Diese Stolpersteine wurden am 22.10.2004 verlegt.
Stolpersteine Pariser Straße 37
Bild: United States Holocaust Memorial Museum
Die Manasses gehörten zu dem französischen Kontingent. Ihr Umzugsgut allerdings verloren sie, es wurde nach Hamburg zurückgebracht. Ziemlich genau zwei Jahre später, am 13. Juni 1941, wurden Herbert, Emmy und Wolfgang Manasse auf Vorschlag der Gestapo ausgebürgert und so die „legalen“ Voraussetzungen geschaffen, um ihr Hab und Gut zu beschlagnahmen und zu versteigern. Da auch Ida – bereits einen Monat früher – ausgebürgert worden war, konnte das Reich ebenfalls den Erlös für das Eggersdorfer Grundstück, das Ida nach Georgs Tod 1930 geerbt hatte, an sich reißen. Es war von einem noch von Ida Bevollmächtigten im Mai 1941 verkauft worden. Auch der noch ausstehende Erlös für ihre Wertsachen, die sie nach der Verordnung vom 21. Februar 1939 zwangsweise hatte in der Staatlichen Pfandleihanstalt abgeben müssen und den sie teilweise Emmys Mutter Franziska Salomon zugedacht hatte, dürfte in den Kassen der Oberfinanzdirektion gelandet sein.
Nach der Rückkehr der MS St. Louis 1939 hielt sich Familie Manasse zunächst in Paris oder in der Umgebung auf und meinte, wenigstens ihr Leben gerettet zu haben. Doch die Sicherheit währte nicht lange: Frankreich trat in den Krieg gegen Deutschland ein, musste im Juni 1940 einen Waffenstillstand unterzeichnen und zulassen, dass die Hälfte des Landes von deutschen Truppen besetzt wurde. Manasses flohen wieder, jetzt in die südliche unbesetzte Zone, nach Limoges. Die „freie Zone“ allerdings unterstand dem Vichy-Regime, das nicht gerade judenfreundlich gesinnt war. Ab 1941 verhängte Marschall Pétain eine Residenzpflicht für Juden, Manasses wurden nun in das Örtchen Saint-Martin-de-Vésubie, etwa 60 km nördlich von Nizza, gewiesen. Zu den dortigen etwa 1300 Einwohnern kamen fast genauso viele Juden aus ganz Europa hinzu, sie fanden in St. Martin erstmal eine Bleibe.
Der nächste Schlag kam im November 1942, als die italienischen Truppen, Mussolinis Faschisten, den Teil Südfrankreichs um Monaco und Nizza besetzten. Doch diesmal gab es eine Verschnaufpause: die Italiener verzichteten auf Verfolgung und boten den Flüchtlingen einen gewissen Schutz. Der währte nicht lange, denn nach dem Separatwaffenstillstand Italiens am 8. September 1943 zogen sich die Italiener zurück, und das Gebiet gehörte wieder zur „Südzone“ Frankreichs, die nun aber seit Ende 1942 ebenfalls von den Deutschen besetzt worden war. Das Schlimmste – zu Recht – befürchtend, machte sich der Großteil der Juden in St.-Martin abermals auf die Flucht, diesmal über zwei Alpenpässe von über 2400 m nach Italien, wo sie wieder Sicherheit erhofften. Regen, Kälte und unzureichende Ernährung machten diesen Exodus über die Berge äußerst anstrengend, er soll vor allem für Kinder und ältere Menschen besonders beschwerlich gewesen sein. Ida Manasse war fast 73 Jahre alt, ihr Enkel Wolfgang 14.
Aus der Sicherheit in Italien wurde nichts. Am 12. September 1943 waren deutsche Truppen auch in Norditalien einmarschiert, hatten Mussolini „befreit“ und einen italienischen Marionettenstaat eingerichtet. Von den aus St. Martin Geflüchteten griff die SS rund 350 auf und internierte sie in einem leerstehenden Polizeihaftlager im grenznahen Borgo San Dalmazzo.
Ida, Herbert, Emmy und Wofgang Manasse waren unter ihnen. Das grausame Ende ihres langen Fluchtweges war nun besiegelt. Am 21. November 1943 wurden sie mit den anderen Festgenommenen über Savona und Nizza nach Drancy verschleppt, wo sie am 26. November ankamen. Wenige Tage darauf, am 7. Dezember 1943, wurden sie weiter nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.
Emmy Manasses Mutter Franziska Salomon geb. Schlesinger, die mittlerweile zu ihrer älteren Tochter Käte in die Nassauische Straße 5 gezogen war, war am 17. August 1942 nach Theresienstadt deportiert worden und kam dort am 23. Januar 1943 um. Ihre Tochter Käte nahm sich – drei Tage nach dem Freitod ihres Mannes Julius Schoenfeld – am 26. Oktober 1942 ebenfalls das Leben. Emmys Bruder Ernst Salomon konnte in die USA flüchten.
Biografische und historische Recherchen und Text: Dr. Micaela Haas.
Quellen: Gedenkbuch. Bundesarchiv Koblenz, 2006; Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995; Berliner Adressbücher; Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Akten der Oberfinanzdirektion; Landesarchiv Berlin; Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer; United States Holocaust Memorial Museum www.ushmm.org (zur MS St. Louis)
Adresse
Stolpersteine
Verkehrsanbindungen
-
Bus
Stolpersteine-Initiative Charlottenburg-Wilmersdorf
Wegen der Wartezeit von 3 bis 4 Jahren können keine neuen Anträge für Stolpersteine angenommen werden. Bereits registrierte Anträge werden bearbeitet.
Because of a waitingtime of 3 to 4 years new requests for Stolpersteine cannot be accepted. Requests already registered will be processed.