HIER WOHNTE
KARL SILBERMANN
JG. 1901
DEPORTIERT 10.1.1944
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET
Karl Silbermann wurde am 10. September 1901 im Schlesischen Gleiwitz geboren. Sein Vater war der Textilkaufmann Max Silbermann, seine Mutter hieß Rosalie Silbermann, geb. Simenauer, geboren am 10. Februar 1876 in Myslowitz/ Kattowitz in Schlesien.
Die Silbermanns hatten außer Karl vier weitere Söhne: Julius, geb. 1904, Herbert, geb. 1905, Ernst, geb. 1906. Sie alle kamen in Kattowitz auf die Welt. Der vierte Bruder hieß möglicherweise Willy. Ebenso wie seine Brüder emigrierte er in den 30er Jahren. Er galt aber lange als verschollen.
Rosalie Silbermann gründete am 1. Februar 1911 in Berlin SW Lindenstraße 57 (heute Axel–Springer–Straße) eine Blusen- und Kleiderfabrik. 1913 ging die Firma auf ihren Ehemann Max über und trug auch dessen Namen. Max Silbermann verstarb am 14. Juni 1923. Die Erben waren die Witwe Rosalie und die fünf Söhne, von denen sich aber nur Karl für die Firma interessierte. Er wurde Teilhaber und leitete mit seiner Mutter gemeinsam den Betrieb; 1928 wurde er als Inhaber in das Handelsregister eingetragen. Neben sieben Angestellten beschäftigte er zwanzig Heimarbeiterinnen in der Produktion. Er wohnte weiterhin zusammen mit seiner Mutter in der Landsberger Allee 153.
Karl lernte die am 14. April 1905 in Berlin geborene Lucie Sattler kennen. Die beiden heirateten am 24. Februar 1931. Lucie war keine Jüdin, was für das weitere Eheleben eine große Rolle spielte. Sie bezogen ihre gemeinsame Wohnung im Wilmersdorfer Rheingauviertel in der Ahrweiler Straße 19a. Die Tochter Margrit wurde am 27. September 1932 geboren. Die Familie konnte bis 1936 in dieser Wohnung leben, dann wurde ihnen der Mietvertrag gekündigt. Man wollte keinen Juden im Haus wohnen haben. Die Silbermanns fanden noch vorübergehend eine passende Wohnung in der Sächsischen Straße 66. Gleichzeitig liefen die Geschäfte der Textilfirma immer schlechter. Die Boykottmaßnahmen gegen jüdische Unternehmen hatten längst ihre Auswirkungen gezeigt. Im November 1936 durften sie auch in der Sächsischen Straße nicht wohnen bleiben, jetzt sollte die gesamte Straße „judenfrei“ werden. Die Familie geriet in eine verzweifelte Situation.
Da inzwischen Karls Brüder Nazideutschland verlassen hatten, gingen auch Karls und Lucies Gedanken in diese Richtung. Die gesamte Wohnungseinrichtung wurde für ein geringes Entgelt verkauft und stattdessen billige Gebrauchtmöbel angeschafft, die man mit auf die Reise nehmen wollte. Mit dem 9. November 1938 wurde die Firma „Max Silbermann Blusen und Kleider“ stillgelegt und am 1. Januar 1939 liquidiert.
Mit ihren billigen Gebrauchtmöbeln wohnten Karl, Lucie und Margrit nun nacheinander in verschiedenen Wohnungen zur Untermiete. 1939, zur Zeit der Volkszählung, in der Pariser Straße 11 bei Fleischer. Es handelte sich hierbei vermutlich um Martha Fleischer, die auch zuvor ihre eigentliche Wohnung in der Pariser Straße 17 hatte verlassen müssen.
Anfang 1941 gelang es Lucie eine Wohnung in der Köpenicker Straße 173 anzumieten, ihr jüdischer Ehemann Karl war nur als Untermieter eingetragen. Ein Jahr darauf ließen sich Karl und Lucie scheiden. Ansich lag kein Scheidungsgrund vor, Karl hatte jedoch vor Gericht die Schuld am Scheitern der Ehe auf sich genommen. Er hoffte dadurch, seine Frau und die Tochter vor Repressalien schützen zu können. Die Familie lebte aber weiterhin die meiste Zeit zusammen in der gemeinsamen Wohnung in der Köpenicker Straße. Obwohl die Silbermanns ein kärgliches Leben führten, war das Vermögen aus dem Verkauf der Firma und der Wohnungseinrichtung schnell aufgebraucht. So ging der 40jährige Karl als Lehrling in einen Elektrobetrieb, wurde nach einiger Zeit in das Kabelwerk Siemens zur Zwangsarbeit verpflichtet und musste von Ende 1942 bis Anfang 1943 als Arbeiter auf dem Schlesischen Bahnhof schuften.
Lucie Silbermann wurde im Oktober 1943 zusammen mit der Tochter Margrit Berlin nach Mühlau in Sachsen evakuiert. Sie ging dort im April 1945 die Ehe mit dem französischen Kriegsgefangenen Jean Noiron ein, nicht wissend, dass dieser bereits verheiratet war. Sie wollte mit ihrer Tochter auf diese Weise aus Sachsen herauskommen. Nach Kriegsende verbrachte man sie nach Frankreich und Lucie wurde sofort interniert. Die Ehe mit Noiron wurde umgehend annulliert. Nach ihrer Freilassung im Juni 1946 reiste sie mit Margrit nach Deutschland aus und sie ließen sich in Wiesloch bei Heidelberg nieder.
Karl Silbermann blieb allein in Berlin zurück, bis ihn die Gestapo am 10. Januar 1944 abholte und mit dem Transport I/105 in das Konzentrationslager Theresienstadt verschleppte. Zynischerweise wurde dieser Transport mit dem Zusatz „Wohnsitzverlegung von nicht mehr bestehenden privilegierten Mischehen“ versehen. Am 29. September 1944 verließ ein Zug mit 1500 Deportierten Theresienstadt, unter ihnen Karl Silbermann, in Richtung Auschwitz. Dort im Vernichtungslager angekommen, wurden fast alle sofort ermordet.
Karl Silbermanns Mutter Rosalie wurde in Frankfurt am Main von der Gestapo gefasst und in Raasiku/Estland ermordet. Am 26. September 1942 war ein „Koppelzug“ mit Juden von Berlin–Moabit abgefahren, dem ein Waggon mit 237 Personen aus Frankfurt/Main angehängt worden war. Dieser hatte die Stadt am 24. September verlassen. Umgehend nach Ankunft des Transports wurden die meisten Menschen erschossen und in Gruben verscharrt.
Recherche und Text: Karin Sievert
Quellen:
- www.bundesarchiv.de/gedenkbuch
- Theresienstädter Gedenkbuch www.holocaust.cz
- Entschädigungsamt Berlin
- Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin
- Landesarchiv Berlin WGA www.landesarchiv-berlin.de
- Deportationslisten
- Gottwaldt/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941-1945“