Stolpersteine Pariser Straße 11 - Familie Sandmann

Stolperstein Hermann Sandmann

HIER WOHNTE
HERMANN SANDMANN
JG.1886
VERHAFTET 1942
SACHSENHAUSEN
ERMORDET 25.9.1942

Hermann Sandmann, geboren am 30.Juni 1886 im ostpreußischen Lötzen, war der Sohn von Julius und Paula Sandmann. Seine älteren Geschwister hießen Siegfried, geb. am 7. Dezember 1884 und Rosa, geb. am 2. April 1881. Die Familie lebte später in Berlin, wo Hermann als Generalvertreter der „Fa. Puls, Burg Kunstadt, Lederwaren, Schuhe“ tätig war und Siegfried als Konfektionskontrolleur bei „Kleinman & Wolff“ arbeitete. Die Schwester Rosa wurde Buchhalterin und heiratete den protestantischen Kaufmann Kurt Emil Laudien. Damit war ihr ein anderes Schicksal beschieden als ihren Brüdern.

Am 27. Januar 1910 heirateten Hermann Sandmann und die am 12.April 1887 geborene Regina Grün, Tochter von Josef und Rebecca Grün. Am 7. November 1910 wurde die Tochter Ruth geboren und zehn Jahre später, am 25. Oktober 1920, der Sohn* Hans*.

Die Brüder Sandmann wohnten mit ihren Familien in enger Nachbarschaft in Prenzlauer Berg, Siegfried zunächst in der Hufelandstraße, Raabestraße 15 und zuletzt in der Wehlauer Straße (heute Eugen-Schönhaar-Straße), Hermann in der Raabestraße 12. Hermann und Regina Sandmann lebten in einer 4-Zimmerwohnung mit wertvollem Inventar, wie aus der Akte des Entschädigungsamtes hervorgeht. Im Berliner Adressbuch war der Name Hermann Sandmann mit dem Zusatz „Direktor“ versehen. Er bezog nach Angaben aus der Entschädigungsakte ein jährliches Einkommen von 40 000 Reichsmark.

Nach 1937 fand sich im Adressbuch kein Eintrag mehr in der Raabestr.12 für Hermann Sandmann. In der Vermögenserklärung, die Regina Sandmann vor ihrer Deportation abgeben musste, gab sie an, 1937 in die Pariser Straße 11 gezogen zu sein. Sie bewohnten zusammen mit ihrem Sohn Hans im Gartenhaus eine 3-Zimmerwohnung.

In seiner Firma war Hermann Sandmann ab Januar 1935 als Jude beruflich degradiert worden. 1936 verlor er die Stellung endgültig. Er war somit auf die finanzielle Unterstützung seiner Kinder Ruth und Hans angewiesen.

Hermann Sandmann wurde im Mai 1942 von der Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Er trug die Häftlingsnummer 042787 und wurde im Häftlingsblock 39 gefangen gehalten. In den Baracken 38 und 39 pferchte die SS bis Oktober 1942 alle jüdischen Häftlinge zusammen. Danach wurden sie in die Vernichtungslager in Osteuropa deportiert. Noch vorher, am 25. September 1942, starb Hermann Sandmann in den frühen Morgenstunden an den Folgen der Ruhr.

Sein Bruder Siegfried hatte am 23. Dezember 1919 die in der Raabestraße 8 wohnende Rosa Meyer geheiratet. Das kinderlose Ehepaar lebte in einer 3-Zimmerwohnung in der Wehlauer Straße 2 oder 4. Nach seiner Entlassung aus dem Angestelltenverhältnis bei der jüdischen Firma Kleinmann & Wolff musste Siegfried Sandmann ein Zimmer der Wohnung abgeben – in der Akte des Entschädigungsamtes hieß es „verkaufen“ –, um den notdürftigsten Lebensunterhalt zu bestreiten.

Er wurde zusammen mit seiner Ehefrau Rosa am 1. November 1941 in das Ghetto Lodz deportiert. Dort wurden kriegswichtige Waren wie z.B. Uniformen von den im Ghetto gefangenen Menschen gefertigt. Sicherlich beutete man Siegfrieds Kenntnisse als Textilfachmann in diesen Fabriken aus. Rosa und Siegfried Sandmann wurden am 11. Mai 1942 in das 55 km entfernte Chelmno geschafft. Dort hatte seit Dezember 1941 der Massenmord an Juden durch den Einsatz von Kohlenmonoxid stattgefunden. Das Ehepaar wurde in einem speziell zu diesem Zwecke umgebauten LKW vergast.

Hermann und Siegfrieds Schwester Rosa überlebte die Shoah. Ihr Ehemann Kurt Emil Laudien war kein Jude und sie selbst erklärte im Juli 1940 ihren Austritt aus der jüdischen Gemeinde zu Berlin. Ihre 1907 geborene Tochter Lieselotte heiratete den Schauspieler, Schriftsteller und Kabarettisten Walter Lieck. Dieser trat zusammen mit Werner Finck und Walter Gross im Kabarett Tingeltangel auf. Auf Anweisung von Goebbels wurde er 1935 verhaftet und ins Konzentrationslager Esterwege eingeliefert. Im Olympiajahr 1936 wurde mit Rücksichtnahme auf das Ausland seine Haftstrafe in ein einjähriges Berufsverbot umgewandelt. Seine jüdische Schwiegermutter Rosa lebte mit in seinem Haushalt. Sie hatte ihm in schlechten Zeiten geholfen und so nahm er sie jetzt in Schutz, kaufte ihr außerhalb Berlins ein Haus und ermöglichte ihr das Überleben. Er selbst starb 1944 an einer verschleppten Blutvergiftung aus der KZ – Haft. Rosa Laudien, geb. Sandmann lebte bis März 1951. Lieselotte wurde eine bekannte Schauspielerin, die nach dem Zweiten Weltkrieg in einigen Defa-Spielfilmen mitwirkte: z. B. „Die Buntkarierten“, „Ehe im Schatten“. Sie stellte 1958 Anträge auf Wiedergutmachung und Entschädigung für ihre ermordeten Familienangehörigen.

Stolperstein Regina Sandmann

HIER WOHNTE
REGINA SANDMANN
GEB. GRÜN
JG. 1887
DEPORTIERT 3.2.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Regina Sandmann wurde am 12. April 1887 in Berlin geboren. Ihre Eltern waren Josef und Rebecca Grün. Die Familie wohnte in der Brunnenstraße 1-2. Ob Regina noch Geschwister hatte, ist nicht bekannt. Am 27. Januar 1910 heiratete sie den Vertreter für Lederwaren Hermann Sandmann. Noch im selben Jahr, am 7. November, brachte sie die Tochter Ruth zur Welt und 10 Jahre danach den Sohn Hans.

Die Familie lebte in Prenzlauer Berg in der Raabestraße 12, bis ihr Mann seine Anstellung verlor. Sie mussten die große Wohnung verlassen und zogen in die Pariser Straße 11. Dieses geschah 1937.

Die Tochter Ruth arbeitete bei der „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland“. Sie war mit dem selbstständigen Bankkaufmann Ralph Biesenthal verheiratet. Ralph verlor ebenfalls seine Stellung und gab in seiner Vermögenserklärung als Beruf „Hilfsarbeiter“ bei der Firma Hagenuk an. 1939 zog Ruth zu ihren Eltern; im Berliner Adressbuch war ihr Name in der Pariser Straße 11 mit dem Zusatz „Telefonistin“ eingetragen. Seit März 1942 lebte nach eigenen Angaben ihr Ehemann Ralph auch in dieser Wohnung. Möglicherweise war das Ehepaar bis dahin getrennt gewesen. Die fünf Personen drängten sich in einer kleinen, mit Möbeln vollgestellten 3-Zimmerwohnung im Gartenhaus zusammen.

Sie mussten ertragen, wie Hermann Sandmann von der Gestapo verhaftet und in das KZ Sachsenhausen verschleppt wurde. Vier Monate nach dessen Tod wurde Regina Sandmann zusammen mit ihrem Sohn Hans nach Auschwitz deportiert. Am 3. Februar 1943 wurden insgesamt 952 Menschen in einen Zug gepfercht und vermutlich sofort nach Ankunft im Vernichtungslager ermordet.

Ruth und Ralph waren 4 Tage zuvor, am 29. Januar, abgeholt, nach Auschwitz deportiert und dort am 16. Februar ermordet worden. Aus der Familie Biesenthal konnte nur Ralphs Schwester Ruth ihr Leben retten. Sie emigrierte nach England. Ralphs Eltern Martha und Georg wurden im Oktober 1942 nach Theresienstadt deportiert. Georg kam dort ums Leben, seine Frau Martha wurde 1944 nach Auschwitz verbracht und dort ermordet.

Stolperstein Hans J. Sandmann

HIER WOHNTE
HANS J. SANDMANN
JG. 1920
DEPORTIERT 3.2.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Hans Julius Sandmann, geboren am 25. Oktober 1920 in Berlin, Sohn von Hermann und Regina Sandmann, wurde nur 23 Jahre alt. Er lebte immer mit seinen Eltern zusammen; zuerst in Prenzlauer Berg, Raabestraße 12 in enger Nachbarschaft mit seinem Onkel Siegfried und seiner Tante Rosa, ab 1937 bis zu seiner Deportation 1943 in der Pariser Straße 11. Vermutlich musste er sich jahrelang mit seiner zehn Jahre älteren Schwester Ruth und zum Schluss auch noch mit deren Ehemann Ralf Biesenthal in der kleinen Wohnung ein Zimmer teilen.

Er hatte den Beruf des Feinmechanikers erlernt und arbeitete in der Fabrik für „Feinmechanik und Optik Helmut Korth“ für einen Wochenlohn von 38 RM. Davon bestritt er zusammen mit seiner Schwester Ruth, die monatlich 175 RM verdiente, den Lebensunterhalt für sich und seine Eltern, nachdem sein Vater seine Anstellung verloren hatte.

Hans Sandmann wurde zusammen mit seiner Mutter am 3. Februar 1943 mit dem sogenannten „28.Osttransport“ nach Auschwitz verschleppt und dort sofort ermordet.

Recherche und Texte: Karin Sievert

Quellen: