HIER WOHNTE
DR. ELISABETH
ASCHENHEIM
JG. 1871
FLUCHT IN DEN TOD
7.1.1943
VOR DEPORTATION
Elisabeth (Else) Aschenheim kam am 13. Juni 1871 im westpreußischen Elbing, nahe der Ostsee (heute Elbląg in Polen) als Tochter des Kaufmanns Eduard Aschenheim (1827–1912) und seiner in Breslau (heute Wroclaw in Polen) geborenen Ehefrau Jenny, geb. Franck, (1837–1913) auf die Welt. Eduard Aschenheim gehörte eine Leder- und Holzhandlung sowie eine Gerberei. Er stammte aus einer wohlhabenden Familie: Großvater Samuel Aschenheim war Kaufmann und Stadtrat in Elbing, er besaß eine (Ferien-)Villa im Seebad Kahlberg.
Elisabeth hatte zwei ältere Geschwister, die 1865 geborene Margarete, die 1890 heiratete, und den 1868(?) geborenen Willy, der Jurist wurde.
Seit 1873 lebten Eduard und Jenny Aschenheim mit ihren Kindern in Berlin, wo bereits der Bruder des Vaters Leopold Aschenheim (später Direktor der Berliner Elektrizitätswerke) wohnte. – Dessen Sohn Erich (1882–1941) wurde Kinderarzt wie seine Cousine Elisabeth, und ebenso sollte er sich selbst töten.
Die Kindheit verbrachte Elisabeth Aschenheim in der Bendlerstraße 20 im vornehmen Tiergarten, nach 1890 wohnte die Familie in der Königin-Augusta-Straße 44 (heute Reichpietschufer).
Elisabeth Aschenheim bestand 1908 das Abitur am Sophien-Realgymnasium in Berlin-Mitte und studierte danach Medizin in Berlin. 1914 absolvierte sie das Staatsexamen und erhielt wegen des Ersten Weltkrieges bereits im Herbst des Jahres ihre Approbation als Ärztin. Ihre ersten Berufsjahre verbrachte sie als Hilfsärztin im Rudolf-Virchow-Krankenhaus im Berliner Arbeiterbezirk Wedding und als Assistenzärztin in der Kinderheilanstalt in Stettin/Pommern. 1916 promovierte sie.
Dr. Elisabeth Aschenheim wohnte vom April 1917 bis Oktober 1933/34 in der Brückenallee 8 im Tiergarten. (Die Straße verlief von der Altonaer Straße zur Moabiter Brücke.) „Von Hause aus vermögend“, bewohnte sie eine 10-Zimmer-Wohnung mit Blick auf den Bellevuepark. 1923 wurden drei Zimmer abgetrennt.
Sie eröffnete dort auch ihre Praxis und arbeitete von 1926 (1918?) bis 1933 als Kinderärztin in Berlin. Seit 1931 war sie zudem die Leitende Ärztin der 4. städtischen Säuglings- und Kleinkinderfürsorgestelle Neukölln in Berlin-Britz. Sie war Mitglied in den wichtigen Berufsorganisationen und bis 1933 auch im 1924 gegründeten Bund deutscher Ärztinnen (heute Deutscher Ärztinnenbund e.V)., den sie vor dem Ausschluss freiwillig verließ. 1933 wurde ihr die Kassenzulassung entzogen. Sie verschenkte das ärztliche Inventar der Praxis.
Während der ersten Jahre der NS-Diktatur war Elisabeth Aschenheim „auf Reisen“. Was heißt das? Im Reichsmedizinalkalender werden Anschriften genannt, so 1935 die Barbarossastraße 23 und 1937 die Von-der-Heydt-Straße 1 im Tiergarten. Dort muss sie Untermieterin gewesen sein oder nur „pro forma“ gemeldet, denn in den Berliner Adressbüchern dieser Jahre fehlt sie. 1937 (nach Aussage der Hausdame ungefähr im Juli 1935) zog Elisabeth Aschenheim in die Sächsische Straße 44. Dort lebte sie bis zu ihrem Tod.
Elisabeth Aschenheim war evangelische Christin, unklar bleibt das Jahr der Taufe. Sie beschäftigte bis zuletzt als Haushälterin die „arische“ Agnes Schaale, die schon bei ihren Eltern gearbeitet hatte. Dies war eigentlich verboten.
Ihre Schwester Margarete, verheiratete Krauss, war am 7. September 1942 von Kassel nach Theresienstadt deportiert worden. Ihre Berufsarbeit, ihre Mitarbeit in den Vereinen, ihr Vermögen waren verloren, Schmuck und Silber abgegeben. – Elisabeth Aschenheim hatte sich nach Auskunft von Nachfahren auf den „Freitod“ vorbereitet. Laut Testament sollte Agnes Schaale, Haushälterin und sicherlich auch Vertraute seit über 30 Jahren, eine Leibrente erhalten. Am 7. Januar 1943 vergiftete sich die Ärztin Dr. Elisabeth Aschenheim. Sie wurde am 15. Januar 1943 in Stahnsdorf begraben.
Biografische Zusammenstellung
Dr. Dietlinde Peters
Weitere Quellen
Eintrag zu Elisabeth Aschenheim (AEIK00273) in der Dokumentation „Ärztinnen im Kaiserreich“, Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Online unter: https://geschichte.charite.de/aeik/… (aufgerufen am 15. Oktober 2019)
Eintrag zu Elisabeth Aschenheim (ID 18) in der der Dokumentation „Verfolgte Ärzte“, Institut für Geschichte der Medizin und Ethik in der Medizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin. Online unter: https://geschichte.charite.de/verfo… (aufgerufen am 22. Oktober 2019)
Eintrag zu Elisabeth Aschenheim in der Datenbank „Jüdische Kinderärzte 1933–1945“. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ). Online unter: https://www.dgkj.de/die-gesellschaf… (aufgerufen am 22. Oktober 2019)
Elisabeth Aschenheim: Der Wasserversuch bei Säuglingen. Zeitschrift für Kinderheilkunde, Bd. 24, 1/1920, S. 281–294
Elisabeth Aschenheim: Zur Kenntnis des alimentären Fiebers. I. Mitteilung. Über das Eiweißfieber. Zeitschrift für Kinderheilkunde, Bd. 49, 2/1930, S. 31–54
Eintrag zu Elisabeth Aschenheim, in: Schwoch, Rebecca (Hrsg.): Berliner jüdische Kassenärzte und ihr Schicksal im Nationalsozialismus. Ein Gedenkbuch, Potsdam 2009, S. 57–58
Berliner Telefonbuch;
Elbinger Adressbuch für das Jahr 1848;
Elbinger Wohnungsanzeiger von 1870, 1872;
Anna Fischer: Erzwungener Freitod, Berlin 2007;
http://www.geni.com/people/;
Landesarchiv Berlin, Personenstandsregister über ancestry.
Von der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin