HIER WOHNTE
MARGARETHE
BASCH
GEB. ENGEL
JG. 1884
DEPORTIERT 1942
ERMORDET IN RIGA
Margarethe Basch kam am 20. März 1884 in Bad Warmbrunn im Riesengebirge auf die Welt, heute heißt der Ort Cieplice Śląskie-Zdrój und ist ein Stadtteil von Jelenia Góra (Hirschberg) in Polen. Sie war die Tochter des jüdischen Kaufmanns Joseph Engel (1845–1915) und seiner Ehefrau Johanna geb. Werner (1847/48–1930). Ihr Vater besaß ein großes Textilwarengeschäft. Margarethe hatte sechs Geschwister, fünf Schwestern und einen Bruder: Gertrud (*1873), Otto (*1874), Rosalie/Rosa (*1876), Else (*1879), Henriette (*1882) und Paula (*1885).
Bad Warmbrunn war seit Langem ein bekanntes Kurbad, das viele prominente Gäste beherbergte. Im Zentrum des Ortes lag und liegt bis heute das Schloss der Reichsgrafen von Schaffgotsch. Nicht weit entfernt von Schloss und Schlosspark, in der Hermsdorfer Straße 2, befand sich das Haus der Familie Engel, mit Geschäft und Wohnung. Margarethe lebte als unverheiratete Tochter ohne Beruf bei den Eltern.
Am 6. Februar 1906 heiratete sie den 1873 geborenen jüdischen Tierarzt Dr. Georg Basch. Ihr Ehemann stammte aus Wollstein in der Provinz Posen (Wolsztyn/Polen), seine Eltern waren Kaufleute. Er hatte in Berlin studiert und sich nach dem Militärdienst in der Großen Frankfurter Straße 118 (heute Karl-Marx-Allee) als praktischer Tierarzt niedergelassen. Dort wohnte er auch, zuerst allein, dann mit Ehefrau und Kindern. Kleintiere behandelte er anfangs in der Wohnung, dann in einer Praxis in demselben Haus. Vor allem aber kümmerte er sich um die Kutschpferde der vielen Fuhrbetriebe der Umgebung. Margarethe und Georg Basch waren Mitglieder der reformierten jüdischen Gemeinde und politisch liberal. Sie hielten die jüdischen Feiertage, aßen aber nicht koscher und hatten christliche und jüdische Freunde. Am 7. August 1907 kam ihr Sohn Martin auf die Welt.
Im Ersten Weltkrieg meldete sich Georg Basch freiwillig als Tierarzt zum Militär. Margarethe Basch blieb vier Jahre allein. Während dieser Zeit verlor sie 1915 ihren Vater und 1917 ihren Sohn Martin: Er starb am 6. Januar des Jahres an einer Blutvergiftung in Bad Warmbrunn. Margarethe Baschs Geschwister wohnten zu diesem Zeitpunkt in Bad Warmbrunn, Breslau, Zittau und Berlin: Die unverheiratete Schwester Else und der Bruder Otto waren in Bad Warmbrunn bei den Eltern geblieben und blieben dort auch nach dem Tod des Vaters. Die anderen Schwestern hatten Kaufleute geheiratet: Henriette lebte mit Siegmund Schiftan in Breslau, Rosalie (Rosa) mit Hermann Seiler in Zittau, Gertrud mit Gustav Schlesinger in Berlin und Paula mit Willy (Wilhelm) Engel ebenfalls in Berlin.
Georg Basch kam zwar als Offizier und mit dem Eisernen Kreuz, aber als kranker Mann aus dem Krieg zurück. Er führte seine Praxis in der Großen Frankfurter Straße weiter. Am 22. März 1918 wurde die Tochter Ilse geboren, am 22. Juli 1920 der Sohn Josef Martin. Margarethe Basch beschäftigte eine „Kinderfrau“. Diese sollte während der NS-Diktatur der versteckt lebendenTochter Ilse helfen. Das Leben wurde durch die Wirtschaftskrise finanziell schwierig: Zwar konnte das bürgerliche Familienleben aufrechterhalten werden, aber der Ehemann von Margarethe musste nun auf dem Städtischen Schlachthof, der nicht allzu weit entfernt war, im Akkord Schlachttier- und Fleischuntersuchungen vornehmen und litt dort unter antisemitischen Kollegen.
