HIER WOHNTE
META EHRLICH
GEB. JACOBSOHN
JG. 1885
DEPORTIERT 3.2.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET
Meta Ehrlich kam am 16. November 1885 in Swinemünde auf der Insel Usedom (heute Świnoujście/Polen) als Tochter des Kaufmanns Salomon Jacobsohn (ca. 1841–1915) und seiner Ehefrau Johanna, geb. Cohn (ca. 1882–1924) auf die Welt. Ihre Mutter stammte aus Usedom, ihr Vater aus Hammerstein im Kreis Schlochau, einer Kleinstadt in der damaligen preußischen Provinz Westpreußen.
Swinemünde war nicht allein ein wichtiger Seehafen, sondern war auch als Badeort berühmt. Besonders beliebt bei den wohlhabenden Berlinern, aber auch bei Kaiser Wilhelm II, der das „Kaiserbad“ regelmäßig besuchte.
Meta Jacobsohn hatte zwei ältere Brüder, den 1878 geborenen Paul und den 1879 geborenen Arthur. Ihr Vater besaß in Swinemünde ein Schuhwarengeschäft. Die Adressen von Wohnung und Geschäft änderten sich im Laufe der Jahre: Vor der Geburt von Meta Jacobsohn lagen sie am Wasser, an „Bollwerken“, die auf der Seeseite Anlegeorte für kleinere Schiffe und auf der anderen Straßenseite bebaut waren. Meta wurde bereits im Haus Großer Markt 7 geboren. Aber sie lebte dort nicht allzu lange. Ihr Vater Salomon verkaufte das Geschäft in Usedom und zog mit der Familie nach Berlin. In Usedom waren die neuen Besitzer an alter Adresse Leopold und später Siegmund Stargardter, die das Geschäft unter dem Namen „Jacobsohn Nachf., Garderoben- u. Schuhwarengeschäft“ weiterführten.
Mitte der 1890er-Jahre tauchte Salomon Jacobsohn im Berliner Adressbuch als Inhaber eines Schuhwaren-Exports und einer „Schuhwarenfabrik“ auf. Die Wohnungen und vielleicht auch der Arbeitsplatz der Familie, lagen anfangs in der Meyerbeerstraße (Berlin-Mitte) und in der Ansbacherstraße in der Nähe des Wittenbergplatzes. Dann zogen die Jacobsohns in die Würzburgerstraße 19 in Schöneberg (bis 1920 bei Berlin).
Meta Jacobsohn lebte ohne Beruf bei den Eltern und wartete auf einen Ehemann, wie es für die meisten ledigen bürgerlichen Mädchen und jungen Frauen üblich war.
Am 21. September 1908 heiratete sie den Apotheker Dr. Curt Ehrlich. Ihr 1878 im oberschlesischen Kattowitz geborener Ehemann war der Sohn eines jüdischen Schneidermeisters. Er hatte in Zürich, Breslau und Königsberg Pharmazie studiert und 1904 promoviert. In Berlin besaß er eine eigene, wohl noch kleine pharmazeutische Fabrik. Nach der Hochzeit zog das Ehepaar in eine Wohnung im 2. Stock der Cranachstraße 55 in Berlin-Friedenau. Ihr Bruder Paul Jacobsohn, der nicht mehr bei den Eltern, sondern in der Pariser Straße wohnte, heiratete ein Jahr später eine Frau „mit Beruf“, die Möbelzeichnerin Susanne Elly Wurm.
Ehemann Curt Ehrlich gründete 1909 gemeinsam mit Otto Lener eine pharmazeutische Fabrik, die „Dr. Ehrlich & Lener, Vereinigte Werke GmbH.“ Die Firma sollte sich bis zum Ende der 1920er-Jahre in der Chausseestraße 25 befinden. Die Geschäfte ermöglichten ein standesgemäßes bürgerliches Leben. Allein von Kindern wird in den Akten nichts berichtet.
Im Ersten Weltkrieg war Ehemann Curt Ehrlich als Apotheker von Anfang August 1914 bis Ende 1916 an der Front im Westen. Er arbeitete in Feldlazaretten, nahm in Lothringen und Flandern an großen Schlachten und an dem besonders grausamen Stellungskrieg teil. Anfang 1917 wurde er nach einem „Erholungsurlaub“ zum Reservelazarett Nürnberg versetzt. Von der Angst und Sorge seiner Ehefrau könnten wir allein aus persönlichen Dokumenten erfahren. Hinzu kam: Ihr Bruder Paul war gleich zu Beginn des Krieges in einem Feldlazarett an der Ostfront gestorben.
Auch in Berlin veränderte sich während des Krieges das Leben: Das Ehepaar Meta und Curt Ehrlich besaß für kurze Zeit eine Wohnung in der Sybelstraße 12, die Firma hatte viele Jahre einen anderen Geschäftsführer. 1915 starb Metas Vater Salomon Jacobsohn.
Curt Ehrlich kehrte nach dem Krieg aus Nürnberg nach Berlin zurück. In den folgenden Jahren lebte das Ehepaar Ehrlich in der Wielandstraße 6 in Friedenau. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Curt Ehrlich wird im Berliner Adressbuch als Apotheker und Chemiker bezeichnet. 1924 starb Meta Jacobsohns Mutter Johanna in der Wohnung in der Wielandstraße 6.
Um 1930 verließ das Ehepaar Berlin. Im April 1931 gründete Curt Ehrlich die noch immer bestehende Eigelstein Apotheke in der Kölner Altstadt, das Ehepaar wohnte in der Domstraße 43. Dort liegt heute ein Stolperstein, der an Curt Ehrlich erinnert. Zum 31. Januar 1939 wurde den jüdischen Apothekern die Approbation entzogen. Curt Ehrlich findet sich bereits 1938 wieder im Berliner Adressbuch, er scheint seine Kölner Apotheke zuerst verpachtet und dann ganz verloren zu haben. Meta Ehrlich und ihr Ehemann Curt Ehrlich wohnten in den folgenden Jahren in der Sybelstraße 65 im Bezirk Charlottenburg.
Am 3. Februar 1943 wurde Meta Ehrlich gemeinsam mit ihrem Ehemann aus der allerletzten Wohnung in der Knesebeckstraße 70/71, einem sogenannten Judenhaus, nach Auschwitz deportiert. Über 950 Menschen gehörten zu diesem Transport, fünf Menschen haben überlebt. Das Ehepaar Dr. Curt und Meta Ehrlich wurde ermordet.
Quellen:
Adressbücher der Stadt Kattowitz
Arolsen Archives
Berliner Adressbücher
Berliner Telefonbücher
Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Gedenkbuch Bundesarchiv
Alfred Gottwaldt/Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich, Wiesbaden 2005
HU Datenbank jüdischer Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945
LABO Entschädigungsbehörde
Landesarchiv Berlin, WGA
Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen/über ancestry
https://www.mappingthelives.org/
https://www.geni.com/people/
https://www.juedische-gemeinden.de
https://www.statistik-des-holocaust.de/
https://www.freiburger-rundbrief.de
https://www.eigelstein-apotheke.de/
Vorrecherchen aus dem Nachlass von Wolfgang Knoll