Stolpersteine Fasanenstraße 60

Hauseingang Fasanenstr. 60

Der Stolperstein für Helene Konicki wurde am 26.09.2006 verlegt.

Weitere Stolpersteine wurden am 22.6.2014 verlegt.

Stolperstein Helene Konicki

HIER WOHNTE
HELENE KONICKI
GEB. KÖNIGSBERGER
JG. 1873
DEPORTIERT 1943
THERESIENSTADT
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Helene Konicki war fast 70 Jahre alt, als sie in die fabrikmäßige Todesmaschinerie der Nationalsozialisten geriet. Aus ihrer schönen Wohnung in der Fasanenstraße 60 hatte sie auf Druck der Nazis ausziehen müssen. Die letzten Monate vor ihrer Deportation am 17. März 1943 wohnte sie in der nahen Meierottostraße 6 als „Untermieterin bei Jacobi“. Für das möblierte Zimmer bezahlte sie monatlich 25 RM.

Hoffnung auf eine Rückkehr in die angestammte Wohnung in der Fasanenstraße hatte Helene Konicki aber wohl bis zuletzt. Denn dort hielt ihre Tochter Lucie Kubler die Stellung, offenbar ohne von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) allzu sehr drangsaliert zu werden.
Die Hoffnung trog. In ihren Amtsstuben hatte die Gestapo Helene Konicki schon längst auf ihre Todeslisten gesetzt und verfügt, dass „das gesamte Vermögen der Helene Sara Konicki zugunsten des Deutschen Reiches einzuziehen“ sei. Am 22. Februar 1943 hatte sie die obligatorische Vermögenserklärung abgeben müssen, die üblicherweise den Deportationsprozess einleitete. Offenbar hatte die alte Dame ihre Möbel und Wertsachen ihrer Tochter überlassen, denn in dem 16-seitigen vorgedruckten Formular strich sie alle Kategorien und Posten konsequent durch.

Leider lassen die wenigen erhaltenen Dokumente, die vor allem im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam über Helene Konicki archiviert sind, keine Rekonstruktion ihres Lebens und Schicksals zu. Wir erfahren lediglich, dass sie am 26. Mai 1873 in Gnesen (Gniezno, Polen) geboren wurde und eine Tochter hatte. Andere Lebensstationen fehlen ebenso wie Angaben über Beruf und Ehe. Daran hatten die Nazis auch wenig Interesse; ihr Augenmerk galt der Vernichtung und finanziellen Ausbeutung der Todgeweihten.
Anfang März 1943 wurde Helene Konicki in das Sammellager an der Großen Hamburger Straße 26 „verbracht“, wie es im Nazi-Jargon hieß. Am 17. März 1943 musste die fast 70-Jährige zusammen mit 1341 Schicksalsgefährten den Deportationszug nach Theresienstadt besteigen. Die Transportbezeichnung für diesen letzten „Großtransport“ aus Berlin nach Theresienstadt lautete „I/90“. Der Transport umfasste neben den Berliner Juden auch langjährige Angestellte der Jüdischen Kultusverwaltung, Träger von Verwundetenabzeichen sowie Kriegerwitwen und Kriegsbeschädigte. Auch wenn Theresienstadt kein Vernichtungslager war, erwartete die Deportierten dort die Hölle: Starben die Verschleppten nicht an Entkräftung oder Krankheit, wurden viele von ihnen weiter transportiert nach Auschwitz oder zu anderen Mordstätten. Eine der wenigen Überlebenden, die Schriftstellerin Ruth Klüger, sprach von Theresienstadt als „Stall vor dem Schlachthaus“.
Auch für Helene Konicki war Theresienstadt nicht die Endstation. Über ein Jahr blieb sie in dem Lager, überstand Hunger und Krankheiten. Dann, am 16. Mai 1944, wurde sie ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert, wo sie vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft am 16. Mai 1944 ermordet wurde. Ihren Mördern war sie noch nicht einmal eine Nummer im Todesregister wert.
Die Berliner Schreibtischtäter schlossen die „Akte Konicki, Judenname Helene Sara“ am 31. August 1944.

Recherche und Text: Sönke Petersen

Stolperstein Albertine Soldin

HIER WOHNTE
ALBERTINE SOLDIN
GEB. LEVY
JG. 1869
DEPORTIERT 13.8.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Albertine Soldin, geb. Levy, wurde am 2. Februar 1869 in Berlin geboren.
Sie lebte von 1931 bis zu ihrer Deportation in der Fasanenstraße 60. Ihre Wohnung beschrieb sie in der ihr abverlangten „Vermögenserklärung“ vom 5.8.1942: Zwei Zimmer, Küche, Kammer, Badezimmer, Balkon, Warmwasser und Heizung, WC, Diele, Keller zu einer monatlichen Miete von 108,—RM.
Sie war Witwe des Kaufmanns Gustav Soldin, der aus erster Ehe zwei Töchter hatte.
Gustav Soldin war ein wohlhabender Kaufmann. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Siegfried Neustadt führte er eine Papiergroßhandlung Neustadt & Soldin. Albertine Soldin brachte keinerlei Vermögen in die Ehe ein, sie übte auch keinen Beruf aus. Nach dem Tod des Ehemannes 1934 lebte sie von den Zinseinkünften des erheblichen Vermögens.

Gustav Soldins Tochter Irma Steinmetz, geb. Soldin, geboren am 7. Mai 1896, emigrierte 1939 in die USA, ihre Schwester Charlotte Münzer, geb. Soldin, geboren am 23. Februar 1892, folgte ihr. Sie selbst gab an: „Mein im Jahr 1945 verstorbener Mann Kurt Münzer und ich wohnten ebenfalls bis 1944 stets in Berlin.“ Es ist nicht bekannt, wo sich das Ehepaar Münzer bis zum Ende der Nazidiktatur aufgehalten hat.
Beide Schwestern blieben kinderlos und lebten verwitwet und verarmt in New York. Irma Steinmetz war probeweise in der Perlenbranche tätig und bezog nach dem Tod ihres Ehemannes Ludwig Steinmetz 91,30 $ monatliche Unterstützung durch die US Army. Charlotte Münzer arbeitete im Haushalt und musste von 100 $ leben.

Albertine Soldin musste sich in der Sammelstelle Große Hamburger Straße 26 melden und wurde mit einem als 43. Alterstransport registrierten Zug vom Anhalter Bahnhof am 13. August 1942 nach Theresienstadt deportiert. Am 23. September 1942 wurde sie ins Vernichtungslager Treblinka weiterdeportiert, wo sie ermordet worden ist.

Nach einer eidesstattlichen Versicherung ihres Neffen Bruno Isaac soll Albertine Soldin zwei Schwestern gehabt haben, deren Vornamen allerdings nicht bekannt und nicht mehr herauszufinden sind. Eine wurde demnach ebenfalls nach Theresienstadt deportiert und dort umgebracht.

Text: Karin Sievert
Quellen: Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam; Entschädigungsamt Berlin

Stolperstein Adolf Zucker

HIER WOHNTE
ADOLF ZUCKER
JG. 1868
DEPORTIERT 20.8.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 16.9.1942

Adolf Zucker ist am 29. Dezember 1868 in Jaratschewo/Jarotschin (Jaraczewo) im Bezirk Posen (Poznan) geboren. Im Volkszählungsregister 1939 war er als „ledig“ unter der Adresse Fasanenstraße 60 eingetragen. Bis 1932 stand ein Mann namens Adolf Zucker in der Nassauischen Straße 20 als Fabrikbesitzer im Adressbuch, danach nicht mehr. In welchem Gewerbe er tätig war, ist unbekannt. Wann und warum er aus Polen nach Berlin gekommen war, ist auch nicht mehr herauszufinden.

Deportiert wurde Adolf Zucker am 20. August 1942 mit 100 Menschen, von denen nur einer überlebte, vom Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt. Dort ist er am 16. September 1942 ermordet worden. Im Totenschein stand die übliche Todesursache: „Darmkatarrh“.

Text: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf. Quellen: Bundesarchiv Berlin und Nationalarchiv Prag.

Stolperstein Ludwig Baruch

HIER WOHNTE
LUDWIG BARUCH
JG. 1904
DEPORTIERT 29.6.1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Ludwig Baruch wurde am 22. Mai 1904 in Posen, dem heutigen Poznan, in Polen geboren. Er war mit der Stenotypistin Helga Baruch verheiratet. Diese war am 5. Februar 1915 in Dortmund als Helga Herz geboren worden. Dort muss das Ehepaar auch zeitweise gelebt haben, denn beide wurden 1943 von der Dortmunder Steinstraße 18 aus deportiert. Passende Standesamts- und Adressbucheinträge liegen nicht vor bzw. unterliegen noch der Sperrfrist. So lässt sich über das Leben des jungen Ehepaares nichts Genaues aussagen. Ludwig Baruch ist in den Berliner Adress- und Telefonbüchern als Kaufmann für Drucksachen und Bürobedarf eingetragen. In der Kreuzberger Stallschreiberstraße 18 befand sich bis zur Liquidierung 1938 das Papier- und Schreibwarengeschäft „Th. Baruch & Co., gegründet 1919“. Möglicherweise bestand hier ein familiärer und beruflicher Zusammenhang. Ludwig Baruchs Berliner Adressen waren ab 1926 die Düsseldorfer Straße 14 und ab dem 1. Januar 1936 die Fasanenstraße 60. Ob er in diesen Wohnungen allein oder mit seiner Frau gelebt hat, ist nicht bekannt.

Der 39jährige Ludwig und seine 28jährige Ehefrau Helga wurden am 29. Juni 1943 von der Gestapo aus der Dortmunder Wohnung geholt und mit dem letzten von drei Transporten aus Westfalen nach Theresienstadt verschleppt. Ausgangsort dieses Transports war Münster, er führte über Bielefeld nach Theresienstadt. Es waren die letzten 33 von insgesamt 99 jüdischen Menschen, die 1943 in das Ghetto transportiert wurden.
Ludwig und Helga Baruch mussten noch ein Jahr und vier Monate unter den unmenschlichen Bedingungen im Ghetto leben. Sie wurden gemeinsam am 23. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und dort vermutlich sofort ermordet.

Recherche und Text: Karin Sievert

Quellen:
  • www.bundesarchiv.de/gedenkbuch,
  • Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz,
  • Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin,
  • Deportationslisten.

Stolperstein Slata Gulko

HIER WOHNTE
SLATA GULKO
GEB. RISKUS
JG. 1898
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Slata Gulko geb. Riskus ist am 25. Oktober 1898 in Drissa (Werchnjadswinsk) im Norden des heutigen Weißrussland geboren. Sie war die Ehefrau von Jacob Gulko, Kaufmann in Wilmersdorf, in Berlin zeitweise in der Passauer Straße 15 wohnend. Slata Gulko bei der Volkszählung 1939 in der Fasanenstraße 60 als „staatenlos mit Nansen-Paß“ eingetragen. Dieser Nansen-Pass wurde als Reisedokument an staatenlose Flüchtlinge und Emigranten, vor allem aus den Hungergebieten Russlands, ausgegeben.

Deportiert wurden beide am 3. März 1943, wenige Tage nach der berüchtigten „Fabrikaktion“, als alle jüdischen Zwangsarbeiter vom Arbeitsplatz weg verhaftet wurden, nach Auschwitz. Dort ist sie nach allem, was bekannt ist, ermordet worden. Mit dem gleichen Zug ist auch Martha Lachmann, die im selben Haus wohnte, deportiert worden.

Stolperstein Jacob Gulko

HIER WOHNTE
JACOB GULKO
JG. 1898
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Jacob Gulko ist am 8. Januar 1898 in Charkow in Russland (heute in der Ukraine) geboren. Er war der Mann von Slata Gulko. In seiner Heimatstadt Charkow herrschte in den 1930er Jahren eine verheerende Hungersnot. 1935 war er im Berliner Adressbuch mit der Anschrift Passauer Straße 15 und der allgemeinen Berufsbezeichnung Kaufmann eingetragen, später nicht mehr. 1939 war er in der Fasanenstraße 60 registriert – als „staatenlos“ – bis zur Deportation.

Deportiert wurden beide am 3. März 1943, wenige Tage nach der berüchtigten „Fabrikaktion“, als alle jüdischen Zwangsarbeiter vom Arbeitsplatz weg verhaftet wurden, mit einem Massentransport vom Bahnhof Moabit nach Auschwitz-Birkenau. In demselben Güterzug saß auch Martha Lachmann aus diesem Haus. Dort sind sie umgebracht worden.

Text: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf.

Stolperstein Martha Lachmann

HIER WOHNTE
MARTHA LACHMANN
JG. 1904
DEPORTIERT 3.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Martha Lachmann ist am 18. September 1904 in Rosenfelde (Westpreußen) geboren.
Sie war ledig und wohnte in Berlin als Untermieterin bei Albertine Soldin in der Fasanenstraße 60. Kurz vor ihrer Deportation musste sie zwangsweise in die Lothringer Straße 60 umziehen. Martha Lachmann, über deren Leben nichts mehr herauszufinden ist, ist am 3. März 1943 in das 570 Kilometer entfernte Konzentrations-und Vernichtungslager Auschwitz deportiert; in den selben Zug wurde auch das Ehepaar Golko getrieben, das im gleichen Haus wohnte. Ihre Vermieterin war schon vor vorher abtransportiert worden.

Text: Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf.

Stolperstein Josef Silbermann

HIER WOHNTE
JOSEF
SILBERMANN
JG. 1878
DEPORTIERT 4.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 8.2.1943

Josef Silbermann ist am 12. März 1878 in Beuthen (Oberschlesien, heute: Bytom) geboren. Mit seinem Sohn Gerhard Max wohnte er in der Fasanenstraße 60. Im Adressbuch stand er mit der Berufsbezeichnung „Kaufmann“.
Deportiert wurde er am 4. September 1942 mit 100 Menschen vom Anhalter Bahnhof nach Theresienstadt. Das dort im Archiv aufbewahrte Todesdokument registrierte als Ursache seiner Erkrankung eine “Herzmuskelentartung“. Das Todesdatum war der 8. Februar 1943.

Stolperstein Gerhard Max Silbermann

HIER WOHNTE
GERHARD MAX
SILBERMANN
JG. 1913
DEPORTIERT 7.12.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Gerhard Max Silbermann wurde am 27. April 1913 in Berlin geboren. Er war der Sohn von Josef Silbermann und einer Mutter, die Ende der 1930 er Jahre schon gestorben war und von der nichts weiter bekannt ist. Jedenfalls war der Vater bei seinem Tod als „Witwer“ eingetragen.

Er war nicht verheiratet und Zwangsarbeiter. Als er abgeholt und 15 Monate nach seinem Vater, bei dem er in der Fasanenstraße 60 wohnte, am 7. Dezember 1943 nach Auschwitz deportiert wurde, war er 30 Jahre alt.

Text: Stolpersteine-Initiative