Stolptersteine Prinzregentenstraße 2

Prinzregentenstraße 2

Die Stolpersteine für Familie Tenenbaum sowie Helene Marcus, Rose Herz und Martha Schlesinger wurden am 13. März 2024 verlegt.

Tenenbau, Isidor

HIER WOHNTE
ISIDOR
TENENBAUM
JG. 1872
DEPORTIERT 13.1.1942
GHETTO RIGA
ERMORDET

Isidor Israel Tenenbaum wurde am 1. August 1872 als Sohn des Buchhalters Herschel Leib Tenenbaum und seiner Ehefrau Mirl Tenenbaum, geb. Saphir, in Brody/Galizien geboren. Er wurde nach dem Großvater väterlicherseits Israel genannt und unterschrieb auch viele Jahre mit diesem Namen.

Als Diplomingenieur erhielt er im Februar 1907 vom Kaiserlichen Patentamt in Berlin die Zulassung zum Patentanwalt. Seine Kanzlei befand sich in der Neuenburger Straße 17. Am 26. April 1907 heiratete er die 29-jährige Kaufmannstochter Hedwig Marcus. Trauzeugen waren der damals 60-jährige Vater des Bräutigams sowie der 64-jährige Vater der Braut.

Das junge Paar Tenenbaum zog nach Schöneberg – zunächst in die Cranachstraße 15, wo am 2. März 1908 ihr Sohn Franz Josef geboren wurde. Die Hoffnung auf ein weiteres Kind erfüllte sich nicht. Am 12. April 1911 gebar Hedwig in ihrer Wohnung in der Rosenheimer Straße 33 einen toten Sohn.

Beruflich erfolgreich brachte es Isidor Tenenbaum in den folgenden Jahren zu einigem Wohlstand. Am 1. Januar 1927 bezog der damals 55-Jährige mit seiner Ehefrau und dem 19-jährigen Sohn Franz die Beletage in der Prinzregentenstraße 2, eine 7-Zimmerwohnung im 1. Stock links. Nach dem Tod der Schwiegereltern und wegen der zunehmenden Repressalien gegen jüdische Geschäftsleute zog Isidor Tenenbaums Schwägerin Helene Marcus im Oktober 1933 ebenfalls in die Prinzregentenstraße 2.

Die vor der Deportation gezwungenermaßen angefertigte „Vermögensaufstellung“ lässt das Bild einer technisch und musisch interessierten Familie entstehen, und man kann sich vorstellen, dass in der repräsentativen Wohnung mit elegantem Mobiliar, Orientteppichen und Gemälden geselliges Leben und kultureller Austausch stattgefunden hat, bevor der Naziterror begann.

Dem Sohn Franz wurde 1935 die Staatsbürgerschaft entzogen. Wann genau er nach Italien floh, wissen wir nicht. Am 13. März 1937 musste Isidor Tenenbaum wegen „vielleicht fällig werdender Reichsfluchtsteuer“ Wertpapiere in Höhe von 25.300 Reichsmark als „Sicherheit“ verpfänden. Auch Wertpapiere aus dem Depot seiner Frau Hedwig wurden aus demselben Grund verpfändet. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich der Sohn in Mailand auf. Ob die Eltern Kontakt zu ihm haben konnten, wissen wir nicht.

Gemäß § 1 der „Sechsten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ wurde Isidor Tenenbaum mit Wirkung zum 30. November 1938 zusammen mit 44 anderen jüdischen Kollegen von der Liste der Patentanwälte gelöscht. Damit war dem 61-jährigen Anwalt die Möglichkeit genommen, seinen Beruf auszuüben.

Am 13. Januar 1942 wurde Isidor Israel Tenenbaum mit dem sog. „VIII. Osttransport” (Transport 8 Zug DA44) zusammen mit seiner Frau Hedwig, seinen Schwägerinnen Helene Marcus und Rose Herz, der ebenfalls im Haus lebenden Martha Schlesinger und über 1000 weiteren jüdischen Berlinerinnen und Berlinern nach Riga deportiert und dort ermordet.

Seine Wohnung wurde von den Behörden beschlagnahmt, die wertvolle Einrichtung verkauft, seine Lebensversicherung sowie Wertpapiere an die Oberfinanzkasse überwiesen. Neuer Mieter war ein Ministerialdirigent und NSDAP-Mitglied.
Noch Monate nach dem Tod der Familie Tenenbaum/Marcus wurde darüber gestritten, wer für die Renovierung der „Judenwohnung“ aufkommen müsse.

Recherche und Text: Monika Müller-Paul
Quellen:
- Ancestry Ahnensuche
- ITS Arolsen
- Auswärtiges Amt
- Berliner Adressbücher
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv in Potsdam
- Bundes-Patentamt/Berlin
- Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenz, 2006
- Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995
- Jüdisches Adressbuch Berlin
- Patentblatt 62. Jg. Berlin 22.12.1938 Nr. 51
- Reiner Zilkenat in: VVN-BdA, Geschichtskonferenz 28./29. Juni 2013
- Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Opfer des Holocaust

Tenenbaum, Hedwig

HIER WOHNTE
HEDWIG
TENENBAUM
GEB. MARCUS
JG. 1878
DEPORTIERT 13.1.1942
GHETTO RIGA
ERMORDET

Hedwig Tenenbaum wurde am 2. August 1878 als zweites Kind des Kaufmanns Wilhelm Marcus und seiner Ehefrau Thekla, geb. Warschauer, in Frankfurt/Oder geboren. Ihre ältere Schwester Helene (*4. Dezember 1876) war Schneiderin und Putzmacherin, die jüngste Schwester Rosalie (*11. März 1880) Buchhalterin und Fremdsprachenstenotypistin. Ob Hedwig eine Berufsausbildung erhielt, wissen wir nicht.

Wann die Familie nach Berlin umzog, ist uns nicht bekannt. Vor ihrer Eheschließung wohnte Hedwig mit ihren Eltern und Schwestern im Bezirk Mitte in der Schützenstraße 40-42. Am 26. April 1907 heiratete die 29-jährige Hedwig den Dipl. Ing. und Patentanwalt Isidor Tenenbaum (*1. August 1872). Trauzeugen waren der damals 60-jährige Vater des Bräutigams sowie der 64-jährige Vater der Braut.
Das junge Paar zog nach Schöneberg – zunächst in die Cranachstraße 15, wo am 2. März 1908 ihr Sohn Franz Josef geboren wurde. Die Hoffnung auf ein weiteres Kind erfüllte sich nicht. Am 12. April 1911 gebar Hedwig in ihrer neuen Wohnung in der Rosenheimer Straße 33 einen toten Sohn.

Wir können vermuten, dass sie engen Kontakt zu ihren Eltern und Schwestern hatte, die ab 1914 in der nahegelegenen Augsburger Straße 34 (heute Nr. 42) lebten.
Hedwigs Ehemann Isidor hatte es als Patentanwalt zu einigem Wohlstand gebracht. Am 1. Januar 1927 bezog das Ehepaar mit dem 19-jährigen Sohn Franz die Beletage in der Prinzregentenstraße 2, eine 7-Zimmerwohnung im 1.Stock links. Die vor der Deportation gezwungenermaßen angefertigte „Vermögensaufstellung“ lässt das Bild einer technisch und musisch interessierten Familie entstehen, und man kann sich vorstellen, dass in der repräsentativen Wohnung mit elegantem Mobiliar, Orientteppichen und Gemälden geselliges Leben und kultureller Austausch stattgefunden hat, bevor der Naziterror begann.

Während eines Kuraufenthaltes der Eltern im Riesengebirge starb Hedwigs Mutter Thekla im Alter von 76 Jahren am 26. Juli 1929 im eleganten Kurhotel „Berliner Hof“ in Bad Flinsberg (Swieradow Zdroj).

In den folgenden Jahren belastete zunehmender Antisemitismus das Leben der jüdischen Bürger. Die „Kurfürstendamm-Krawalle“ am 12. September 1931, bei denen Nazi- Schlägertrupps brutal gegen jüdische oder nach ihrer Meinung jüdisch aussehende Passanten vorgingen, fanden in unmittelbarer Nähe der Augsburger Straße 34 statt, in der Hedwigs Vater mit den Schwestern lebte. Der Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 entzog jüdischen Geschäftsleuten ihre Lebensgrundlage.

Einiges spricht dafür, dass der Vater Wilhelm Marcus 1933 starb. Nach dem Tod der Eltern und aufgrund zunehmender Repressalien mussten Hedwigs Schwestern die Wohnung in der Augsburger Straße 34 aufgeben. Die ältere Schwester Helene zog im Oktober 1933 in die Prinzregentenstraße 2 und konnte unter dem Schutz der Familie ihren Modesalon zunächst weiter betreiben. Ob auch die Schwester Rose in dieser Zeit mit der Familie lebte, ist ungewiss.

Hedwigs Sohn Franz Tenenbaum wurde 1935 die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. Wann er nach Italien floh, ist uns nicht bekannt. Am 13. März 1937 musste Hedwigs Ehemann Isidor wegen „vielleicht fällig werdender Reichsfluchtsteuer“ Wertpapiere in Höhe von 25.300 Reichsmark als „Sicherheit“ verpfänden. Auch aus Hedwigs Depot wurden aus demselben Grund Wertpapiere verpfändet. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich ihr Sohn Franz in Mailand auf. Ob die Eltern Kontakt zu ihrem einzigen Kind haben konnten, wissen wir nicht.

Gemäß § 1 der „Sechsten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ wurde Hedwigs Ehemann mit Wirkung zum 30. November 1938 zusammen mit 44 anderen jüdischen Kollegen von der Liste der Patentanwälte gelöscht. Damit war dem 61-jährigen Anwalt die Möglichkeit genommen, seinen Beruf auszuüben.

Hedwigs Schwester Rose, die am 6. Februar 1940 den Witwer Walter Martin Herz geheiratet hatte, lebte zur Untermiete ganz in der Nähe in der Trautenaustraße 20. Das Paar sollte am 26. November 1941 deportiert werden, wurde jedoch kurzfristig verschont, da der Ehemann einen Herzinfarkt erlitt. Walter Martin Herz starb am 30. November 1941. 10 Tage nach seinem Tod zog Rose mit wenigen Habseligkeiten zu ihrer Familie in die Prinzregentenstraße 2.

Am 13. Januar 1942 wurde Hedwig Tenenbaum, geb. Marcus, mit dem sog. „VIII. Osttransport” (Transport 8 Zug DA44) zusammen mit ihrem Mann Isidor, ihren beiden Schwestern, Martha Schlesinger und über 1000 weiteren jüdischen Berlinerinnen und Berlinern nach Riga deportiert und ermordet.

Ihre Wohnung wurde von den Behörden beschlagnahmt, die wertvolle Einrichtung verkauft, die Lebensversicherung sowie Wertpapiere an die Oberfinanzkasse überwiesen. Neuer Mieter war ein Ministerialdirigent und NSDAP-Mitglied.
Noch Monate nach dem Tod der Familie Tenenbaum/Marcus wurde darüber gestritten, wer für die Renovierung der „Judenwohnung“ aufkommen müsse.

Recherche und Text: Monika Müller-Paul
Quellen:
- Ancestry Ahnensuche
- ITS Arolsen
- Berliner Adressbücher
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv in Potsdam
- Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenz
- Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995
- Jüdisches Adressbuch Berlin
- Reiner Zilkenat in: VVN-BdA, Geschichtskonferenz 28./29. Juni 2013
- Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Opfer des Holocaust

Tenenbaum, Franz-Josef

HIER WOHNTE
FRANZ JOSEF
TENENBAUM
JG. 1908
FLUCHT 1935 ITALIEN
FRANKREICH
INTERNIERT DRANCY
DEPORTIERT 6.11.1942
AUSCHWITZ
ERMORDET

Franz Josef (Francois) Tenenbaum wurde am 2. März 1908 als Sohn des Patentanwalts Isidor Israel Tenenbaum und seiner Ehefrau Hedwig in Berlin-Schöneberg in der Cranachstraße 15 geboren. Als einziges Kind wuchs er in sehr wohlhabenden bürgerlichen Verhältnissen auf. Über seine Schulzeit und berufliche Ausbildung wissen wir nichts Genaues.

Am 1. Januar 1927 bezogen Isidor und Hedwig Tenenbaum mit dem damals 19-jährigen Franz die repräsentative Beletage in der Prinzregentenstraße 2, eine 7-Zimmerwohnung im 1. Stock links. Die kulturell interessierte Familie scheint ein geselliges Leben geführt zu haben. Vermutlich gab es auch regen Kontakt zu den Großeltern und Tanten mütterlicherseits, die in Fußentfernung in der Augsburger Straße 34 wohnten.

Während eines gemeinsamen Kuraufenthaltes in Flinsberg (Swieradow Zdroj) im Riesengebirge verstarb die Großmutter Thekla Marcus am 26. Juli 1929 im „Hotel Berliner Hof“. Der damals 21-jährige Franz, der ihren Tod auf dem Standesamt meldete, nennt als Beruf Kaufmann.

Spätestens seit Ende der zwanziger Jahre musste Franz aufgrund zunehmender antisemitischer Hetze um seine Zukunft bangen. Die „Kurfürstendamm-Krawalle“ am 12. September 1931, bei denen braune Schlägertrupps brutal gegen jüdische oder nach ihrer Meinung jüdisch aussehende Passanten vorgingen, fanden in unmittelbarer Nähe der Augsburger Straße 34 statt, in der der Großvater Marcus und die beiden Tanten lebten. Der Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 entzog dem jungen Kaufmann, wie vielen anderen jüdischen Geschäftsleuten, die Lebensgrundlage.

Wann Franz nach Italien floh, wissen wir nicht. Am 28. Januar 1935 wurde ihm die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Am 5. März 1937 bat er im deutschen Generalkonsulat in Mailand um Zusendung der Ausbürgerungsurkunde an seine Adresse Viale Abruzzi 5, Milano. Im Antwortschreiben aus Berlin vom 13. März 1937 wurde seine Bitte zynisch abgelehnt: „Die Erteilung einer Ausbürgerungsurkunde für Franz Tenenbaum dürfte nicht in Betracht kommen. Dem Tenenbaum wird vielmehr überlassen sein, dass er sich auf dem Postwege ein Exemplar der Nr. 58 des Deutschen Reichs- und Preussischen Staatsanzeigers beschafft, in dem die den Widerruf seiner Einbürgerung aussprechende Verfügung der zuständigen deutschen höheren Verwaltungsbehörde veröffentlicht worden ist.“

Die nächste Station seiner Flucht war Frankreich, wo er sich Francois nannte. Er lebte in Lyon in der Rue Louis Blanc 41. Doch nach der Besetzung Frankreichs durch die Nazis war er auch dort nicht mehr sicher. Nach seiner Internierung im berüchtigten Lager Rivesaltes wurde Franz Josef Tenenbaum am 6. November 1942 mit 1000 weiteren jüdischen Menschen von Drançy nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Recherche und Text: Monika Müller-Paul
- Ancestry Ahnensuche
- ITS Arolsen
- Berliner Adressbücher
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv in Potsdam
- Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenz
- Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995
- Jüdisches Adressbuch Berlin
- Reiner Zilkenat in: VVN-BdA, Geschichtskonferenz 28./29. Juni 2013
- Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Opfer des Holocaust

Marcus, Helene

HIER WOHNTE
HELENE MARCUS
JG. 1876
DEPORTIERT 13.1.1942
GHETTO RIGA
ERMORDET

Helene Marcus wurde am 4. Dezember 1876 als erstes Kind des Kaufmanns Wilhelm Marcus und seiner Ehefrau Thekla, geb. Warschauer, geboren. Sie hatte zwei Schwestern: Hedwig (*2. August 1878) und Rosalie, genannt Rose (*11. März 1880). Über ihre Kindheit und Jugend ist uns nichts bekannt.

Es bleibt unklar, wann die Familie nach Berlin kam. Im April 1907 lebte sie im Bezirk Mitte in der Schützenstraße 40-42. Nach der Hochzeit der mittleren Tochter Hedwig zogen die Eltern Marcus mit den unverheirateten Töchtern Helene und Rose in die Lützowstraße 20.

Helene war Schneiderin und Putzmacherin. Im Adressbuch von 1912 findet man unter ihrem Namen den Eintrag „Putzsalon“. Sie blieb unverheiratet.

1914 zogen die Eltern Marcus mit den Töchtern Helene und Rose nach Charlottenburg in die Augsburger Straße, die in den „goldenen Zwanzigern“ für ihre prominenten Lokalitäten berühmt war und eine kurze Blütezeit von Kunst und Kultur erlebte. Im Haus Nr. 34 (heute die Nr. 42) an der Ecke zum Kurfürstendamm, führte Helene bis Oktober 1933 einen „Modesalon“.

Während eines Kuraufenthaltes der Eltern im Riesengebirge starb die Mutter Thekla im Alter von 76 Jahren am 26. Juli 1929 im eleganten Kurhotel „Berliner Hof“ in Bad Flinsberg (Swieradow Zdroj).

In den folgenden Jahren belastete zunehmender Antisemitismus das Leben der jüdischen Bürger. Die „Kurfürstendamm-Krawalle“ am 12. September 1931, bei denen Nazi- Schlägertrupps brutal gegen jüdische oder nach ihrer Meinung jüdisch aussehende Passanten vorgingen, fanden in unmittelbarer Nähe der Augsburger Straße 34 statt. Der Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 entzog jüdischen Geschäftsleuten ihre Lebensgrundlage.

Einiges spricht dafür, dass der Vater Wilhelm Marcus 1933 starb. Man kann davon ausgehen, dass die beiden Schwestern in wirtschaftliche Not gerieten und die geräumige Wohnung in der Augsburger Straße 34 nach 20 Jahren verlassen mussten. Helene zog in die Prinzregentenstraße 2 zu ihrer Schwester Hedwig und ihrem Schwager Isidor Tenenbaum. In der großen, repräsentativen Wohnung konnte sie zunächst unter dem Schutz der Familie weiter tätig sein. Bis 1938 war sie im Adressbuch als „Modistin“ eingetragen. Die vor der Deportation gezwungenermaßen angefertigte „Vermögensaufstellung“ nennt Utensilien ihrer Tätigkeit als Schneiderin und Putzmacherin. Die bescheidenen Einrichtungsgegenstände verdeutlichen, dass sie auf die Unterstützung ihrer Verwandten angewiesen war.

Am 13. Januar 1942 wurde Helene Marcus mit dem sog. „VIII. Osttransport” (Transport 8 Zug DA44) zusammen mit ihrem Schwager Isidor Tenenbaum, dessen Frau Hedwig, ihrer verwitweten Schwester Rose, Martha Schlesinger und weiteren über 1000 jüdischen Berlinerinnen und Berlinern nach Riga deportiert und ermordet.

Ihre letzten Ersparnisse von 1300 RM wurden beschlagnahmt und an die Oberfinanzkasse überwiesen.

Recherche und Text: Monika Müller-Paul
Quellen:
- Ancestry Ahnensuche
- ITS Arolsen
- Berliner Adressbücher
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv in Potsdam
- Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenz
- Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995
- Jüdisches Adressbuch Berlin
- Reiner Zilkenat in: VVN-BdA, Geschichtskonferenz 28./29. Juni 2013
- Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Opfer des Holocaust

Herz, Rose

HIER WOHNTE
ROSE HERZ
GEB. MARCUS
DEPORTIERT 13.1.1942
GHETTO RIGA
ERMORDET

Rosalie Marcus, genannt Rose, wurde am 11. März 1880 als dritte Tochter des Kaufmanns Wilhelm Marcus und seiner Ehefrau Thekla, geb. Warschauer, in Frankfurt/Oder geboren. Über ihre Kindheit und Jugend ist uns nichts bekannt.
Wann die Familie nach Berlin umzog, wissen wir nicht. Ab 1907 lebte sie im Bezirk Mitte in der Schützenstraße 42, anschließend in der Lützowstraße 20.

1914 zog die Familie Marcus nach Charlottenburg in die Augsburger Straße, die in den „goldenen Zwanzigern“ für ihre prominenten Lokalitäten berühmt war und eine kurze Blütezeit von Kunst und Kultur erlebte, bevor der Naziterror begann. Im Haus Nr. 34 (heute die Nr. 42) an der Ecke zum Kurfürstendamm, führte die Schwester Helene bis Oktober 1933 einen Modesalon. Rose arbeitete als Buchhalterin und Fremdsprachen–Stenotypistin bei einem Rechtsanwalt, zeitweise bei ihrem Schwager Isidor Tenenbaum.

Während eines Kuraufenthaltes der Eltern im Riesengebirge starb die Mutter Thekla im Alter von 76 Jahren am 26. Juli 1929 im eleganten Kurhotel „Berliner Hof“ in Bad Flinsberg (Swieradow Zdroj).

In den folgenden Jahren belastete zunehmender Antisemitismus das Leben der jüdischen Bürger. Die „Kurfürstendamm-Krawalle“ am 12. September 1931, bei denen Nazi- Schlägertrupps brutal gegen jüdische oder nach ihrer Meinung jüdisch aussehende Passanten vorgingen, fanden in unmittelbarer Nähe der Augsburger Straße 34 statt. Der Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 entzog jüdischen Geschäftsleuten ihre Lebensgrundlage.

Einiges spricht dafür, dass der Vater Wilhelm Marcus 1933 starb. Man kann davon ausgehen, dass die beiden Schwestern in wirtschaftliche Not gerieten und die geräumige Wohnung in der Augsburger Straße 34 nach 20 Jahren verlassen mussten. Helene zog zu ihrer Schwester Hedwig und ihrem Schwager Isidor Tenenbaum, die in der Prinzregentenstraße 2 die Beletage bewohnten. Auch Rose wurde von den Tenenbaums aufgenommen.

Herz, Rose: Nachricht von Rose und Waltre Martin Herz vom Vorabend einer geplanten Deportation

Am 6. Februar 1940 heiratete sie den Witwer Walter Martin Herz, einen Kaufmann. Das Paar lebte zur Untermiete in der Trautenaustraße 20. Rose und ihr Mann sollten am 26. November 1941 deportiert werden, wurden jedoch kurzfristig verschont, da der Ehemann einen Herzinfarkt erlitt. Am Vorabend der Deportation hatte das Paar eine Nachricht hinterlassen:

„25. XI. 41
Liebe Martha, morgen geht es los, laß es Dir gut gehen, vergiß uns nicht,
Deine Freundin soll W’s oder T’s besuchen.
In Liebe Rose u. W.“

Walter Martin Herz starb am 30. November 1941. 10 Tage nach seinem Tod zog Rose mit wenigen Habseligkeiten wieder zu ihren Schwestern und ihrem Schwager in die Prinzregentenstraße 2. Aus der von ihr vor der Deportation zwangsweise angefertigten „Vermögenserklärung“ geht hervor, dass sie als „Buchhalterin und Stenotypistin, auch fremde Sprachen“ tätig war und einen monatlichen Verdienst von 298 RM erhielt. Außer wenigen Kleidungsstücken besaß sie nichts mehr.

Am 13. Januar 1942 wurde Rose Herz, geb. Marcus, mit dem sog. „VIII. Osttransport” (Transport 8 Zug DA44) zusammen mit ihrem Schwager Isidor Tenenbaum, ihren Schwestern und weiteren über 1000 jüdischen Berlinerinnen und Berlinern nach Riga deportiert und ermordet. Das eheliche Konto mit einem Vermögen von 1800 RM fiel nach ihrer Deportation an die „Vermögensverwertungsstelle“ Berlin-Brandenburg.

Im Nachlass ihrer Schwägerin Elsa Oestreicher-Herz, die das Ghetto Theresienstadt überlebte, befindet sich ein Gedicht, in dem Elsa ihres Bruders und ihrer Schwägerin Rose gedenkt.

Herz, Rose: Gedicht

Original des Textes: Leo Baeck Institut

30.November 42
Heute ist ein Trauertag
Tot mein lieber Bruder lag.
Und ein Jahr ist schon vergangen,
Dass er von mir ist gegangen.
Auch die Rose ist verschwunden,
Weiss nicht, wo sie Ruh gefunden,
Sehnsuchtsvoll ich denk an sie,
Werd‘ vergessen Beide nie!

Recherche und Text: Monika Müller-Paul
Quellen:
- Ancestry Ahnensuche
- ITS Arolsen Archives
- Berliner Adressbücher
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv in Potsdam
- Gedenkbuch Bundesarchiv
- Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995
- Jüdisches Adressbuch Berlin
- Leo Baeck Institut, Elsa Oestreicher Collection, (Gedicht von Elsa Oestreicher für Rose Herz)
- Reiner Zilkenat in: VVN-BdA, Geschichtskonferenz 28./29. Juni 2013 -Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Opfer des Holocaust

Schlesinger, Martha

HIER WOHNTE
MARTHA
SCHLESINGER
JG. 1874
DEPORTIERT 13.1.1942
GHETTO RIGA
ERMORDET

Martha Schlesinger wurde am 10. März 1874 als erstes Kind des Kaufmanns David Schlesinger und seiner Frau Minna Martha Löwenberg geboren. Der Vater hatte 1872 für 21 Mark das Bürgerrecht Wittenberges erhalten und in seinem Haus in der Steinstraße 20 eine Manufaktur und einen Modewarenladen eröffnet.

Martha hatte 4 Geschwister:
  • Arthur Schlesinger (*20. September 1875)
  • Ella Schlesinger, (*20. April 1877) verstarb im Alter von 2 Jahren.
  • Hedwig Baumann, geb. Schlesinger (*30. Januar 1879), wurde am 18. Oktober 1941 nach Lodz/Litzmannstadt deportiert und ermordet
  • Margarethe Joseph, geb. Schlesinger (*14. April 1880), starb am 24. August 1942 im Jüdischen Krankenhaus Berlin.

Wir wissen wenig über Martha Schlesinger. Es gibt zu ihr keine Akte, sondern lediglich eine Karteikarte der „Vermögensverwertungsstelle“. Wann sie und ihre Geschwister nach Berlin kamen, ist unklar. Ende Dezember 1931 meldete sie auf dem Standesamt Charlottenburg den Tod ihres Bruders, des Kaufmanns Arthur Schlesinger. Zum damaligen Zeitpunkt wohnte sie in der Niebuhrstraße 76 und arbeitete wie Rose Herz als Stenotypistin. Wir vermuten, dass die beiden Frauen sich kannten.

In der Deportationsliste ist als letzter Wohnort von Martha Schlesinger die Prinzregentenstraße 2 angegeben, das Haus, in dem auch Rose Herz, geb. Marcus, und die Familie Tenenbaum wohnten.

Rose und ihr Mann Walter Herz sollten am 26. November 1941 deportiert werden, wurden jedoch kurzfristig verschont, da der Ehemann einen Herzinfarkt erlitt. Am Vorabend der Deportation hatte das Paar eine Nachricht hinterlassen, die möglicherweise Martha Schlesinger galt: Siehe Brief bei Rose Herz.

Martha Schlesinger wurde am 13. Januar 1942 – wie auch andere Bewohner:innen dieses Hauses – mit dem sog. „VIII. Osttransport” (Transport 8 Zug DA44) zusammen mit über 1000 weiteren jüdischen Berlinerinnen und Berlinern nach Riga deportiert und ermordet.

Recherche und Text: Monika Müller-Paul
- Ancestry Ahnensuche
- Archiv der Stadt Wittenberge
- ITS Arolsen
- Berliner Adressbücher
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv in Potsdam
- Gedenkbuch Bundesarchiv Koblenz
- Gedenkbuch Berlin der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus 1995
- Jüdisches Adressbuch Berlin
- Leo Baeck Institut, Elsa Oestreicher Collection
- Reiner Zilkenat in: VVN-BdA, Geschichtskonferenz 28./29. Juni 2013
- Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Opfer des Holocaust