HIER WOHNTE
DR. LUDWIG
BEERMANN
JG. 1884
FLUCHT IN DEN TOD
30.7.1941
VOR DEPORTATION
Der Tierarzt Ludwig Beermann, der eigentlich den Vornamen „Lewin“ trug, kam am 20. Januar 1864 als Sohn des Pferdehändlers Abraham Beermann (1820–1899) und dessen Ehefrau Johanna, geb. Schlesinger (1822–1905), in Schermeisel (heute Trzemeszno Lubuskie/Polen) im Kreis Oststernberg in der preußischen Provinz Brandenburg auf die Welt.
Die Eltern von Ludwig Beermann waren Anfang der 1880er-Jahre nach Berlin gekommen und hatten zuerst nicht weit vom Alexanderplatz in der nicht mehr existierenden Landsbergerstraße gewohnt.
Ludwig Beermann hatte zwei Schwestern und drei Brüder: Die Schwestern Rosalie und Jättel heirateten und trugen die Nachnamen ihrer Ehemänner, Treuherz und Moser. Sein Bruder Max, Pferdehändler wie der Vater, starb 1890 mit 40 Jahren. Die beiden Brüder Georg und Julius waren Ende der 1850er-Jahre auf die Welt gekommen: Georg, evangelisch getauft, studierte Jura, promovierte und heiratete 1892 die Schauspielerin und Theaterleiterin Nuscha Butze (1860–1913). Er starb 1911, 52 Jahre alt. Julius, ein Kaufmann, heiratete1897 in erster Ehe ebenfalls eine Schauspielerin. Er starb 1921. Ludwig Beermann war beide Male einer der Trauzeugen.
In den vorhandenen Notierungen, Datenbanken und Verweisen auf sein Leben wird Ludwig Beermann als „Tierarzt“ mit einem Doktortitel bezeichnet. Einzige Referenz zu seiner schulischen und beruflichen Ausbildung scheinen allerdings nur die von seiner Ehefrau ausgefüllten Fragebögen zu sein: Danach hat Ludwig Beermann nach dem Abitur an der Tierärztlichen Hochschule in Berlin studiert und seinen Abschluss gemacht, die Promotion folgte an der Universität von Bern in der Schweiz. Dies kann sehr gut sein, denn viele jüdische Tierärzte waren damals die Söhne von Pferdehändlern.
Um 1888 hatten die Brüder Georg und Julius Beermann mit der Zucht und dem Verkauf von Traber- und Luxuspferden begonnen. 1893 gründeten sie gemeinsam mit ihrem Bruder Ludwig das „Berliner Central-Reit- und Fahr-Institut, den „Tattersall Beermann“, der nicht allein in Berlin berühmt werden sollte. Das heute nicht mehr gebräuchliche Wort „Tattersall“ bezeichnete ein Reitschule mit Pferdevermietung. Namensgeber war Richard Tattersall (1724–1795) ein englischer Reitlehrer und Besitzer eines Instituts zur Unterbringung, Verkauf, Verleih und Training von Pferden.
Das „Berliner Central-Reit- und Fahr-Institut. Gebr. Beermann“ lag gegenüber dem Bahnhof Zoologischer Garten zwischen zwischen Hardenberg- und Kantstraße, die Anschrift war Hardenbergstraße 25 und Kantstraße 7. Von dort führten die Reitwege in den nahen Tiergarten und zum Grunewald.
Ludwig Beermann lebte in der Hardenbergstraße 25. 1899 starben in diesem Haus sein Vater, 1905 seine Mutter. Bereits 1896 annoncierten die Brüder:
„Größtes und vornehmstes Reit- und Fahr-Etablissement Berlins mit 2 großen Reitbahnen, comfortablen Garderoben mit Bad; eigenes elektrisches Licht und Dampfheizung; es enthält lichte, gut ventilierte Pensionsstellungen für ca. 300 Pferde. Großer Bestand an tadellos gerittenen Manegen-Pferden von vorzüglichem Exterieur; eleganter Wagenpark in nur feinster Ausstattung, darunter Viererzüge und Coaches. Verleihung von Equipagen auf Tage, Wochen und Monate. Reit- und Fahrunterricht im Ein- und Mehrspännig-Fahren an Damen und Herren.“
Die drei Brüder waren zudem bekannte Gestütsbesitzer und Züchter – welchen Beruf sie auch gelernt hatten.
Ludwig Beermann heiratete am 23. April 1906 die 1874 in Swinemünde (Świnoujście/Polen) geborene Ella Hohensee. Sie war Protestantin und wohnte nicht weit entfernt am Savignyplatz 13. Im Berliner Adressbuch von 1906 wird sie als Soubrette – also Sängerin und Schauspielerin –verzeichnet, auf der Heiratsurkunde als Gesellschafterin. Ludwig Beermann war noch immer mit dem Vornamen „Lewin“, als mosaisch und als Reitinstitutsbesitzer mit Wohnung in der Hardenbergstraße notiert. Das Ehepaar blieb ohne Kinder.
In den folgenden Jahren florierte das Geschäft, es gab eine Verkaufsabteilung in der Berliner Straße (heute: Otto-Suhr-Allee) und eine Filiale im Seebad Heringsdorf auf Usedom. Der „Tattersall Beermann“ besaß die besten Pferde und die besten Reitlehrer – und die entsprechenden noblen und zahlungskräftigen Kundinnen und Kunden. 1910 wurde Ludwig Bermann in die Freimaurerloge „Friedrich-Ludwig-Schröder“ aufgenommen. Er war ein wohlhabendes und anerkanntes Mitglied der Berliner „Gesellschaft“ geworden.
1911 starb sein Bruder Georg, der in Lichterfelde mit seiner Ehefrau in einer Villa wohnte, 1915 starb seine Schwester Rosalie, verheiratete Treuherz. Sein Bruder Julius, der ein eigenes Haus im vornehmen Charlottenburger Westend besaß, sollte 1921 sterben.
Zuletzt gehörte Ludwig Beermann der „Tattersall Beermann“ ganz allein. 1919/1920 verkaufte er das Reitinstitut mit dem Gebäude in der Hardenbergstraße 25 an den 1884 gegründeten Deutschen Offizier-Verein. Der „Tattersall Beermann“ aber bestand weiter und blieb ein ganz besonderer Ort.
Ludwig Beermann war nun „Privatier“ und lebte mit seiner Ehefrau von seinem Vermögen. Das Ehepaar wohnte in der Knesebeckstraße, nicht weit vom „Tattersall“. 1927 zogen Ludwig Beermann und seine Ehefrau in eine eigene, für sie gebaute Villa in der Stormstraße 10 im Charlottenburger Westend. Ihr Lebensstil (Mobiliar, Kleidung, Schmuck) entsprach ihrem Einkommen. 1934 erschienen in der Fachpresse und im Berliner Tageblatt Artikel zu seinem 70. Geburtstag. Ludwig Beermann plante einen neuen Tattersall am Kaiserdamm.
Aber die folgenden Jahre in der NS-Diktatur hatten wohl eine immer größer werdende Isolation und von seiner Ehefrau später geschilderte Schikanen durch die Nachbarn zur Folge. Als der herzkranke Ludwig Beermann durch einen ehemaligen Angestellten von seiner drohenden Verhaftung erfuhr, erschoss er sich am 30. Juli 1941 in seinem Haus.
Ludwig Beermann wurde nicht auf dem Jüdischen Friedhof beerdigt. Seine Witwe Ella erbte Haus und Grundstück und blieb dort nach Kriegsende mit Heimatvertriebenen und Verwandten wohnen. Sie starb am 26. April 1966 in Berlin. Die Gräber des Ehepaares existieren nicht mehr.
Quellen:
Arolsen Archives
Berliner Adressbücher
Berliner Telefonbücher
Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Gedenkbuch Bundesarchiv
Alfred Gottwaldt/Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich, Wiesbaden 2005
HU Datenbank jüdischer Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945
LABO Entschädigungsbehörde
Landesarchiv Berlin, WGA
Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen/über ancestry
Möllers, Georg: Jüdische Tierärzte im Deutschen Reich in der Zeit von 1918 bis 1945, Hannover 2002 (Diss.), digitalisiert
https://www.mappingthelives.org/
https://www.geni.com/people/
https://www.juedische-gemeinden.de
https://www.statistik-des-holocaust.de/
https://trab-halloffame.de/Hall-of-Fame
mündliche Auskünfte: Dr. Georg Möllers, Dr. Michael v. Schimanski, F.Rosenthal/FU Berlin
Vorrecherchen aus dem Nachlass von Wolfgang Knoll