HIER WOHNTE
ELSA MOSER
GEB. KATZKY
JG. 1886
DEPORTIERT 9.12.1942
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
Elsa Moser wurde am 19 September 1886 als Elsa Katzky in Leipzig geboren. Die Eltern waren Samuel Katzky und Franziska, geb. Stein. Elsa war das jüngste von vier Geschwistern, Julius war 1871 geboren worden, Max 1877 und Hedwig 1880. Samuel Katzky war Kaufmann und als Elsa auf die Welt kam, betrieb er in Leipzig einen Tuchhandel in der Colonnadenstraße 4 und später in der Löhrstraße 20.
Elsa war 8 oder 9 Jahre alt, als die Familie nach Berlin umsiedelte. Sie lebte zunächst in der Choriner Straße. Als Samuel 1902 starb, wohnten Katzkys in der Straßburger Straße. Franziska zog in der Zeit darauf – sicherlich mit ihrer jüngsten Tochter Elsa – mehrmals um. Zu einem uns unbekannten Zeitpunkt heiratete Elsa einen Herrn Pfeffer, von dem leider nichts in Erfahrung zu bringen war. Sicher ist nur, dass sie 1920 entweder geschieden oder verwitwet war, möglicherweise war ihr Mann im Ersten Weltkrieg gefallen. Am 2. März 1920 heiratete sie ein zweites Mal, den vier Jahre älteren Kaufmann Moses Paul Moser aus Köln. Zu diesem Zeitpunkt wohnte Elsa bei ihrer Mutter in der Braunsberger Straße 9 (heute Hans-Otto-Straße in Prenzlauer Berg). Dort wohnten auch zunächst die frisch Vermählten. Doch Elsas zweiter Ehe war auch wenig Glück beschieden. Noch im gleichen Jahr, am 11. Oktober, starb Paul Moser im Alter von 38 Jahren in der Privatklinik Dr. Unger,
Derfflinger Straße 21.
Was die zweifach verwitwete Elsa in der Folgezeit gemacht hat, wovon sie ihren Unterhalt bestritten hat, ist nicht überliefert. Sie hat wohl weiterhin bei ihrer Mutter Franziska Katzky gewohnt, bis auch diese im Februar 1930 starb. Noch zwei Jahre konnte laut Adressbuch Elsa in der Braunsberger Straße wohnen bleiben, dann verliert sich ihre Spur bis 1939.
In diesem Jahr fand unter dem NS-Regime am 17. Mai eine Volkszählung statt, bei der Juden in einer separaten Kartei erfasst wurden, der sog. Ergänzungskartei. Elsa Moser ist als Untermieterin bei „Katzky“ in der Mommsenstraße 34 registriert. Im Haus wohnten Hedwig Katzky und Siegbert Katzky. Hedwig, geboren am 29. Dezember 1880 wie Elsa in Leipzig dürfte ihre Schwester gewesen sein, Siegbert, 1877 in Berlin geboren, war vielleicht ein Cousin der beiden. Weder Hedwig noch Siegbert sind im Adressbuch als Hauptmieter verzeichnet. Vielleicht wohnte Elsa schon länger mit ihrer Schwester Hedwig zusammen, möglicherweise waren beide Untermieterinnen von Siegbert Katzky. Vielleicht aber waren Hedwig und Siegbert doch ein Paar, obwohl Hedwig nur mit ihrem Mädchennamen registriert wurde. Dafür spricht, dass sie beide (gemeinsam?) 1939 nach Chile auswanderten.
