HIER WOHNTE
ROSA MANNHEIM
JG. 1864
DEPORTIERT 17.03.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET
13.07.1943
Rosa Mannheim kam am 23. März 1864 in Schivelbein, einer Kleinstadt in Pommern (heute: Świdwin in Polen), als Tochter des jüdischen Kaufmanns Lewin Mannheim (1822–1895) und seiner Ehefrau Rosalie, geb. Jacobus, auf die Welt. In Schivelbein verbrachte sie den allergrößten Teil ihres Lebens, diese Stadt war ihre Heimat.
Die Eltern stammten aus großen und geachteten Kaufmannsfamilien, die im Zentrum der Stadt Wohn- und Geschäftshäuser besaßen und mit Getreide, Leder, Wolle, Textilien, Kolonialwaren und Spirituosen handelten. Man heiratete untereinander. Die Männer der Familien waren im Vorstand der jüdischen Gemeinde.
Lewin Mannheim war Inhaber eines Geschäftes für Tuche und Modewaren im Haus Markt 19, in dem die Familie auch lebte. Rosa Mannheim war eins von fünf (oder sechs) Geschwistern, von Johanna (*1861), Moses (*1863), Rosa (*1864), Hugo (*1871), Edwin (*1878) und vielleicht von Philippine (*1877). Sie war siebzehn Jahre alt, als 1881 in Schivelbein ein Pogrom stattfand. Die Geschäfte des Vaters und der Familie der Mutter wurden verwüstet und geplündert. In der Berliner Vossischen Zeitung vom 7.8.1881 hieß es in einem Brief:
bq. Auf dem Markte sieht es schrecklich aus. Bei H.E. Jacobus hat der Pöbel am meisten gewüthet, es wurden alle Schnapsfässer auf den Markt geworfen […] Bei Mannheim sind viele Tuche gestohlen, ebenso andere Waaren. Es fehlen dem Manne noch ca. 200 Mk. […] Wir haben hier zwei Sorten von Pöbel, feinen und gemeinen; der feine Pöbel ist der schlimmste.
Die Mehrzahl der Bürger war empört und schützte mit Hilfe des Kriegervereins die jüdischen Familien.
Rosa Mannheim blieb ohne Beruf und ledig. Es kann sein, dass sie im Geschäft und im Haushalt des Vaters und dann des Bruders Moses mitarbeitete. (In der Todesfallanzeige von Theresienstadt steht unter Beruf „Haushalt“.) 1895 starb der Vater. Ihre Brüder Edwin und Hugo gingen nach Berlin. Ihre Schwester Johanna heiratete den Kaufmann Sally Loepert und lebte weiter in Schivelbein.
Während der NS-Diktatur verloren die Verwandten ihre Geschäfte und Häuser, und eine Reihe von ihnen floh nach Berlin. Rosa Mannheim wohnte 1935 gemeinsam mit ihrem Bruder Moses noch immer im Haus am Markt 19. Auch während der Volkszählung 1939 lebte sie in Schivelbein, aber nun – wie ihr Bruder – im Haus der verwitweten Schwester Johanna Loepert.
Danach zogen die Geschwister nach Berlin. Rosa Mannheim wohnte bei ihrem Bruder Erwin Mannheim und seiner Ehefrau Betty in der Livländischen Straße 28 in einem möblierten Zimmer für 150 Mark Miete und Pension. Außerdem lebte ihr Neffe Ludwig Loepert, Sohn der Schwester Johanna, eine Zeit lang illegal in der Wohnung. Johanna Loepert lebte in Berlin gemeinsam mit Philippine Mannheim in Berlin-Halensee.
Rosa Mannheim war noch immer wohlhabend, ihr Vermögen wurde zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. Außerdem scheint sie einen Heimeinkaufsvertrag für Theresienstadt abgeschlossen zu haben. Im Herbst 1941 gaben Rosa Mannheim und Bruder und Schwägerin verschiedenen Bekannten Geld zur Aufbewahrung, „zu treuen Händen“. Edwin und Betty Mannheim verkauften zudem einen Teil der Wohnungseinrichtung. Der Rest der Möbel und des Hausrats wurde bei der Spedition A. Schäfer gelagert, deren Mitinhaber einst Edgar Brilles aus der Familie von Betty Mannheim gewesen war, und nach der Deportation von Rosa Mannheim versteigert.
Edwin und Betty Mannheim wurden am 3. März 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Rosa Mannheim wurde am 17. März 1943 mit dem letzten „Großtransport“ in das Ghettolager Theresienstadt deportiert und traf dort ihren Neffen Ludwig Jacobi und ihre Nichte Käthe Segall, geb. Loepert. Beide wurden in Auschwitz ermordet.
Rosa Mannheim kam am 13. Juli 1943 in Theresienstadt um.
Ihr Bruder Moses war am 21. Juli 1941 in Berlin gestorben.
Die Schwester Johanna starb in Theresienstadt, genauso Philippine Mannheim. Bruder Hugo, der mit einer nach den Rassegesetzen der Nationalsozialisten „arischen“ Frau verheiratet war, überlebte die Diktatur. Auch der Neffe Ludwig Loepert überlebte. Ihre Verwandte Gisela Mießner, geb. Mannheim (1925–2008), mit den Eltern ebenfalls aus Schivelbein nach Berlin geflohen, wurde nach 1945 eine bekannte sozialdemokratische Kommunalpolitikerin. Sie war die Patin für diesen Stolperstein.
Biografische Zusammenstellung
Dr. Dietlinde Peters, Vorrecherchen: Wolfgang Knoll
Weitere Quellen
Adressbuch Schivelbein;
Landesarchiv Berlin – Personenstandsunterlagen/über ancestry
Gerhard Salinger: Die einstigen jüdischen Gemeinden Pommerns. Zur Erinnerung und zum Gedenken, New York 2006, Teilband 3, Teil III, S. 702 – 718
https://www.geni.com/people/;
Vossische Zeitung vom 9.8.1881;
Todesfallanzeige Theresienstadt.
Von der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin