HIER WOHNTE
MARTHA KORNGOLD
GEB. HECHT
JG. 1880
FLUCHT HOLLAND
DEPORTIERT BERGEN-BELSEN
TOT IM ‘VERLORENEN ZUG’
24.4.1945
Das Ehepaar Martha und Paul Korngold gehörte zum wohlhabenden Teil der jüdischen Gemeinde in Berlin-Charlottenburg. Zusammen mit ihren vier Kindern Carla, Heinz, Ingeborg und dem adoptierten Hermann lebten die Korngolds in einer großzügig ausgelegten Wohnung im zweiten Stock in der Leibnizstraße 57. Grundlage des Wohlstandes waren zwei Möbelfabriken, die von Marthas Bruder Richard Hecht zusammen mit Paul Korngold geleitet wurden.
Doch mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten endete das Glück. Das Schicksal von Martha und Paul Korngold ist vor allem deshalb berührend, weil sie Emigration und das Konzentrationslager Bergen-Belsen überlebten, um schließlich kurz vor Ende der Nazi-Herrschaft dennoch im sogenannten „verlorenen Zug“ zu sterben.
Paul Feivel Korngold wurde am 13. März 1885 im galizischen Biadoliny im Kreis Tarnów geboren, heute polnisches Staatsgebiet. Seine Mutter hieß mit Vornamen Esther, sein Vater Wolf. Noch vor der Jahrhundertwende zog die Familie nach Berlin. Hier heiratete Paul Martha Hecht, die sieben Jahre älter war. Sie wurde am 25. Juni 1878 im schlesischen Klein-Chelm (heute: Mały Chełm/Polen) geboren. (Die zu den Stolperstein-Aufschriften leicht abweichenden Geburtsjahre erklären sich durch zunächst ungenaue Angaben von Angehörigen gegenüber der Datenbank von YadVashem. Inzwischen hat das Bundesarchiv die Daten korrigiert). 1914 gründete Pauls Schwager Richard Hecht die Möbelfabriken „Richard Hecht & Co“ und nahm Paul in die Geschäftsführung auf. Die Fabriken befanden sich am Küstriner Platz 4 sowie an der Fruchtstraße in Friedrichshain. Als die Inflation begann, kauften Paul und Richard das Landgut „Waldfrieden“ am Scharmützelsee, auf dem die weitverzweigte
Familie immer wieder unbeschwerte Ferien verbrachte. Eine Verwandte von Martha, Margot Friedländer, schreibt in ihrem Buch „Versuche, dein Leben zu machen“ (Rowohlt-Verlag): „Wenn wir am Sommeranfang mit einer Wagenladung voller Koffer und unserem Dienstmädchen ins Waldgut zogen, kam es mir so vor, als müssten wir nie mehr in die Stadt zurück. Am Scharmützelsee gab es keine Langeweile, schließlich hatte ich neun Onkel und zwei Tanten, und daher eine Menge Vettern und Cousinen, mit denen wir spielen, schwimmen und Bootsausflüge machen konnten.“
Auch zu Hause in der Leibnizstraße wurde ein geselliges Leben geführt. Die Korngolds galten als großzügig und gastfreundlich. Und natürlich brachten die vier Kinder immer reichlich Freunde ins Haus. Besonders strenggläubig war man im Hause Korngold nicht. Margot Friedländer. „Wir feierten nicht nur die jüdischen Feste. Dezember – das war für uns nicht allein die Zeit von Chanukka, dem Lichterfest, sondern auch die Weihnachtszeit. Zumindest bei Onkel Paul und Tante Martha und ihren Kindern in der Leibnizstraße wurde jedes Jahr ein riesiger, üppig geschmückter Weihnachtsbaum aufgestellt – „für die christlichen Dienstboten“, hieß es offiziell. Doch auch wir Kinder bekamen am ersten Weihnachtstag bunte Teller mit Nüssen, Süßigkeiten und Geschenken. „Weihnukka“ nannten wir diese Zeit.“