HIER WOHNTE
JOSEPH LEWIN
JG. 1890
VERHAFTET
KZ NEUENGAMME
ERMORDET 22.6.1942
Josef Lewin (auch Jossi genannt oder mit ph geschrieben) kam am 27. April 1890 in Berlin als Sohn des Tabakschneiders und -händlers Chaim (Haim) Lewin (1866–1942) und seiner Ehefrau Beila, geb. Gertner (1874–1923) auf die Welt. Der Vater stammte aus der Kleinstadt Aschmjany im heutigen Weißrussland, die Mutter aus Kosov in der Ukraine, damals im Habsburger Reich.
In den folgenden Jahren bekamen die Eltern fünf Kinder und zogen immer wieder um: Geboren wurde Josef Lewin in der Neuen Schönhauser Str. 20, seine Schwester Sophie (eigentlich Sarah) 1892 in der Brückenstraße 2, sein Bruder Jacob 1894 in der Christinenstraße 5, sein Bruder Robin (der nach wenigen Monaten starb) 1896 in Charlottenburg in der Pestalozzistraße 21 und Schwester Henriette 1898 in der Gormannstraße 12 – wiederum in der Gegend, in der viele der eingewanderten Ostjuden anfangs lebten. Anscheinend zog die Familie danach für einige Jahre nach Dresden, bekannt für seine Zigarettenindustrie.
Josef Lewin besaß als junger Mann eine Zigarettenhandlung in der Gertraudenstraße in Mitte. Im Ersten Weltkrieg war er Soldat. Er lebte noch immer bei den Eltern, die nun in der Schönhauser Allee 187 wohnten. Der Vater besaß inzwischen eine Fabrik und handelte mit russischem und türkischem Tabak. Die Geschäfte entwickelten sich gut.
Am 23. Februar 1916 heiratete Josef Lewin die Schauspielerin Herta Feilchenfeld, die 1897 in Berlin geborene Tochter eines Buchhalters. Seine Schwester Sophie heiratete Ende desselben Jahres Gustav Noack, sein Bruder Jacob heiratete 1919. Die Mutter Beila starb 1923, Chaim Lewin heiratete 1929 in zweiter Ehe die 1882 geborene Anna Barwich, die keine Jüdin war.
Die Söhne blieben in der Firma oder doch mit der Firma, bzw. der Tabak- und Zigarettenindustrie und dem Tabakhandel, verbunden. Josef Lewin arbeitete als Tabakexporteur, -vertreter und „Tabaksachverständiger“.
Am 21. Dezember 1925 bekamen Josef und Herta Lewin ihr einziges Kind, den Sohn Hans. Nach der Geburt des Sohnes verließen sie das „alte Berlin“ und zogen nach Schmargendorf in die Warmbrunner Straße und die Orberstraße. Dort lebte die Familie zehn Jahre lang, bis 1936. Dann folgten bis 1939 die wenigen Jahre am Lietzensee Ufer 5 in Charlottenburg, eine schöne, fast großbürgerliche Gegend. Die letzte Anschrift war eine Villa in Lankwitz, Nicolaistraße 38, in der eine Reihe von Juden lebten. 1941 zogen auch Josefs Schwester Sophie und deren Tochter Henni für kurze Zeit zu der Familie des Bruders in die Nicolaistraße.
Das letzte Jahr: Im Jahr 1942 wurden Josef und Herta Lewin deportiert, Josef Lewin nach Neuengamme, ein KZ in der Nähe von Hamburg. Die Sterbeurkunde vom Standesamt Hamburg gibt als Sterbedatum den 22. Juni 1942 an und als Todesursache eine Lungenentzündung, unterschrieben von Kriminalsekretär Otto Apenburg, Gestapo-Beamter und Leiter der Politischen Abteilung des KZs. Aber Josef Lewin war nicht in Neuengamme umgekommen: Hinter der „ordentlich“ ausgefüllten Sterbeurkunde verbarg sich die „Sonderbehandlung 14 f 13“ – der Transport und die Ermordung von KZ-Häftlingen in der Gaskammer der Landesheil- und Pflegeanstalt Bernburg, nun eine „Tötungsanstalt“.
Josefs Ehefrau Herta wurde am 11. Oktober 1942 in Auschwitz ermordet. Sein Vater Chaim, der seit Mitte der 1930er-Jahre wieder in Dresden lebte (dort gibt es einen Stolperstein), kam am 15. Dezember 1942 in Theresienstadt um. Seine Schwester Sophie Noack und die Nichte Henni, für die Stolpersteine am Hansa-Ufer 5 liegen, wurden in Auschwitz ermordet. Josefs und Hertas Sohn Hans Lewin soll im Juni 1943 verhaftet worden und nach kurzer Haft in der Prinz-Albrecht-Straße im KZ Sachsenhausen umgekommen sein.
Neuere Recherchen haben ergeben, dass Josph Lewin nicht im KZ Neuengamme ermordet wurde, sondern in Landesheil- und Pflegeanstalt Bernburg.
Biografische Zusammenstellung
Dr. Dietlinde Peters, Vorrecherchen: Wolfgang Knoll
Weitere Quellen
Adressbuch für Dresden und seine Vororte;
Berliner Telefonbücher;
Buch der Erinnerung, Juden in Dresden. Deportiert, ermordet, verschollen, hrsg.v. Arbeitskreis Gedenkbuch d. Gesellschaft f. Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dresden e.V., Dresden 2006;
Landesarchiv Berlin – Personenstandsunterlagen über ancestry;
Standesamt Hamburg, Sterbeurkunde Josef Lewin;
https://www.stolpersteine-dresden.de;
Bericht Lutz Noack, Schriftwechsel mit Wolfgang Knoll.
Von der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin