HIER WOHNTE
ALICE BROMBERG
GEB. FREUDENBERG
JG. 1875
DEPORTIERT 26.8.1942
THERESIENTADT
ERMORDET 9.5.1944
Alice Bromberg kam am 12. November 1868 in Berlin als Tochter des Kaufmanns Gustav Freudenberg (1834–1902) und seiner Ehefrau Rebekka, geb. Franck (Friederike genannt, 1840–1909) auf die Welt. Ihr Vater war gerichtlich vereidigter Taxator, also Gutachter, für „Möbel, Betten, ausgeräth und Nachlaßsachen“. Er stammte aus einer jüdischen Tuchmacherfamilie: Großvater Moses Freudenberg (1786–1846) hatte noch in der Tuchmacherstadt Burg nicht weit von Magdeburg gelebt. Die zehn Kinder des Ehepaars waren in Gommern „vor den Toren Magdeburgs“ auf die Welt gekommen und später nach Magdeburg und Berlin gegangen oder ausgewandert. Alice Freudenberg muss einige ihrer Onkel und Tanten während ihrer Kindheit kennengelernt haben.
Über die Familie ihrer Mutter ist wenig bekannt. Friederike Franck, Tochter von Bernhard Franck, stammte wohl aus Hannover und hatte 1860 in Berlin Gustav Freudenberg geheiratet. Einige Kinder der Beiden waren früh verstorben, erwachsen wurden fünf Geschwister von Alice Freudenberg: Lydia (*1862), Marie (*1865), Paul (*1867), Richard (?, *1871) und Else (*1880).
1868, im Jahr ihrer Geburt, wohnte die Familie in der Heiligegeiststraße in Alt-Berlin (heute Mitte).
In den folgenden Jahren zog sie einige Male um. Zuletzt wohnten die Eltern in der Klosterstraße 79, ebenfalls im „alten“ Berlin.
Alice Freudenberg lebte bis zur Hochzeit bei den Eltern – so war es üblich, wenn das Einkommen des Vaters reichte. Einen der wenigen für Mädchen ihrer Herkunft möglichen Berufe lernte sie nicht. Am 30. August 1899 heiratete Alice Freudenberg den 1872 in Aachen geborenen Kaufmann
Ernst Bromberg. Er war der Sohn des jüdischen Kantors und Grundschullehrers Abraham Bromberg (1833/1834–1915) und der Friederike, geb. Steinberg (1838/39–1920). Sein Vater hatte seit 1868 in Aachen gearbeitet, und Sohn Ernst Bromberg war dort im Schulgebäude neben der Synagoge aufgewachsen. Aber er war nicht Kantor geworden wie Vater und Großvater, sondern Kaufmann und nach Berlin gegangen.
Im Heiratsregistereintrag steht als Religionszugehörigkeit „mosaisch“. Ob Alice Freudenberg auch nach den Rassengesetzen der NS-Diktatur Jüdin, jüdischer Herkunft oder „jüdisch versippt“ war, bleibt unklar oder wird widersprüchlich angegeben. Klar ist, dass fast all ihre nahen Verwandten Mitglieder der jüdischen Gemeinde gewesen sind oder – wie ihre Schwester Else und der Bruder Paul – vor der Taufe gewesen waren.
Ebenfalls 1899 heiratete Alice Brombergs Schwägerin Rosalie nach Berlin, und die Schwiegereltern Bromberg zogen aus Aachen in die deutsche Hauptstadt.
