Stolpersteine Pariser Straße 11 - Familie Zacharias und Krombach

In diesem Artikel finden Sie weitere Informationen über die Personen folgender Stolpersteine der Pariser Straße 11:

Stolperstein Georg Zacharias

Stolperstein Georg Zacharias

Georg Zacharias

HIER WOHNTE
GEORG ZACHARIAS
JG. 1880
DEPORTIERT 15.8.1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942

Georg Zacharias wurde am 9. Juni 1880 in Garnsee (Westpreußen) geboren. Auch seine Geschwister Kurt, Edith und Elsbeth kamen dort zur Welt. Die Eltern waren der Kreiswundarzt Dr. Siegfried Zacharias und seine Ehefrau Henriette, geb. Hirschberg. Henriette Hirschberg war die Schwester von Nanny Krombach. Diese lebte zusammen mit Georg, Edith und Elsbeth bis zur Deportation zusammen in einer Wohnung in der Pariser Straße 11. Nach dem Tod von Siegfried Zacharias verlegte die Mutter den Wohnsitz nach Marienwerder, wo die Kinder die Schule besuchten. 1900 zog die Familie nach Berlin-Charlottenburg.

Georg bekleidete nach seiner Ausbildung die Stellung eines Beamten der Deutschen Bank in der Zentrale Mauerstraße. Die Schwestern Edith und Elsbeth wurden im Lette-Haus zu kaufmännischen Sekretärinnen ausgebildet. Edith war bei der Firma Rawack & Gruenfeld in der Hardenbergstraße beschäftigt.

Der Bruder Kurt wurde Arzt und betrieb in Berlin-Neukölln eine Arztpraxis. Er verließ 1938 nach dem Verlust seiner Praxis zusammen mit seiner Frau Else Deutschland und lebte in Paris, wo er versuchte die Einbürgerung zu erlangen. Mitte der 1950er Jahre praktizierte er wieder als Arzt in Pirmasens.

Georg und seine Schwestern Edith und Elsbeth blieben unverheiratet und lebten zusammen mit ihrer Mutter Henriette bis zu deren Tod 1935, danach mit ihrer Tante Nanny Krombach in einem Haushalt, zunächst in der Knesebeckstraße 46/47. 1939 wurden sie gezwungen die Wohnung aufzugeben und zogen in die Pariser Straße 11. In der großen Wohnung in der Knesebeckstraße hatten sie in relativem Wohlstand gelebt und eine Hausangestellte beschäftigt.

Georg brauchte die Demütigung, seine Berufstätigkeit durch einen Erlass zu verlieren, nicht zu ertragen. Er hatte schon zuvor die Altersgrenze erreicht, um in den Ruhestand zu treten. Seine Schwestern hingegen verloren ihre Stellungen. So lebten sie alle in der Pariser Straße 11 in einer Art familiärer Notgemeinschaft. Nanny Krombach trug Verantwortung für ihre verwaisten Enkelkinder und erfuhr insbesondere von Georg große Unterstützung. Nachdem Nannys Enkelkinder Ruth und Heinz 1939 nach Palästina auswandern konnten, schrieb Georg folgenden Brief an Ruth:

“Liebe Ruth,

Es ist beinahe nicht zu glauben, dass Ihr schon übermorgen 4 Wochen fort seid. Über Eure so fleissigen Nachrichten haben wir uns riesig gefreut, besonders deine Oma, die immer gleich viel glücklicher drein schaut, wenn sie Eure Nachrichten bekommt. Und darum könnt ihr sie garnicht genug in dieser Beziehung verwöhnen, wenn ich auch verstehen kann, wenn Ihr noch an Andre schreiben wollt… Hoffentlich klappt Eure Möbelsache nun doch noch; es war eine wenig angenehme Unterhaltung, die ich deshalb mit einem der Herren auf der Dev.-Stelle führen musste. Ich kämpfte zwar wie ein Löwe, zunächst aber vergeblich… Heini scheint ja schon ganz zu Hause drüben zu sein, woran ich übrigens keinen Augenblick gezweifelt habe. Daß es Dir dagegen nicht immer in der ersten Zeit so leicht sein wird, Dich einzuleben und Dich mit dem gegebenen abzufinden, kann ich auch verstehen. Und trotzdem wirst Du sicher sehr bald mit nichts und Niemandem hier tauschen wollen! …Nun haben wir auch endlich nach heissem Bemühen eine Wohnung u. zwar in der Pariserstr. 11 vorn II.Tr. (Berlin W.15), die zwar nur 3 Zimmer, dafür aber Heizung, jedoch leider kein Warmwasser u. keinerlei Nebengelass hat. Es blieb uns eben keine andere Wahl u. wir müssen noch froh sein, überhaupt unterzukommen. Du weißt ja Bescheid!…

