HIER WOHNTE
ADOLF LÖWENSTERN
JG. 1858
DEPORTIERT 14.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 18.2.1943
Adolf Löwenstern kam am 1. Februar 1858 als Sohn des Lotterieeinnehmers Simon Löwenstern (1806–1878) und seiner Ehefrau Adelheide, geb. Meyersberg (1820–1890) in Adelebsen in der Nähe von Göttingen auf die Welt. Der Ort gehörte zum Königreich Hannover (seit 1871 zum Deutschen Reich) und wurde wegen seiner großen und alten jüdischen Gemeinde auch „Klein-Jerusalem“ genannt: Seit 1836 gab es eine Synagoge, der Vater von Adolf Löwenstern war viele Jahre Vorsteher der Synagogengemeinde. Sein Grabstein befindet sich noch immer auf dem Jüdischen Friedhof des Ortes. In Adelebsen lebten viele Verwandte, der Onkel Jacob Marcus Löwenstern (1811–1893) war ebenfalls Lotterieeinnehmer.
Die Mutter von Adolf Löwenstern stammte aus Einbeck, ebenfalls im Süden des heutigen Bundeslandes Niedersachsen. Ihr Großvater Elias Meyer (1718–1798), dessen Söhne sich seit 1808 Meyersfeld, Meyersberg und Meyerstein nannten, war der Gründer der dortigen Jüdischen Gemeinde. Sein Sohn Hirsch Meyersberg, ein Tabakfabrikant, war ihr Vater. Die Familie gehörte, wie auch die Familie Löwenstern, zu den wohlhabenden Familien der Gegend.
Adolf Löwenstern hatte sechs ältere Geschwister. Die Schwestern Bertha und Berthilde waren bereits vor seiner Geburt gestorben, seine Brüder wurden Kaufleute und verließen Adelebsen: Der älteste Bruder Marcus (*1844) starb 1907 in Hamburg; Hermann (*1848), bei dem die Mutter als Witwe bis zu ihrem Tod lebte, starb 1912 in Frankfurt/Main; Eduard (*1853) starb 1911 in Halle/Saale und der Bruder Mylius (*1855) 1936 in Berlin.
Adolf Löwenstern wurde ebenfalls Kaufmann. Er lebte vor den Berliner Jahren eine Zeit lang in Eschwege/Hessen. Genau sind diese Jahre noch nicht zu belegen. Verheiratet war er mit der am 29. Mai 1867 geborene Laura Frankenstein aus Heepen, einer Landgemeinde in der Nähe der Stadt Bielefeld in Ostwestfalen (heute Teil von Bielefeld/NRW). Dies war nicht weit entfernt von Adelebsen und Einbeck und nicht die erste Verbindung der Familie Frankenstein mit einer Familie aus Adelebsen. Die Familien, gleichermaßen wohlhabend und gleichermaßen aktiv in ihren Synagogengemeinden, werden sich gekannt haben. Auch die Frage nach den Eltern von Laura Frankenstein, kann bis jetzt noch nicht genau beantwortet werden. In Berlin befindet sich vor dem Haus Schlüterstraße 54 ein Stolperstein für Ida Wollheim, eigentlich Mollheim, geb. Frankenstein, 1858 als Tochter des Gastwirts Levi Frankenstein in Heepen geboren. Sie könnte eine Schwester oder Cousine gewesen sein.
Seit 1900 findet sich Adolf Löwenstern im Berliner Adressbuch als Mieter im Haus Kantstraße 148 zwischen Savignyplatz und Uhlandstraße in Charlottenburg. Dort sollten er und seine Ehefrau 30 Jahre leben. Ein Jahr später, 1901, ist er als Mitinhaber der Firma Lang & Kahn, einer „Fabrik“ für Flanell- und Kleiderstoffe in der Klosterstraße 17-19 in Berlin-Mitte, verzeichnet. Als „Agentur und Kommissionsgeschäft für Kleider-, Blusen- und Flanellstoffe“ übernahm Adolf Löwenstern die Firma, wechselte die Geschäftsadresse und zog über die Heilige-Geist-Straße nach einigen Jahren in die nahe Kaiser-Wilhelm-Straße 58. Hier im alten Berlin blieb die Firma fast bis zum Ende der Weimarer Republik. – Nach einer kurzen Zeit wiederum in der Klosterstraße scheint Adolf Löwenstern nicht mehr in größerem Stil tätig gewesen zu sein, obwohl er im Berliner Adressbuch von 1940 noch als „Handelsvertreter“ notiert ist.
Seit 1931 wohnte das Ehepaar Löwenstern in der Meinekestraße 7, nicht weit vom Kurfürstendamm. Es war ein „feines“ Haus: Mitbewohner waren Adelige und wohlhabende Kaufleute.
1936 starb der Bruder Mylius Löwenstern in Berlin. Er hatte dort als Börsenmakler, Besitzer und Redakteur einer Börsenzeitung gelebt. Sein 1892 geborener Sohn Eugen war Zahnarzt geworden, er nahm sich am 23. Juni 1942 das Leben. Ein Vierteljahr später, am 14. September 1942, wurden Adolf und Laura Löwenstern aus der Meinekestraße 7 nach Theresienstadt verschleppt.
Adolf Löwenstern kam am 16. Februar 1943 in Theresienstadt um. Seine Ehefrau Laura überlebte das Ghettolager: Im „Aufbau“ vom 16. Februar 1945 findet sich in der ersten Liste der in der Schweiz eingetroffenen Befreiten aus Theresienstadt.
Quellen:
Berliner Adressbücher
Berliner Telefonbücher
BLHA Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Gedenkbuch Bundesarchiv
Alfred Gottwaldt/Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich, Wiesbaden 2005
HU Datenbank jüdischer Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945
LABO Entschädigungsbehörde
Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen/über ancestry
Yad Vashem Datenbank
https://www.mappingthelives.org/
https://www.statistik-des-holocausts.de: Transportlisten
https://www.geni.com/people/
https://www.juedische-gemeinden.de
https://studyres.com/doc/7961066/wimpel-of-louis-grafenberg
Digitale Edition ─ Jüdischer Friedhof Adelebsen, Im Steilhang, ad2-128
http://www.steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat?id=ad2-128
Vorrecherchen Nachlass Wolfgang Knoll