschichte räumte der Staat – hier der Preußische Staat – den Juden Privilegien ein, wenn er sie gerade brauchte. Bereits 1744 – Breslau erlebte gerade eine Handelsblüte, insbesondere mit Polen – hatte Friedrich der Große in einer „Declaration“ befunden, dass „…überhand genommene unnützes Juden-Volck binnen zwey Monaten …“ die Stadt zu räumen habe. Jedoch „… einige zum Münz-Wesen nöthige, wohlberüchtigte Jüdische Familien aber geduldet …“ werden sollten.

Gesellschaft der Brüder zu Breslau 1780

Die (jüdische) Gesellschaft der Brüder in Breslau 1780

Der Handel mit Polen und viele Handwerksberufe waren bald komplett in jüdischer Hand. Die Familie Lappe gehörte zu den privilegierten Juden in Breslau. Ein deutscher Schwiegersohn nahm sogar den jüdischen Namen Lappe an, legte ihn aber 1815 wieder ab, als er Erbe des Schlosses Lüschwitz wurde. Wohlhabende Juden Breslaus durften ihren Bürgereid in der Ratsstube ableisten statt in der Synagoge und sich als „Generalprivilegierte“ an den Wahlen der Stadtverordneten beteiligen. Sie revanchierten sich mit der Gründung der „Gesellschaft der Brüder“ im Jahr 1780. Die Gesellschaft verfolgte wohltätige, kulturelle und soziale Ziele für die 2500 Juden in Breslau und strebte „eine sittliche Veredelung der jüdischen Unterthanen“ an. Im Jahr 1802 trat Itzig Fabian Lappe der Gesellschaft bei. Sein 1832 geborener Enkel Fabian Lappe, der Vater der von den Nazis ermordeten Elsbeth Lappe, war in das Breslauer jüdische und kaufmännische Leben voll integriert.

Fabian Lappe heiratet am 20. Oktober 1861 die Kaufmannstochter Elise Marcus. Die ältere Tochter der beiden, Jenny, wird am 1. November 1867 in Breslau geboren, die jüngere Tochter Elsbeth kommt acht Jahre später in Frankfurt/Oder zur Welt. In der Bahnhofstraße in Frankfurt, der Heimatsstadt seiner Ehefrau, hatte sich der Kaufmann Fabian Lappe mit seiner Familie inzwischen angesiedelt. Fabian Lappe unterhielt auch enge geschäftliche Beziehungen mit Berlin. Im Berliner Adressbuch von 1885 und 1886 ist er als „Stellvertreter“ im „Landeseisenbahnrath“ des „Ministeriums der öffentlichen Arbeiten“ verzeichnet.

Die ältere Tochter Jenny heiratet am 28. Juli 1896 in Berlin den jüdischen Kaufmann Chaim Hermann Arkanas. Auch den Vater der beiden Frauen zieht es nach Berlin. Bereits im selben Jahr ist der inzwischen verwitwete Fabian Lappe im Berliner Adressbuch eingetragen. Seine ledige Tochter Elsbeth bleibt bis zu seinem Tode 1899 bei ihm wohnen.

AEG-Hauptverwaltung in Berlin-Mitte, 1905-1907, erbaut von dem jüdischen Architekten Alfred Messel

AEG-Hauptverwaltung in Berlin-Mitte, 1905-1907, erbaut von dem jüdischen Architekten Alfred Messel