Bad Warmbrunn blieb der Ferienort für die Familie Basch. Margarethe Basch half in der Praxis ihres Ehemannes, aber auch „überall“. Ihre Tochter Ilse erinnerte sich später an das Leben ihrer Mutter:
„Meine Mutter half in der tierärztlichen Praxis in Berlin, schrieb Gutachten und Rechnungen am Abend und hörte gerne zu, wenn mein Vater Klavier, Cello oder Flöte zur Entspannung spielte. Meine Mutter hatte für viele Menschen Zeit und Geduld, um ihnen ihre Probleme zu erleichtern. Die Schulfreundin mit Eheproblemen wurde gleich für einige Zeit bei uns eingeladen. Dem armen Schuster brachte sie im Winter die Kohlen. Die an Tuberkulose Erkrankten wurden von ihr in den Heilstätten besucht. Scherzhaft nannte man sie die Gemeindeschwester.“
Am 29. August 1930 starb Ehemann Georg Basch an den Folgen des Nierenleidens, das er sich im Krieg zugezogen hatte. Die Praxis musste verpachtet werden. Ende des Jahres 1930 starb auch Margarethes Mutter in Bad Warmbrunn.
Zu Beginn der NS-Diktatur zog Margarethe Basch in die Sybelstraße 18 im Bezirk Charlottenburg.
Sie arbeitete, trotz aller Arbeit ohne eigene Altersversorgung, im Geschäft ihres Schwagers Willy Engel mit, einem Großhandel für Kurzwaren im Berliner Konfektionsviertel um den Hausvogteiplatz.
Ihr Sohn Josef konnte entkommen, ging zuerst nach London und dann in die USA. Ihre Tochter Ilse blieb in Berlin. Sie verließ ihre alte Schule, wechselte auf eine jüdische Handelsschule und arbeitete danach bei einem jüdischen Rechtsanwalt. 1938 heiratete sie den Innenarchitekten Werner Rewald (1907–1992) und überlebte mit ihrem Ehemann in der Illegalität. Margarethe Basch lebte zuletzt mit ihrer Schwester Paula Engel und deren Ehemann Wilhelm Engel gemeinsam in der Wohnung in der Sybelstraße. Wilhelm Engel starb dort am 19. Mai 1941.
Am 13. Januar 1942 wurden Margarethe Basch und ihre Schwester Paula in das Ghetto von Riga deportiert. Es war einer der kältesten Winter dieser Jahre. Margarethe Basch überlebte die dreitägige Fahrt und lebte noch fast zwei Jahre als Zwangsarbeiterin für die Wehrmacht im Ghetto. Eine letztes Lebenszeichen erreichte ihre Tochter am 23. November 1943. 15 Menschen aus dem Transport vom 13. Januar 1942 überlebten. Margarethe Basch und ihre Schwester Paula kehrten nicht zurück, sie starben im Ghetto.
Die Schwester Else war 1942 in Theresienstadt gestorben. Ihre Tochter Ilse und ihr Schwiegersohn Werner Rewald, die in der Illegalität überlebt hatten, blieben weiterhin in ihrer Heimatstadt Berlin. Ilse Rewald starb im Dezember 2005. Sie berichtete als Zeitzeugin vom Elend der Verfolgung, aber auch vom „guten Leben“ in Berlin und Bad Warmbrunn.
Quellen:
Adressbücher Zittau
Arolsen Archives
Berliner Adressbücher
Berliner Telefonbücher
Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Gedenkbuch Bundesarchiv
Alfred Gottwaldt/Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich, Wiesbaden 2005
HU Datenbank jüdischer Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945
LABO Entschädigungsbehörde
Landesarchiv Berlin, WGA
Landesarchiv Berlin, Personenstandsunterlagen/über ancestry
Georg Möllers: Jüdische Tierärzte im Deutschen Reich in der Zeit von 1918 bis 1945, Hannover 2002 (Diss.)
Ilse Rewald: Berliner, die uns halfen, die Hitlerdiktatur zu überleben, Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Beiträge zu Widerstand 1933-1945 Heft 6, Berlin 2001 (Vortrag 1975)
dieselbe: Rede anlässlich der Verlegung von zwei Stolpersteinen vor dem Haus Sybelstraße 18 am 1. September 2005, Kopie im Nachlass von Wolfgang Knoll
Barbara Schieb: Zwischen legalem Tod und illegalem Leben. Ilse und Werner Rewald im Berliner Untergrund. Ein kommentierter biographischer Bericht, Berlin 2022
https://www.mappingthelives.org/
https://www.geni.com/people/
https://www.juedische-gemeinden.de
https://www.statistik-des-holocaust.de/
Vorrecherchen aus dem Nachlass von Wolfgang Knoll