HIER WOHNTE
MARGARETHE
SUSSMANN
GEB. LEVY
JG. 1895
DEPORTIERT 28.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
STUTTHOF
Margarethe Sußmann kam am 2. Oktober 1895 in Berlin als Tochter von Max Louis Levy (1856–1927) und seiner Ehefrau Jenny, geb. Keiler (1867–1936) auf die Welt. Die Eltern hatten 1894 in Berlin geheiratet, der Vater bezeichnete sich zu dieser Zeit als Referendar a.D., scheint aber vom Vermögen gelebt zu haben. Als „Privatier“ und „Rentier“ wird er später im Berliner Adressbuch notiert. Margarethe hatte drei jüngere Geschwister, die 1897 geborene Schwester Adelheid (Ada) und die Zwillinge Gertrud und Siegfried, die 1899 auf die Welt kamen. Die Zwillinge starben früh: der Bruder Siegfried bereits 1921, die Schwester Gertrud als verheiratete Frau 1933. Die Schwester Adelheid lebte bis zu deren Tod bei den Eltern bzw. der Mutter in Berlin, sie wurde Ärztin und arbeitete bei der Jüdischen Gemeinde.
Die Familie Levy wohnte anfangs in der Kleinbeeren- und Großbeerenstraße im heutigen Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Damals gehörten die beiden Straßen zum eher bürgerlichen Teil der südlichen Friedrichstadt und der Tempelhofer Vorstadt. Dort gab es in den Vorderhäusern Parkettfußböden und Flügeltüren. Nach vielen Jahren zog die Familie nach Schöneberg in die Geisbergstraße 34.
Am 16. September 1919 heiratete Margarethe Levy den 1880 geborenen Kaufmann Willy Abraham Sußmann, der in erster Ehe mit ihrer 1915 gestorbenen Cousine Lucie Sidonie Keiler verheiratet gewesen war und aus dieser Ehe den 1912 geborenen Sohn Werner Raphael mitbrachte.
Margarethe Levy hatte noch „ohne Beruf“ bei ihren Eltern gewohnt. Willy Sußmann, ein Fachmann für den Getreidehandel, arbeitete in den folgenden Jahren bei der staatlichen Reichsgetreidestelle und als Prokurist bei verschiedenen Getreidefirmen. 1925 gründete er eine eigene „Getreide- und Futtermittel-Agentur. Der Familie ging es gut. Bis 1933 lebte Margarethe Sußmann als Ehefrau und Mutter in einer großen 5-Zimmer-Wohnung im 4. Stock des Hauses Kaiser-Friedrich-Straße 4a in Charlottenburg. Am 4. November 1922 wurde ihr Sohn Günter geboren. Er erinnerte sich später an ein Kindermädchen und ein Dienstmädchen, an Klavierstunden und Ferienreisen. Da das Haus in der Nähe des Charlottenburger Schlosses lag, ging das Kindermädchen mit ihm im Schlosspark spazieren, er besuchte die nahe Grundschule und später, wie sein Bruder Werner, das Gymnasium.
1926 starb in Berlin der Schwiegervater von Margarethe Sußmann und 1927 auch ihr Vater. Mutter Jenny Levy zog als Witwe mit der berufstätigen Tochter Adelheid in die nahe Charlottenburger Schloßstraße.
1933 bezog die Familie eine 4½-Zimmer-Wohnung in der Mommsenstraße 51. Der ältere Sohn Werner, der nach der Schulzeit bei der bekannten Lampenfabrik Goldschmidt & Schwabe gearbeitete hatte, verließ Deutschland, ging nach Frankreich und später nach Südafrika. 1936 starb die Mutter von Margarethe Sußmann.
Ehemann Willy Sußmann verlor als Jude seine Firma. Margarete Sußmann hatte noch Vermögen, sodass sie sich „erhalten“ konnten. Ihren Sohn Günter, der zuletzt die jüdische Theodor-Herzl-Schule besucht hatte, schickten die Sußmanns im Oktober 1938 nach Palästina. Sie bezahlten nicht allein die lange Fahrt mit Bahn und Schiff, sondern auch eine dreijährige Ausbildung an einer Technischen Fachschule in Haifa. Damit waren beide Söhne gerettet.
Das Ehepaar Sußmann besaß nur noch wenig. Anfang 1939 zog es aus finanziellen Gründen in eine 1½-Zimmer-Wohnung in der Mommsenstraße 22. Margarete Sußmann lernte Oberhemden und Knopflöcher zu nähen und arbeitete in einer Fabrik (so die Erinnerung ihrer Schwester). Dies wird Zwangsarbeit gewesen sein.
Ihre Schwester Adelheid Levy, als Dr. med. seit 1927 leitende „Wohlfahrtsbeamtin“ bei der Jüdischen Gemeinde, hatte nach dem Tod der Mutter allein gelebt. Sie konnte 1939 mit einem „Dienstbotenvisum“ nach Großbritannien entkommen.
Margarethe Sußmann wurde am 28. Oktober 1942 gemeinsam mit ihrem Ehemann Willy aus der Mommsenstraße 22 nach Theresienstadt deportiert. Ihr Ehemann starb dort am 4. März 1943 während einer Desinfektion der Häftlinge und ihrer Kleidung, entweder an einer Vergiftung oder an „Herzschwäche“. So diskutierten es die (ebenfalls inhaftierten) Ärzte. Margarethe Sußmann war Zeugin seines Zusammenbruches. Sie selbst wurde am 16. Mai 1944 mit ungefähr 2500 Kindern und Erwachsenen nach Auschwitz transportiert. Von dort wurde sie im Juli 1944 in das KZ Stutthof bei Danzig verschleppt, wo sie am 9. August 1944 ermordet wurde.
Quellen:
Berliner Adressbücher
Berliner Telefonbücher
BLHA Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Deutscher Reichsanzeiger
Gedenkbuch Bundesarchiv
Alfred Gottwaldt/Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich, Wiesbaden 2005
HU Datenbank Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945
Juden in Charlottenburg.Ein Gedenkbuch, hrsg.v. Verein zur Förderung des Gedenkbuches für die Charlottenburger Juden e.V., Berlin 2009, hier besonders die Erinnerungen von Gideon Argon, S.125-127
Andreas Jüttemann: Charlottenburger Altstadt. Die Charlottenburger Vereinssynagoge. 17. Januar 2016
Labo Berlin Entschädigungsbehörde
Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen/über ancestry
Landesarchiv WGA-Datenbank
Yad Vashem. Opferdatenbank
https://arolsen-archives.org/
https://www.geni.com/people/
https://www.mappingthelives.org/
https://www.statistik-des-holocaust.de/
https://www.juedische-gemeinden.de/
http://www.deutsche-technion-gesellschaft.de/gesch.html
http://www.luckauer-juden.de/nvz1.html#G
http://collections.jewishmuseum.cz/index.php/Detail/Object/Show/object_id/138000:
das ist: Hans Pick: Betrifft den Tod von Willy Sussmann in Theresienstadt, 24 Seiten
https://objekte.jmberlin.de/object/jmb-obj-180412
das ist: ein Zeugnis für Adelheid Levy
Vorrecherchen Nachlass von Wolfgang Knoll