Elsbeth (oft auch: Else) war vermutlich eine vermögende Erbin. Noch nach ihrer Ermordung durch die Nazis in Riga wurden Vermögenswerte in Höhe von mindestens 24.000,- Reichsmark gemeldet und „sichergestellt“: Sparkonten, Wertpapiere, Obligationen, Anleihen. Die Angaben in den Dokumenten sind nicht einheitlich. Das Finanzamt Wilmersdorf-Süd beziffert das Vermögen der Ermordeten am 22.03.1943 sogar mit 41.058,- Reichsmark. Das Einkommen aus ihrer Arbeit als Sekretärin bei der AEG am Friedrich-Karl-Ufer 2-4 in Berlin-Mitte hat für solche Ersparnisse sicher nicht ausgereicht. Dennoch war diese berufliche Tätigkeit für eine junge Frau noch vor dem Ersten Weltkrieg außergewöhnlich. Elsbeth wurde bei der AEG sogar zur „Beamtin“ befördert. „Beamte“ standen in einem besonderen Vertrauensverhältnis zur Firma und waren in ihren Rechten und Pflichten denen der Staatsbeamten angeglichen.

Ab 1922 ist als Wohnsitz von Elsbeth Lappe in den Berliner Adressbüchern die Landhausstraße 9 in Wilmersdorf nahe dem Nikolsburger Platz angegeben. Damals wie heute eine „gute bürgerliche Adresse“. Im Haus Nummer 9 wohnten auch andere jüdische Familien. Die Berufsbezeichnung im Adressbuch lautet „Privatsekretärin“. Auch nach Elsbeths Pensionierung mit 51 Jahren im Jahr 1926 ist diese Berufsbezeichnung noch zu lesen. Erst ab 1930 steht hinter dem Namen Lappe „Rentiere“. Elsbeth bleibt lange in der Landhausstraße wohnen. Im Jahr 1940 heißt der Adresseintrag dann „Elsbeth Sara Lappe“. Juden und Jüdinnen mussten vom Januar 1939 an laut Gesetz zusätzlich den Vornamen Israel oder Sara annehmen.
Die letzte bekannte Adresse der ehemaligen „AEG-Beamtin“ ist die „Güntzelstraße 14, 1. Stock, bei Nagelschmidt“. Am 25. Januar 1942 wird die 67-jährige Elsbeth Lappe nach Riga deportiert. Es ist der 10. Osttransport mit 1000 Personen jüdischer Herkunft. Es war einer der grausamsten Transporte in der langen Reihe der Judendeportationen: Die in Güterwagen gepferchten Opfer mussten vier Tage lang in eisiger Kälte in das knapp 1000 Kilometer von Berlin entfernte Riga fahren. „Bei der Ankunft waren viele bereits erfroren, andere durch die Kälte stark geistig verwirrt“, heißt es im Standardwerk über die „Judendeportationen aus dem Deutschen Reich“ von Gottwald/Schulle. Nahezu alle Deportierten wurden unmittelbar nach dem Ausladen in Riga-Skirotava erschossen. Nur 13 Menschen überlebten.
Über den Verbleib von Elsbeth Lappe in Riga ist nichts überliefert. In den Akten des Entschädigungsamtes steht: „Der weitere Verbleib der Geschädigten ist leider nicht festzustellen.“ Ihr Tod wurde von den Behörden später auf den 31. März 1942 festgesetzt. Einige Monate später, am 14. September 1942 wurden Elsbeths Schwester Jenny und ihr Mann Hermann, beide 74 Jahre alt, ebenfalls vom Bahnhof Grunewald aus nach Theresienstadt deportiert und kamen dort wenige Monate später ums Leben. Elsbeth Lappe hatte ihren zuletzt verarmten Schwager noch mit einem Darlehen von 2 027 RM unterstützt, wie das Finanzamt Wilmersdorf-Süd nach ihrem Tod mitteilt.

