HIER WOHNTE
MARGARETE GÖTZE
GEB. GOETZE
JG. 1891
DEPORTIERT 12.1.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ
Margarete Goetze – der Name wurde in allen Dokumenten Goetze geschrieben – wurde am 8. Juli 1891 in Schneidemühl (polnisch Pila)/Posen als Tochter des Kaufmanns Emil Goetze und seiner Frau Johanna geb. Lefèvre geboren.
Margarete heiratete am 29. Dezember 1919 den Kaufmann Heinrich Silberstein, der am 1. Februar 1893 in Köln am Rhein geboren worden war. Die Ehe wurde auch in Schneidemühl geschlossen. Dort kam am 25. Mai 1922 die Tochter Ingrid auf die Welt.
Die Familie lebte und arbeitete in Schneidemühl, in der Mühlenstraße 6. Margarete Silberstein ist namentlich noch 1934 unter dieser Adresse im Einwohnerverzeichnis eingetragen. Vielleicht war Heinrich Silberstein zu diesem Zeitpunkt schon gestorben, sodass Margarete als Familienvorstand galt. Sie behielt den Nachnamen ihres Mannes, obwohl die Ehe schon am 2. März 1932 geschieden worden war.
Erst im April 1937 nahm sie ihren Mädchennamen Goetze wieder an. Auch dieser Verwaltungsakt geschah noch in Schneidemühl. Danach zog Margarete mit ihrer Tochter Ingrid nach Berlin in die Pariser Straße 11.
Vielleicht bestand ein verwandtschaftliches oder freundschaftliches Verhältnis zu der ebenfalls in diesem Haus wohnenden Familie Gumpert. Margarete Gumpert, sowie ihre Kinder Günter und Helga waren ebenfalls in Schneidemühl geboren und hatten dort die meiste Zeit verbracht. Die Familie Gumpert war 1936 nach Berlin gezogen. Günter und Helga Gumpert und Ingrid Silberstein waren etwa im gleichen Alter. Möglicherweise haben Margarete und ihre Tochter sogar in der Wohnung der Gumperts gewohnt. Leo Gumpert war zu dieser Zeit vor der Gestapo in die Tschechoslowakei geflüchtet und die Kinder Günter und Helga mit Kindertransporten nach England und Schweden geschickt worden.
Margarete und Ingrid mussten zwangsweise ihre Wohnung in der Pariser Straße verlassen. Ingrid wurde in der Waitzstraße 7 einquartiert und von dort am 12. Januar 1943 nach Auschwitz deportiert. Ihre Mutter wurde vor der Deportation in die Auguststraße 17 eingewiesen. Ein ursprünglich als jüdisches Ausbildungsheim für Krankenpflege gegründetes Haus diente ab 1936 als Mädchen- und Frauenwohnheim der Jüdischen Gemeinde. Es diente wohnungslosen Frauen und Mädchen als Obdach und wurde zur Zeit der Massendeportationen auch als Sammelstelle für die Personen eingerichtet, deren Abtransport in die Vernichtungslager bevorstand.
Am 12. Januar 1943 setzte sich der „26. Osttransport“ nach Auschwitz mit 1196 Menschen in Bewegung, darunter die Schriftstellerin Else Ury, Autorin der „Nesthäkchen“ – Bücher für Mädchen. In dem Zug befanden sich auch Käthe, Marianne und Eva Benzion, Margarete und Ingrids Nachbarinnen aus der Pariser Straße 11. In Auschwitz wurde der Eingang von 1000 Menschen verzeichnet. Nur 127 Männer wurden nach der Selektion in das Lager eingewiesen, alle anderen in den Gaskammern von Birkenau ermordet.
Recherche und Text: Karin Sievert
Quellen:
Gedenkbuch,
Bundesarchiv – Deportationslisten,
Regina Scheer: „AHAWAH – Das vergessene Haus“,
Berliner Adressbücher,
Adressbuch der Stadt Schneidemühl 1934
Gottwald/Schulle „Die Judendeportationen aus dem Deutschen Reich 1941 – 1945“