HIER WOHNTE
WALTER
LOEB-ULLMANN
JG. 1894
ERMORDET 22.02.1943
AUSCHWITZ
Jonas Walter Loeb-Ullmann wurde am 3. November 1894 in Mannheim geboren. Als drittes Kind von Ludwig Loeb und Sally Loeb, geb. Ullmann, stammte er aus einer großbürgerlichen deutsch-jüdischen Familie mit familiären Wurzeln in den Vereinigten Staaten. Seine Mutter war 1865 in St. Paul in den USA geboren worden.
Zu den ersten prägenden Erlebnissen im Leben von Walter Loeb-Ullmann gehörte die Teilnahme am Ersten Weltkrieg. Wie viele seiner Altersgenossen zog Loeb-Ullmann in jungen Jahren in den Krieg gegen Frankreich. Durch den Einsatz von Giftgas wurde er im Schützengraben schwer verletzt und geriet 1916 in französische Gefangenschaft. In seinem Militärpass ist festgehalten, dass er im Juni 1918 in der Schweiz interniert und schließlich 1919 aus der Kriegsgefangenschaft nach Neckarsteinach entlassen wurde.
Die schweren Kriegsverletzungen beeinflussten Loeb-Ullmanns weiteres Leben. Zeitlebens hatte er unter starken Atem- und Lungenbeschwerden zu leiden. Aufgrund seiner Kriegsversehrtheit änderte er seinen beruflichen Werdegang. Sein Studium der Architektur setzte er nach Kriegsende nicht mehr fort. Stattdessen absolvierte er eine Ausbildung zum Bankkaufmann und arbeitete als Angestellter im Bankgewerbe.
Am 3.6.1922 heiratete Walter Loeb-Ullmann, der sich als religiös-freigeistig verstand, im katholischen Stadtpfarramt Heilig Geist in München seine Frau Cäcilie (geboren 1894), geb. Quasebart, Tochter einer wohlhabenden katholischen Tuchhändlerfamilie aus Aachen. München war auch der Geburtsort der beiden gemeinsamen Kinder: Nikolaus (geboren 1922) und Margit (geboren 1923).
Im Juli 1926 zog Walter Loeb-Ullmann mit Ehefrau und Kindern von München nach Berlin-Charlottenburg in eine Vier-Zimmer-Wohnung in der 3. Etage in der Bayernallee 19 in Neu-Westend. Das neu gebaute repräsentative Mietshaus an der Ecke zur Preußenallee war im Besitz der Alfred Schrobsdorff Kommandit-Gesellschaft, die verschiedene Wohnhäuser in Neu-Westend verwaltete.
Walter Loeb-Ullmann pflegte engen Kontakt zu seinen Schwestern Ellen (geboren 1890) und Mary (geboren 1893). Die Schwester Ellen Gerstner lebte mit ihrer Familie bereits seit längerer Zeit in einer Wohnung in der Reichsstraße. Somit war die Freude groß, als im Jahr 1927 auch die zweite Schwester Mary mit ihrem Ehemann Theodor Weil (geboren 1894) und der kleinen Tochter Erika (geboren 1927) eine Wohnung in der Bayernallee 19 A bezog.
Sally Loeb-Ullmann, die 1939 in die USA flüchtete und 1944 dort starb, versuchte vergeblich ihren Sohn Walter zu überzeugen, das judenfeindliche nationalsozialistische Deutschland zu verlassen. Den Warnungen und Sorgen seiner Mutter zum Trotz, blieb Walter Loeb-Ullmann in seinem Heimatland. Walter beruhigte die Familie mit den Worten „Uns wird schon nichts passieren“, wie Tochter Margit sich noch kurz vor ihrem Tod erinnerte.
Doch Walter Loeb-Ullmann konnte ebenso wie die Familie Weil der nationalsozialistischen Verfolgung nicht entkommen. Am 9.1.1943 wurde er von der Gestapo verhaftet und anschließend in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Der Verlauf der Deportation ist nicht eindeutig geklärt. So ist in Dokumenten als eine letzte Anschrift auch die Uhlandstraße 131 verzeichnet. Eventuell handelt es sich hier um eine Sammelunterkunft für die von den Nationalsozialisten verhafteten Juden. Auf der Sterbeurkunde von Walter Loeb-Ullmann ist als Todesdatum der 22. Februar 1943 vermerkt.
Auch Walter Loeb-Ullmanns Schwester Mary mit Ehemann Theodor und Tochter Erika Weil wurden von den Nationalsozialisten wegen ihrer jüdischen Herkunft verhaftet. Sie wurden am 19. Februar 1943 nach Auschwitz deportiert und sind dort vermutlich unmittelbar nach der Ankunft ermordet worden.
Cäcilie Loeb-Ullmann blieb nach der Deportation ihres Ehemanns mit ihrem Sohn Nikolaus in der gemeinsamen Wohnung in der Bayernallee zurück. Sie lebte dort bis zu ihrem Tod im Jahr 1980. Mit Schrecken mussten Cäcilie und Nikolaus Loeb-Ullmann die Plünderung und Annektierung der Wohnung der Familie Weil durch die Nazis miterleben.
Nikolaus wurde im September 1944 nach einer Denunziation aufgrund eines verweigerten „Deutschen Grußes“ ebenfalls von der Gestapo verhaftet. Er wurde in ein Zwangsarbeitslager der Organisation Todt in Coswig bei Dresden verschleppt, das für so genannte „nichtarische Mischlinge 1. Grades“ eingerichtet worden war. Nach 1945 zog Nikolaus Loeb-Ullmann zurück in die Bayernallee zu seiner Mutter und lebte dort bis zur Hochzeit mit Edith Hoyer aus Königswinter am Rhein im Jahr 1965. Dr. Nikolaus Loeb-Ullmann arbeitete später als Chemiker und starb 2011 in Berlin.
Tochter Margit war zur Zeit der Verhaftung ihres Vaters durch die Gestapo nicht in Berlin. Ihre Eltern hatten sie zu Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 im evangelischen Elisabeth-von-Thadden-Mädcheninternat in Wieblingen bei Heidelberg untergebracht. Von 1969 bis zu ihrem Tod 2011 lebte auch Margit Loeb-Ullmann wieder in Neu-Westend. Sie arbeitete als Goldschmiedemeisterin in ihrem Atelier in der Reichsstraße. Engagiert in der christlich-jüdischen Gesellschaft betreute sie unter anderem den Raum der Stille am Brandenburger Tor.
Quellen: Persönliche Gespräche mit Margit Loeb-Ullmann im April 2009 und Edith Loeb-Ullmann im Januar 2013; Private Aufzeichnungen und Dokumente der Familie Loeb-Ullmann; Verein zur Förderung des Gedenkbuches für die Charlottenburger Juden e.V. (Hrsg.): Juden in Charlottenburg. Ein Gedenkbuch, Berlin 2009; Bundesarchiv
Text: Rainer Lampe