Recherche und Text: Gudrun Küsel

Quellen:
Geni.com
Entschädigungsamt Berlin
Berliner Adressbücher
Familiendatenbank Juden im Deutschen Reich
Marcus Brann: Geschichte der Gesellschaft der Brüder, Breslau o.J. (1881)
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Teil I
Alfred Gottwald, Diana Schulle. Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich
von 1941-1945: Eine kommentierte Chronologie. Wiesbaden 2005

Stolperstein für Manfred Rosenthal

Stolperstein für Manfred Rosenthal

HIER WOHNTE
MANFRED
ROSENTHAL
JG. 1898
DEPORTIERT 1.3.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET 1.4.1943

Manfred Rosenthal wurde am 29. August 1898 in der Stadt Posen (Poznan) geboren. Damals gab es knapp 6000 Juden in der Stadt. Das waren etwa fünf Prozent der Bevölkerung. Sie brachten 25 Prozent des Steueraufkommens der Stadt auf. Es gab 30 jüdische Vereine, darunter ein „Jüdischer Töchterverein“ und ein „Israelitischer Frauenverein“. Als Manfred Rosenthal neun Jahre alt war, wurde die prunkvolle neue Synagoge im Stadtzentrum eröffnet. Das war 1907. Elf Jahre später endete die deutsche Herrschaft in Posen und viele Juden wanderten nach Breslau oder Berlin aus. Auch der junge Kaufmann Manfred Rosenthal verlegte seinen Wohnsitz nach Berlin. Die Stephanstraße 19 gehörte zu einem gutbürgerlichen Viertel im südlichen Teil von Steglitz, das daher Südende hieß.
Mit 29 Jahren heiratet Manfred Rosenthal die sechs Jahre jüngere Hildegard Latte. Die Ehe wurde am 5. Februar 1927 vor dem Standesamt Berlin-Schöneberg geschlossen. Die Familie Latte stammte ebenfalls aus Posen. Dort, in Hohensalza (Inowroclaw) hatte der Vater der Braut, Max Latte, bis 1913 mit seiner Familie gelebt. In Berlin wollte sich der pensionierte Justizrat mit seiner Familie als Privatier niederlassen. Dazu kam es aber nicht. Kurz nach dem Umzug der Familie in die Martin-Luther-Straße 88 brach der Erste Weltkrieg aus. Max Latte verlor einen Großteil seines Vermögens und baute sich eine Anwaltskanzlei auf. Er wurde Rechtsberater der Deutschen Bank und Diskonto Gesellschaft. Nach seinem Tod zogen seine Witwe Olga Latte und die gemeinsame Tochter Ilse in eine 4-Zimmer-Wohnung in der Landhausstraße 9.
Manfred und Hildegard Rosenthal wohnten – offenbar mehrere Jahre lang – in einer 3 ½-Zimmer-Wohnung in der Motzstraße 79 in Schöneberg. Später – das belegt die Volkszählung vom 17. Mai 1939 – war das Ehepaar ebenfalls in der Landhausstraße 9 gemeldet. Schwiegermutter Olga Latte lebte zu der Zeit allein in der luxuriös eingerichteten 4-Zimmer-Wohnung. Denn ihre Tochter Ilse, von Beruf Stenotypistin, war ein Jahr zuvor nach England ausgewandert. Nachdem Olga Latte am 11. November 1939 verstorben war, wurde die Wohnung aufgelöst. Die Wohnungseinrichtung wurde nach Zeugenaussagen wahrscheinlich von fremden Personen übernommen.
Die letzte Wohnadresse von Manfred Rosenthal und seiner Frau war der Prager Platz 2 in Schöneberg. Der Prager Platz war das Quartier vieler Prominenter und Künstler. Anfang März 1943 wurden bei einem Luftangriff fast alle Häuser am Platz zerstört.
Am 1. März 1943 wurde Manfred Rosenthal in einen Zug nach Auschwitz verfrachtet. Es war der 31. Osttransport. Zwei Tage später wurde seine Frau Hildegard abgeholt und mit dem 33. Osttransport ebenfalls nach Auschwitz geschickt. Am 1. April 1943 wurden beide in Auschwitz ermordet.

