Stolpersteine Badensche Straße 42

Hauseingang - Badensche Straße 42

Diese Stolpersteine wurden am 7. September 2024 verlegt.

Eduard Semmel - Badensche Straße 42

HIER WOHNTE
EDUARD SEMMEL
JG. 1864
DEPORTIERT 2.2.1943
THERESIENSTADT
ERMORDET MÄRZ 1943

Eduard Semmel wurde am 13. April 1864 in Jarotschin, etwa 70 km südöstlich von Posen in Polen geboren. Seine Eltern waren Wolff Casriel und Hanne Semmel, geb. Marezak, die durch die Flucht Ende 1936 ihr Leben retten konnten. Eduard hatte den sehr viel jüngeren Bruder Isbert Isaak Semmel, der im Jahr 1878 geboren wurde und später die Zions-Apotheke in Berlin führte. Und es soll einen weiteren Bruder namens Moses Semmel, geboren 1869, gegeben haben, der im Alter von 30 Jahren 1899 in die USA ausgewandert ist und seinen Nachnamen zu Samuel änderte.

Eduard besuchte das bekannte Lehrerseminar in Rawicz. Das liegt etwa auf der Hälfte der Strecke von Posen nach Breslau. Sehr viel mehr ist über Eduards Jugend nicht bekannt.
Er heiratete am 20. November 1890 seine Frau Klara Riesefeld. Die gemeinsame Tochter Thea wurde am 4. Dezember 1892 in Laurahütte bei Kattowitz geboren.

Wann genau Eduard mit seiner Familie nach Berlin umzog, ist nicht bekannt. In den Berliner Adressbüchern findet sich der Eintrag Eduard Semmel, Hauptlehrer, von 1923 bis 1928 in der Großen Frankfurter Straße 35 (jetzige Karl Marx Allee), dann ab 1929 in der Holzmarktstraße 64 in Berlin-Mitte. Hier ist bereits der Zusatz a.D. erwähnt, also war Eduard Semmel zu diesem Zeitpunkt wohl bereits pensioniert. Ab 1935 wohnte Eduard mit seiner Frau Klara in der Badenschen Straße 42, Ecke Prinzregentenstraße, in Wilmersdorf. Dies war seine letzte frei gewählte Adresse.

Im Jahr 1936 ist im Berliner Adressbuch unter dieser Adresse auch ein Eintrag zu Eduards Bruder Isbert Isaak Semmel verzeichnet – mit dem Zusatz „Apothekenbedarf“. Über den Grund für diesen Eintrag kann nur spekuliert werden. Möglicherweise wollte Isbert Semmel Waren aus seiner Apotheke dorthin retten, bevor sie 1936 “arisiert” wurde.

Zions-Apotheke u. Drogerie Isbert Semmel
• Zions-Apotheke Horst Eggert (04.09.1939)
• Zions-Apotheke Fritz Schimmelbusch (19.08.1936)
Eingetragen im Handelsregister/ Gründung 1902
Besitzübernahme 1936
Anklamer Str. 39, Berlin

Tatsächlich wohnte Isbert Semmel mit seiner Familie am Helgoländer Ufer und konnte Ende 1936 mit seiner Frau nach England flüchten. Die drei Kinder wurden schon 1933 nach England bzw. Palästina in Sicherheit gebracht (Stolpersteine Helgoländer Ufer 5 in Moabit).

Ab 1938 erscheint der Eintrag Eduard Semmel unter der Adresse Martin-Luther-Straße 55, (jetzt Martin-Luther-Straße 117), Ecke Heylstraße, in Schöneberg. Dieses Haus ist eindeutig als sogenanntes „Judenhaus” identifiziert, was wir jetzt als Zwangshaus bezeichnen.
Dort in der Wohnung verstarb Eduards Frau Klara Semmel laut Sterbeurkunde im Alter von 83 Jahren am 3. Juni 1938.

Unter der gleichen Adresse wohnte auch Alfred Neustadt. Er hatte die Tochter Thea von Eduard und Klara am 22. Februar 1941 geheiratet. Dies geht aus seiner Sterbeurkunde hervor. Alfred Neustadt starb am 12. März 1942 im Alter von 61 Jahren im Jüdischen Krankenhaus. Als Ursache wurde Lungenentzündung und Herzschwäche angegeben.
Thea Neustadt, geb. Semmel, wurde am 12. Januar 1943 aus der Westarpstraße 2 nach Auschwitz deportiert.

Eduard Semmel wurde 3 Wochen später, am 2. Februar 1943, nach Theresienstadt deportiert, wo er nach wenigen Wochen am 24. März 1943 an den unhaltbaren Bedingungen im Lager verstarb, also ermordet wurde. In seiner „Vermögenserklärung“, die er am 27. Januar 1943 hatte ausfüllen müssen, antwortete er auf die Frage „Welche Familienangehörige sind schon ausgewandert, und wohin“: mit: Eine Tochter abgewandert, Eine Tochter ausgewandert nach USA”. Eduard Semmel wurde 79 Jahre alt.