Elsa blieb zurück und musste die Mommsenstraße verlassen. Denn unter den vielen Diskriminierungen und Schikanen, die Juden seit der Machtübernahme der Nazis und verstärkt seit den Pogromen vom November 1938 erdulden mussten, gehörte die Zwangseinweisung bei wildfremden Leuten, um ihre vorherigen Wohnungen Nichtjuden anbieten zu können. Zu ihrem Glück konnte Elsa zu ihrem Bruder Julius ziehen, in die Gartenstraße 114 in Berlin-Mitte. Allerdings herrschten dort recht beengte Zustände. Julius und seine Frau Rebekka waren selber kurz zuvor dorthin gezogen. Sie bewohnten zusammen mit Julius‘ Tochter Gertrud und deren Mann James Lazarus eine Ladenwohnung von 34 m², bestehend aus Laden mit Stube und Küche. Nun kam noch Elsa hinzu.
Wie die meisten Juden unter 60 Jahren war Elsa zur Zwangsarbeit herangezogen worden. Sie war als einfache Arbeiterin der Chemiefirma J.D. Riedel in Britz zugewiesen. Sie erhielt einen Wochenlohn von 18 RM netto. Seit Mai 1942 durften Juden keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Um zur Arbeit zu gelangen, konnten sie auf Antrag eine Sondererlaubnis bekommen, wenn der Weg länger als 7 km war. Von der Gartenstraße in Mitte bis zu der Britzer Riedelstraße (seit 2005 Cafeastraße) betrug die Wegstrecke ca. 15 km. Es bleibt zu hoffen, dass Elsa solch eine Sondererlaubnis erhielt.
Gegen Ende November 1942 erhielt Elsa die Nachricht, dass sie zusammen mit ihrer Nichte und deren Mann zur „Evakuierung“ – ein verschleiernder Begriff für die Deportation – bestimmt seien. Am 3. Dezember befand sich Elsa mit Gertrud und James Lazarus bereits in dem Sammellager Große Hamburger Straße 26, ein von der Gestapo als solches missbrauchtes jüdisches Altersheim, als ihr per Zustellungsurkunde mitgeteilt wurde, dass ihre gesamte Habe als „Vermögen von Reichsfeinden“ zugunsten des Reiches „eingezogen“ werde. Das Vermögen, soweit in der obligatorischen Vermögenserklärung angegeben, die alle drei zuvor am 2. Dezember unterzeichnet hatten, bestand nur noch aus einigen Möbeln und – wie Elsa angibt – „diverse“ Wäsche- und Kleidungsstücken. Es wurde später, zusammen mit dem Besitz von Julius und Rebekka Katzky, auf insgesamt 210 RM taxiert. Die Firma Riedel überwies noch 3,37 RM Restlohn für Elsa – auch die wurden für die
Oberfinanzkasse verbucht.
Knapp eine Woche mussten Elsa, Getrud und James in dem Sammellager ausharren. Am 9. Dezember 1942 wurde sie dann mit 991 weiteren Menschen nach Auschwitz deportiert. Dort wies man 137 Männer und 25 Frauen in das Zwangsarbeitslager ein. Alle anderen wurden in den Gaskammern ermordet. Möglich, dass Elsa, Gertrud oder James nicht gleich ermordet wurden – Auschwitz haben sie nicht überlebt.
Julius Katzky, Elsas Bruder und Gertruds Vater, stand auch auf der Deportationsliste, wurde jedoch wieder gestrichen. Er und seine Frau Rebekka, geb. Nebenzahl wurden jedoch eine Woche später, am 16. Dezember 1942, nach Theresienstadt deportiert, wo sie ebenfalls ums Leben kamen. Für Julius und Rebekka Katzky sowie für Gertrud und James Lazarus liegen seit Oktober 2012 Stolpersteine vor dem Haus Gartenstraße 114 in Mitte.
Quellen:
Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Adressbuch Leipzig; Berliner Adressbücher; Landesarchiv Berlin; Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Akten der Oberfinanzdirektion; Arolsen Archives; Gottwaldt/Schulle, Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945, Wiesbaden 2005; Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer; https://www.stolpersteine-berlin.de/de/gartenstr/114/julius-katzky
Recherchen/Text: Micaela Haas
Stolpersteininitiative Charlottenburg-Wilmersdorf