HIER WOHNTE
CHARLOTTE
HEIMANN
JG. 1898
DEPORTIERT 1942
RIGA
ERMORDET 29.10.1942
Charlotte Heimann ist am 15. November 1998 in Berlin geboren und war die sechs Jahre jüngere Schwester des Amtsrichters Dr. Werner Heimann. Die Geschwister wuchsen sie in einer bürgerlichen Familie auf. Die Eltern waren Clara, geb. Milchner, und der Arzt Dr. Leo Heimann. Werner und Charlotte wohnten später zusammen in der Bamberger Straße 48, damals Schöneberg, jetzt Charlottenburg, vorher in der Nummer 18.
Charlotte soll nach Aussage von Verwandten dunkelhaarig und gut aussehend gewesen sein; ein Foto von ihr existiert nicht. Sie war Buchhalterin von Beruf. Informationen über sie gibt es erst wieder 1939. In diesem Jahr bezog sie, die unverheiratet war, zusammen mit ihrem ebenfalls ledigen Bruder im Haus Bamberger Straße 48 in Berlin-Schöneberg eine Eineinhalb-Zimmer-Wohnung im Hinterhaus (Gartenhaus), Parterre, aber mit WC und Warmwasser-Anschluss. Ob sie schon vorher die größere Vorderhaus-Wohnung im gleichen Haus mit ihrem Bruder geteilt hatte, ist nicht genau bekannt. Diese Wohnung musste 1939 aus finanziellen Gründen aufgegeben werden.
Die Möglichkeit, in die USA zu emigrieren, hatten die Geschwister nicht wahrgenommen. Charlotte verzichtete auf die Beantragung einer Ausreisegenehmigung aus Rücksicht auf ihren Bruder, der sich, trotz seiner Entlassung aus dem Staatsdienst und aller anderen antijüdischen Gesetze und Verordnungen, Schlimmeres nicht vorstellen konnte. Im Haus Bamberger Straße 48 befand sich eine Bäckerei. Ihre Besitzerin versorgte nach Erzählung der Verwandten die beiden Geschwister mit Kuchen auf Lebensmittelmarken, als dies durch eine antijüdische Verordnung vom 14. Februar 1942 verboten wurde.
Sie sind zusammen in einem Zug vom Güterbahnhof Moabit 26. Oktober 1942 nach Riga-Skirotava deportiert worden. Die Zugfahrt dauerte vier Tage. In Lettland wurden sie wie fast alle der 798 Insassen gleich nach der Ankunft umgebracht. Das noch vorhandene Vermögen von Charlotte Heimann, das vermutlich aus dem Erbe ihrer Eltern stammte, wurde nach ihrer Deportation ebenso wie das ihres Bruders vom Deutschen Reich eingezogen, nachdem der Hausbesitzer und eine Teppichreinigungsfirma noch ihre Forderungen geltend gemacht hatten.
Angela Schmidt-Bernhardt hat über das Schicksal ihrer nach Riga verschleppten Verwandten eine Novelle geschrieben.
Biografische Zusammenstellung: Dr. Anne Meckel, Hannelore Emmerich, Helmut Lölhöffel
Literatur: Angela Schmidt-Bernhardt: Oktoberzug nach Riga. Geschichte einer Ermordung. Frankfurt am Main 2014.