Recherche und Text: Renate Kratschmer, Stolperstein-Initiative Friedenau
Quellen:
- Gedenkbuch Bundesarchiv
- Berliner Adressbücher
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, BLHA
- Jüdische Gewerbebetriebe in Berlin 1930-1945, HU
- Deportationslisten
- Yad Vashem
- ancestry.de
- mappingthelives.de
- Bryan Isbert Levy: Isbert Isaak Semmel, Geschichte der Zions Apotheke und Familiengeschichte von Berlin nach England und Palästina ISBN 978-3-86628-470-8

Klara Semmel - Badensche Straße 42

HIER WOHNTE
KLARA SEMMEL
GEB. RIESEFELD
JG. 1855
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
TOT 3. JUNI 1938

Über Klara Semmel, geb. Riesefeld, gibt es nur wenige Informationen. Das einzige nachweisbare Dokument der Existenz von Klara Semmel ist ihre Sterbeurkunde, ausgestellt am 3. Juni 1938. Darin meldete die Krankenschwester Nora Elisabeth Poswiansky, ausgewiesen durch ihr Arbeitsbuch, den Tod von Klara Semmel, geb. Riesefeld, geboren in Przelaika, Kreis Kattowitz, verheiratet mit dem Hauptlehrer außer Dienst Eduard Semmel. Klara Semmel verstarb im Alter von 83 Jahren in der Wohnung Martin-Luther-Straße 55 am 3. Juni 1938 vormittags um 10 Uhr.

Bei Ancestry ist zu finden, dass sie am 20. November 1890 den Hauptlehrer Eduard Semmel geheiratet hat und dass die gemeinsame Tochter Thea am 4. Dezember 1892 in Laurahütte bei Kattowitz geboren wurde. Thea heiratete am 15. Juni 1920 ihren ersten Ehemann Emil Grünebaum aus Bielefeld. Sie bekamen am 17. September 1921 die Tochter Miriam Therese, die auch in Bielefeld geboren wurde. Miriam konnte in die USA flüchten. Sie verstarb dort am 26. Februar 2003 unter dem Namen Miriam Therese Lang, geb. Gruenebaum.

Wann genau der Umzug von Eduard und Klara Semmel nach Berlin stattfand, ist nicht bekannt, aber der Name Eduard Semmel als Haushaltsvorstand ist nachweisbar in den alten Berliner Adressbüchern ab 1923. Die erste Familienadresse war in der Großen Frankfurter Straße 35, jetzige Karl-Marx-Allee, und ab 1929 in der Holzmarktstraße 64 in Berlin Mitte. Ab 1935 lebte die Familie in der Badenschen Straße 42, Ecke Prinzregentenstraße in Berlin Wilmersdorf. Dies war die letzte freiwillig gewählte Adresse.
Laut Berliner Adressbuch wohnten sie ab 1938 in der Martin-Luther-Straße 55 (jetzige Nr. 117) Ecke Heylstraße in Schöneberg. Dieses Haus ist eindeutig als ein sogenanntes „Judenhaus” identifiziert, was wir jetzt als Zwangshaus bezeichnen.

Mit in diesem Haus lebten weitere jüdische Menschen, von denen viele später durch das NS Regime ermordet wurden. Auch die Krankenschwester Nora Elisabeth Poswiansky, die Klara Semmels Tod gemeldet hatte, lebte dort. Sie wurde am 13. Januar 1942 im Alter von 37 Jahren nach Riga deportiert und ermordet.

Dazu gehörte auch Alfred Neustadt, geboren am 8. September 1880 in Hamburg. Aus dessen Sterbeurkunde vom 14. März 1942 ist zu entnehmen, dass er am 12. März 1942 im Jüdischen Krankenhaus angeblich an Lungenentzündung und Herzschwäche verstorben sei. Und es wird erwähnt, dass Alfred mit Thea Neustadt, geb. Semmel, verheiratet war. Die Eheschließung war am 22. Februar 1941 in Berlin-Schöneberg erfolgt.

Klara Semmels Tochter Thea Neustadt, verwitwete Grünebaum, musste nochmal zwangsweise umziehen. Ihr Name erscheint auf der Deportationsliste nach Auschwitz vom 12. Januar 1943 mit der Adressangabe Westarpstraße 2, nahe dem Bayerischen Platz. Sie wurde dort vermutlich sofort im Alter von 50 Jahren ermordet.

Klaras Witwer Eduard Semmel wurde am 2. Februar 1943 nach Theresienstadt deportiert, wo er am 24. März im Alter von 79 Jahren ermordet wurde.

Recherche und Text: Renate Kratschmer, Stolperstein-Initiative Friedenau
Quellen:
- ancestry.de