Recherche und Text: Gudrun Küsel

Quellen: 
Entschädigungsamt Berlin
, Berliner Telefon- und Adressbücher
Additional Resources:
www.jüdische-gemeinden.de

Stolperstein für Hildegard Rosenthal

Stolperstein für Hildegard Rosenthal

HIER WOHNTE
HILDEGARD
ROSENTHAL
GEB. LATTE
JG. 1904
DEPORTIERT 3.3.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Als der Vater von Hildegard Latte im Jahre 1913 von Hohensalza (Inowroclaw) im damaligen Posen mit seiner Familie nach Berlin zog, hatte er das angenehme, respektable Leben eines Privatiers im Sinn. Der 56-jährige Justizrat Max Latte wollte sich in Berlin zur Ruhe setzen. Sein Vermögen reichte für ein sorgenfreies Leben der Familie im großbürgerlichen Milieu der Hauptstadt aus: für seine Frau Olga, geb. Tausk, die er 1883 geheiratet hatte, für die damals neunjährige Hildegard und ihre zehn und dreizehn Jahre älteren Geschwister Manfred und Ilse. Hildegard wuchs in einer Sechs-Zimmer-Wohnung in der Martin-Luther-Straße 88 auf. Die Wohnung in der zweiten Etage des Eckhauses hatte mindestens vier Frontzimmer. Darin befanden sich wertvolle große Perserteppiche, handbemalte Porzellan-Service für 12 oder 36 Personen, Silberzeug, lederbezogene Stühle, Eichenholz-, Mahagoni- und Walnussmöbel, Ölgemälde, eine Radierung von Max Liebermann, wertvolle Schmuckstücke aller Art. Eigentlich alles, was damals zum großbürgerlichen Leben gehörte. Hildegards Leben schien gesichert. Ihr Vater aber musste seine Pläne umstellen.
Nach Beginn des mit Staatsanleihen finanzierten Ersten Weltkrieges und der fortschreitenden Inflation verlor Max Latte einen großen Teil seines Vermögens, das er vorwiegend in Aktien angelegt hatte. Gegen Ende des Krieges hatte die Mark über die Hälfte ihres Wertes eingebüßt. Max Latte musste seine Pläne ändern. Er baute sich eine Anwaltskanzlei auf und wurde Rechtsberater der Deutschen Bank und Diskonto Gesellschaft. Als er am 10. November 1934 mit 77 Jahren starb, lebten nur noch Tochter Ilse und die Mutter in der großen Wohnung. Der am 18. Mai 1894 geborene Sohn Manfred und die nun 30-jährige Tochter Hildegard hatten inzwischen geheiratet. Das Ehepaar Latte ist auf dem Jüdischen Friedhof in Weissensee beerdigt.
Die Ehe von Hildegard Latte wurde am 5. Februar 1927 vor dem Standesamt Berlin-Schöneberg geschlossen. Die fast 23-Jährige hatte keinen Beruf erlernt. Ihr Ehemann wurde der Kaufmann Manfred Rosenthal. Er stammte, wie auch die Familie Latte, aus Posen. Dort, in Posen-Stadt, wurde er am 29. August 1898 geboren. Seinen Beruf gibt er bei der Eheschließung mit „Kaufmann“ an. Er wohnte in der Steglitzer Stephanstraße 19. Im Südende – so hieß die bürgerliche Gegend mit ihren großzügigen Miethäusern damals, weil sie am südlichen Ende von Steglitz lag. Auch Künstler dürften in der Gegend gelebt haben, denn als Trauzeugen brachte der Ehemann einen jungen Opernsänger mit, der im selben Haus wohnte.
