Hermann Hagen wurde am 19. Februar 1886 in Berlin als Hermann Levy geboren. Sein Vater, der Bankier Carl Levy, hatte Katharina Philippi geheiratet und mit ihr vier Kinder: Margarethe, Hermann, Louis und Clara. Er stammte aus einer Kölner Bankiersfamilie, die um 1880 in Berlin mit Richard Wiener das Bankhaus Wiener Levy & Co gründete. Carl Levys Bruder Louis, der die väterliche Bank in Köln leitete, hatte 1893 den Namen seiner nichtjüdischen Frau Anna Emma Hagen übernommen, was dazu führte, dass auch Carl diesen Nachnamen annahm. Ihm, seiner Frau und seinen Kindern wurde dies durch eine polizeiliche Verfügung vom 16.6.1905 erlaubt. Das Bankhaus wurde 1921 in Hagen & Co umbenannt.
1894, als Hermann acht Jahre alt war, zog die Familie von der Rauchstraße in ein eigenes Haus in der Derfflingerstraße 12, beide in der Nähe des Tiergartens gelegen. In diesem gediegenen Viertel wuchs Hermann auf. 1905 bestand er das Abitur am Königlichen Französischen Gymnasium, anschließend studierte er, mit Unterbrechungen, bis 1910 an verschiedenen Universitäten – München, Freiburg, Berlin und Heidelberg – Philosophie, Nationalökonomie und Jura. Einen Abschluss machte er nicht, er habe „gebummelt“, sagte er selbst. Auf Drängen seines Vaters diente er zwischendurch ein Jahr beim 1. Garde-Ulanen Regiment in Potsdam.
Im März 1907 starb Hermanns Mutter an Krebs. Möglicherweise war dies besonders belastend für ihn, denn das Verhältnis zu seinem Vater war angespannt. Dieser war mit den Studienleistungen und dem Lebenswandel des Sohnes unzufrieden, hielt ihn für „sehr nervös“ und ließ ihn sogar in einer Nervenheilanstalt untersuchen. Dies hatte auch zur Folge, dass Hermann 1914 für kriegsuntauglich erklärt wurde.
Um 1910 lernte Hermann in Heidelberg die ein Jahr ältere Hedwig Staadt aus Essen kennen und lebte dort mit ihr zusammen. Dieses „anstößige“ Verhältnis führte zu einer Relegationsandrohung des Rektors und trug zu Sanktionen des Vaters bei. Trotz dessen Missbilligung zogen Hermann und Hedwig – die keine Jüdin war – 1915 in eine gemeinsame Wohnung in der Paul-Krause-Straße in Nikolassee. Im April 1916 wurde die Tochter Gerda Irene geboren und im Oktober des gleichen Jahres heirateten Hermann und Hedwig. Fünf weitere Kinder folgten, Hertha 1917, Helga 1918, Karl-Heinz 1919, Hans 1922 und Günther 1924. Carl Hagen akzeptierte wohl die Ehe seines Sohnes, er ermöglichte ihm den Erwerb einer eigenen Villa in der Prinz-Friedrich-Leopold-Straße 41, ebenfalls in Nikolassee, in die die Familie 1919 einzog. 1927 wechselten sie in das Haus Nr. 21 in der gleichen Straße.
Carl Hagen hatte 1912 bereits Hermanns jüngeren Bruder als Gesellschafter in das Bankhaus geholt. Hermann, der Nationalökonomie studiert hatte und von seinem Elternhaus her recht vermögend war, bekam 1921 dort einen Posten als „Bankarchivar“. 1929 wurde er allerdings von seinem Bruder Louis, inzwischen in leitender Funktion, wegen der Wirtschaftskrise entlassen. Das Adressbuch führte Hermann noch bis 1936 als Bankarchivar.
Seine Ehe mit Hedwig bezeichnete Hermann als ausgesprochen glücklich, umso schwerer traf ihn, dass sie schwer erkrankte und zuletzt an den Rollstuhl gefesselt war. Sie starb am 11. Mai 1935. Dass Hermann danach eine nicht jüdische Freundin hatte, sollte ihm zum Verhängnis werden. Da inzwischen die Nürnberger Rassengesetze galten, wurde er im März 1937 wegen „Verdachts auf Rassenschande“ verhaftet, zur Untersuchungshaft nach Plötzensee gebracht und am 10. Juni 1937 wegen dieses „Deliktes“ zu 1½ Jahren Haft verurteilt, die er in Brandenburg /Havel absitzen musste. Ein anschließend vom Amtsgericht Lichterfelde bestelltes medizinisches Gutachten des Anstaltsarztes von Plötzensee kam zu dem Schluss, dass er als „geistig verwirrt“ nach seiner Haftentlassung in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung untergebracht werden sollte. Dies hat ihn möglicherweise davor bewahrt, wie andere, nach dem Gefängnis in „Schutzhaft“ in ein KZ gebracht zu werden.
Hermann Hagen wurde auf Anweisung der Politischen Polizei am 26. September 1938 in die „Heil- und Pflegeanstalt“ Buch in Pankow eingewiesen, eine psychiatrische Einrichtung, die ab 1940 an dem NS-Programm zur Ermordung psychisch kranker Menschen („Euthanasie“) eingebunden war. Er wurde jedoch nach über einem Jahr Beobachtung als „unauffällig“ beurteilt und die Verlegung in eine offene Abteilung befürwortet. Auf Antrag der Familie und mit Einwilligung der Polizei kam er am 18. Dezember 1939 in die Waldhaus-Klinik in Nikolassee. Auch dort fand man ihn „freundlich, zugänglich, höflich“ und „völlig unauffällig“. Am 6. August 1940 wurde er „nach Hause“ entlassen.
„Zu Hause“ gab es aber nicht mehr. Die Villa war verkauft worden, die Einrichtung auch. Wo Hermann Hagen die nächste Zeit lebte, ob er sich versteckte oder ein Zimmer zugewiesen bekam, wissen wir nicht genau. Im Mai 1942 wohnte er in der Waitzstraße 27 zur Untermiete bei der Witwe Anna Kann. Am 18. Mai dieses Jahres war von der Widerstandsgruppe um Herbert Baum ein Brandanschlag auf die Propagandaausstellung „Das Sowjetparadies“ verübt worden. Zur Vergeltung fand am 27./28. Mai eine grausame „Sonderaktion“ statt: 500 unbeteiligte Juden wurden verhaftet und nach Sachsenhausen verschleppt, 250 von ihnen sofort erschossen. Hermann Hagen gehörte zu den am 28. Mai 1942 willkürlich ermordeten.
Seine Wirtin Anna Kann geb. Wittkowski wurde am 28. Januar 1943 nach Theresienstadt deportiert, am 16. Mai 1944 nach Auschwitz weiterverschleppt und dort ermordet.