Gertrud und Ludwig Noack waren beide geborene Berliner. Sie bewohnten eine 4 ½-Zimmer-Wohnung im 3. Stock des Seitenflügels des Hauses Kurfürstendamm 114, gerade an der Grenze zu Berlin-Halensee. Bis die Nationalsozialisten an die Macht kamen, scheint es Ludwig und Gertrud Noack gut gegangen zu sein. Die beiden Fotos von ihnen zeigen ein gutbürgerliches, zufrieden wirkendes Ehepaar. Von Beruf war Ludwig Noack Kaufmann, seine Frau stand ihm ohne Beruf zur Seite.
Geboren wurde Ludwig Noack am 24. Januar 1885. Seine Eltern hießen Markus und Friderike Noack. Seine Frau Gertrud war ein gutes Jahr jünger, sie erblickte am 16. September 1886 als geborene Gertrud Steinberg das Licht der Welt. Wann die beiden heirateten, wird aus keiner der wenigen verbliebenen Unterlagen ersichtlich. Offenbar hatten sie keine Kinder.
Ludwig Noack war Besitzer oder Mitbesitzer der Firma „Franz Fei & Noack“, einer „Fabrik für Knaben- und Herrenbekleidung“ in der Neuen Friedrichstraße 2. Diese Firma war 1903 gegründet worden. Im Jahr 1938 musste Ludwig Noack sie an „arische“ Besitzer übergeben, ein Jahr später wurde sie liquidiert. Die weitere berufliche Situation von Ludwig Noack ist nicht bekannt.
Im Oktober 1941– ein Monat zuvor war die Polizeiverordnung zum Tragen des gelben „Judensternes“ erlassen worden – verfärbte sich der Himmel für die Noacks tief schwarz: Ihnen wurde eine 16-seitige Vermögenserklärung zugestellt, die allgemein als administrativer Vorlauf zur Deportation galt. In der säuberlich ausgefüllten Erklärung vom 26. Oktober 1941 über die „Judenwohnung 335“ – so hieß es im Vordruck – trug Ludwig Noack sein verbliebenes Vermögen ein: „1100 RM durch Verkauf der vollständigen Wohnungseinrichtung, 1180 RM Parzelle in Rangsdorf, 2200 RM Sonstiges.“ Gertrud Noack ergänzte unter der Rubrik „Inventar“ unter anderem „drei Bilder, zwei Satz Federbetten, ein Frackanzug“. Die Geheime Staatspolizei verfügte umgehend die Einziehung des gesamten Vermögens zugunsten des Deutschen Reiches. Wir erwähnen diese im Prinzip privaten Vermögensangaben deshalb, um aufzuzeigen, wie skrupellos sich die Nazis und ihre Helfer auch der
materiellen Ausbeutung ihrer Opfer verschrieben hatten.
Fünf Tage später, am 1. November 1941, wurden Gertrud und Ludwig Noack in einem von der Gestapo als „Welle IV“ bezeichneten Transport vom Bahnhof Berlin-Grunewald nach Litzmannstadt deportiert. Das „Gedenkbuch Berlin“ gibt den Umfang des Transportes mit 1079 Menschen an. Die Verhältnisse im Ghetto Litzmannstadt waren menschenunwürdig und vordringlich darauf angelegt, seine Insassen durch Hunger, Krankheit und Überarbeitung zu zerstören. Auch Gertrud und Ludwig Noack überlebten das Lager nicht. Am 28. Juni 1942 starb Ludwig Noack. Wann und wie seine Frau Gertrud den Tod fand, ist nicht bekannt. Ihr Schicksal sei „unknown“, schrieb später ihr Neffe in das von Yad Vashem herausgegebene „Testimony“.
In Berlin wurde das Ehepaar Noack auch nach dem Tod weiter verwaltet: So verlangte der Bezirksbürgermeister von Wilmersdorf vom brandenburgischen Oberfinanzpräsidenten 11,70 RM ausstehende Bürgersteuer: „Wir bitten, unsere Steuerforderung aus dem Versteigerungserlös befriedigen zu wollen.“ Auch die Berliner Bewag forderte für „den evakuierten Juden“ Ludwig Noack die Begleichung einer Restschuld von 32,40 RM. Und der Vermieter der Noack’schen Wohnung am Kurfürstendamm beschwerte sich beim Oberfinanzpräsidenten unter dem Gruß „Heil Hitler“, dass der „jüdische Mieter Noack am 29.10.41 ausgezogen“, ihm aber der Mietausfall in Höhe von 90 Reichsmark erst vom Monat Dezember ab überwiesen worden sei. Er bitte um umgehende Überweisung der Restschuld.
Recherche und Text: Sönke Petersen