Ein Jahr nach dem Tode ihres Mannes, am 4. April 1935, zogen die Witwe Olga Latte und ihre 38-jährige Tochter Ilse, die Schwester von Hildegard Rosenthal, in die Landhausstraße 9. Ilse Latte arbeitete von 1927 bis 1938 im Sekretariat der Gesellschaft für Elektrizitätsanlagen m.b.H.. Auch Hildegard Rosenthal wird später eine Zeit lang in der Landhausstraße 9 ihren Wohnsitz haben. Die neue geräumige 4-Zimmer-Wohnung befand sich in der zweiten Etage des Gartenhauses. Die Wohnung war zumindest zeitweise geteilt, es gab vorübergehend eine zweite Mietpartei in der Wohnung. Den beiden Frauen, Mutter und Tochter standen auf jeden Fall 2 ½ Zimmer zur Verfügung. „Da die Übernahme einer kleinen Wohnung von uns als eine infolge des Nazi-Regimes notwendige Übergangsperiode angesehen wurde, nahmen wir den größten Teil der Wohnungseinrichtung mit uns“, wird Ilse Latte später berichten. „Die Teppiche wurden in den besonders großen Zimmern übereinandergelegt.“ Am 13. November 1938 wandert Tochter Ilse nach England aus. Ein Jahr später, am 11. November 1939 verstirbt Olga Latte 67-jährig in ihrer Wohnung. Ungewiss ist, ob sie in der Zeit davor krank oder hilfebedürftig gewesen ist. Denn zumindest vorübergehend haben ihre Tochter Hildegard Rosenthal und ihr Ehemann Manfred wahrscheinlich bei der Mutter in der Landhausstraße gewohnt. Das ergeben die Daten der Volkszählung vom 17. Mai 1939. Vielleicht war das Ehepaar aber auch nur polizeilich dort gemeldet und lebte woanders, dies ist unbekannt. Kurz nach dem Tod von Olga Latte wurde die Wohnung in der Landhausstraße 9 aufgelöst. Das Inventar geriet in fremde Hände. Spätere Zeugenaussagen belegen dies.
Vor 1939 hat das Ehepaar Hildegard und Manfred Rosenthal in einer 3 ½ Zimmer-Wohnung in der Motzstraße 79 mit eigenen wertvollen Möbeln gelebt. Wie lange ist nicht bekannt. Nur der allerletzte Wohnsitz des Ehepaares steht fest: der Prager Platz 2. In den 20er-Jahren eine beliebte Wohnadresse von Prominenten und Künstlern. Anfang März 1943 zerstörte ein Luftangriff fast alle Häuser des Prager Platzes.
Zur selben Zeit, am 1. März 1943 wurde Manfred Rosenthal in einen Zug nach Auschwitz verfrachtet. Es war der 31. Osttransport. Zwei Tage später wurde seine Frau Hildegard mit dem 33. Osttransport ebenfalls nach Auschwitz gebracht. Am 1. April 1943 wurden beide in Auschwitz ermordet.
Auch der Bruder von Hildegard Rosenthal, Manfred Latte, überlebte die Nazi-Herrschaft nicht. Im Jahr 1935 musste der promovierte Jurist seine kaufmännische Tätigkeit in Breslau aufgeben und schlug sich als Vertreter durch. 1938 war er kurzzeitig im KZ Buchenwald interniert. Im Februar 1943 floh die Familie nach Berlin und versteckte sich hier bis zu ihrer Verhaftung im September 1943. Manfred Latte und seine Frau Margarete wurden nach Auschwitz deportiert. Der Sohn der beiden, der 1922 geborene Musiker Konrad Latte, konnte am 23. November 1943 bei einem Bombenangriff aus dem Gestapogefängnis in der Großen Hamburger Straße fliehen. Er überlebte unter falschem Namen. Freunde und Kollegen, darunter seine spätere Ehefrau Ellen Brockmann, unterstützten ihn unter Lebensgefahr. Nach dem Krieg war er als Musiker erfolgreich. So gründete er u.a. das „Berliner Barockorchester“. Ellen Brockmann erhielt die israelische Auszeichnung „Gerechte unter den Völkern“.

Recherche und Text: Gudrun Küsel

Quellen:
Entschädigungsamt Berlin 
Volkszählung 17. Mai 1939
 Landesarchiv Berlin 
WGA Datenbank
 Berliner Adressbücher 1931-1940

Additional Sources:
Peter Schneider: Konrad oder die Liebe zur Musik. In: Der Spiegel Nr. 42, 2000
 www.jüdische-gemeinden.de