Ernst Bromberg arbeitete als Geschäftsreisender und „Vertreter auswärtiger Häuser“. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts lebten Alice Bromberg und ihr Ehemann in der Steinmetzstraße 25 in Schöneberg. Hier wurde am 18. März 1900 die Tochter Else (genannt nach einer Schwester der
Mutter) geboren. Am 30. Dezember 1903 kam Sohn Werner in der Moselstraße 8 in Friedenau auf die Welt. Die Wohnadressen der Familie und gleichzeitigen Geschäftsadressen lagen danach bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg zuerst in der Lindenstraße und dann in der Wilhelmstraße im heutigen Kreuzberg. In der Nähe war das Exportviertel Ritterstraße. In dieser Gegend gab es nicht
allein kleine Industriebetriebe und viele Handelsfirmen, sondern auch unzählige Musterlager:
Ehemann Ernst Bromberg besaß ein Tuchlager in der Wilhelmstraße.
1902 starb der Vater von Alice Bromberg in der Klosterstraße 79. Lydia Liedtke, die verwitwete Schwester von Alice Bromberg, lebte bei ihm. 1909 starb auch die Mutter Friederike/Rebekka Freudenberg – sie hatte zuletzt als Rentiere mit ihrer Tochter Else zusammengelebt und Zimmer
vermietet.
Von 1912 bis zur NS-Diktatur lebten Alice und Ernst Bromberg in der Martin-Luther-Straße 45.
Heute wäre dies in der Nähe der Urania und der Keithstraße, damals standen hier repräsentative Bürgerhäuser. Es scheint, dass auch die Tochter Else – während dieser Jahre erwachsen geworden – weiterhin bei den Eltern gewohnt hat.
Mitte Oktober 1915 starb auch der Schwiegervater Abraham Bromberg, und die Schwiegermutter Friederike zog zu Sohn und Schwiegertochter in die Martin-Luther-Straße. Dort starb sie am 4. April 1920.
Nach dem Beginn der NS-Diktatur wechselte die Familie Bromberg einige Male die Wohnung, wohnte in der Erfurter Straße und der Sybelstraße. Seit 1938 lebte sie in einer 4-Zimmer-Wohnung in der ersten Etage des Vorderhauses der Konstanzer Straße 4, an der Ecke zur Duisburger
Straße. Sohn Werner Bromberg, Fotograf mit einer Ausbildung beim renommierten Lette-Verein, wohnte Ende der 1930er-Jahre nicht mehr bei den Eltern, sondern in der nahen Xantener Straße 10. Tochter Else Bromberg wurde zur Zwangsarbeit bei der Firma Krone Presswerk GmbH in
Berlin-Lichtenberg gepresst.
Am 13. Juni 1942 wurde Sohn Walter Richtung Sobibor/ Maidanek deportiert und am 19. Juni 1942
im Vernichtungslager Maidanek ermordet. Seine Eltern Ernst und Alice Bromberg wurden am 26. August 1942 vom Anhalter Bahnhof aus mit einem der „kleinen“ Alterstransporte (100 Personen in zwei Personenwaggons) in das Ghettolager Theresienstadt deportiert. Else Bromberg blieb in der
Wohnung der Familie und musste jüdische Untermieter aufnehmen.
Ernst Bromberg kam bereits am 10. Februar 1943 in Theresienstadt um. Alice Bromberg lebte noch bis zum 8. Mai 1944. Ihre Tochter Else Bromberg wurde am 12.Januar 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Quellen:
Adressbuch Aachen
Berliner Adressbücher
Berliner Telefonbücher
BLHA Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Deutscher Reichsanzeiger
Gedenkbuch Bundesarchiv
Alfred Gottwaldt/Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich, Wiesbaden 2005
HU Datenbank Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945
Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen/über ancestry
Yad Vashem. Opferdatenbank
https://www.geni.com/people/
https://www.mappingthelives.org/
https://www.statistik-des-holocaust.de/
https://www.juedische-gemeinden.de/
https://arolsen-archives.org/
https://peoplepill.com › people ›
https://de.findagrave.com › memorial
https://commons.wikimedia.org
https://www.xn—jdische-gemeinden-22b.de/index.php/gemeinden/s-t/1761-schoenebeck-elbe-sachsen-anhalt
Vorrecherchen Nachlass von Wolfgang Knoll