Alles Gute und schöne und herzl. Grüße!
Onkel Georg”

Vorne Nanny Krombach, Kurt, Else und Georg Zacharias. Dahinter Nanny Krombachs Enkel Heinz und Ruth Ginsburg im Jüdischen Landschulheim in Caputh.Heinz Ginsburg feierte dort seine Bar Mizwa.

Über die letzten Jahre in der Pariser Straße 11, die Georg Zacharias mit seinen Schwestern und Nanny Krombach verbrachte, ist wenig bekannt. Die Geschwister Zacharias wurden am 15. August 1942 nach Riga deportiert und dort drei Tage später ermordet.

Stolperstein Elsbeth Zacharias

Elsbeth Zacharias

HIER WOHNTE
ELSBETH
ZACHARIAS
JG. 1881
DEPORTIERT 15.8.1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942

Elsbeth Zacharias, geboren am 6. Juni 1881, kam wie auch ihre Geschwister Kurt, Georg und Edith aus Garnsee, Kreis Marienwerder (Westpreußen). Die Eltern waren der Kreiswundarzt Dr. Siegfried Zacharias und seine Ehefrau Henriette, geb. Hirschberg. Henriette Hirschberg war die Schwester von Nanny Krombach. Diese lebte zusammen mit Georg, Edith und Elsbeth bis zur Deportation zusammen in einer Wohnung in der Pariser Straße 11.

Nach dem Tod von Siegfried Zacharias verlegte die Mutter den Wohnsitz nach Marienwerder, wo die Kinder die Schule besuchten. 1900 zog die Familie nach Berlin-Charlottenburg.

Die Schwestern Edith und Elsbeth besuchten das Lette-Haus und wurden beide kaufmännische Sekretärinnen. Wo Elsbeth arbeitete, ist nicht bekannt; Edith war bei der Firma Rawack & Gruenfeld in der Hardenbergstraße beschäftigt. Georg bekleidete nach seiner Ausbildung die Stellung eines Beamten der Deutschen Bank in der Zentrale Mauerstraße. Der Bruder Kurt wurde Arzt und betrieb in Berlin-Neukölln eine Arztpraxis. Er verließ 1938 nach dem Verlust seiner Praxis zusammen mit seiner Frau Else Deutschland und lebte in Paris, wo er versuchte die Einbürgerung zu erlangen. Mitte der 1950er Jahre praktizierte er wieder als Arzt in Pirmasens.

Georg und seine Schwestern Edith und Elsbeth blieben unverheiratet und lebten zusammen mit ihrer Mutter bis zu deren Tod 1935 in einem Haushalt, zunächst in der Knesebeckstraße 46/47. 1939 wurden sie gezwungen die Wohnung aufzugeben und zogen in die Pariser Straße 11. In der großen Wohnung in der Knesebeckstraße hatten sie in relativem Wohlstand gelebt, sie hatten eine Hausangestellte und konnten 1935 ihre Tante Nanny Krombach bei sich aufnehmen. Aufgrund der Verordnungen und Erlasse gegen Juden verloren beide Schwestern ihre Stellungen. So lebten sie alle in der Pariser Straße 11 in einer Art familiärer Notgemeinschaft. Nanny Krombach trug Verantwortung für ihre verwaisten Enkelkinder und erfuhr von den Nichten und dem Neffen Anteilnahme und Unterstützung.

Über die letzten Jahre in der Pariser Straße 11, die Elsbeth zusammen mit Edith und Georg Zacharias und mit ihrer Tante Nanny Krombach verbrachte, ist wenig bekannt. Die Geschwister Zacharias wurden am 15. August 1942 nach Riga deportiert und dort drei Tage später ermordet.

Stolperstein Edith Gertrud Zacharias

Edith Gertrud Zacharias

HIER WOHNTE
EDITH GERTRUD
ZACHARIAS
JG.1887
DEPORTIERT 15.8.1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942

Edith Zacharias wurde am 17. August 1887 in Garnsee, Kreis Marienwerder (Westpreußen) geboren. Auch ihre Brüder Kurt und Georg wie auch ihre Schwester Elsbeth kamen in Garnsee zur Welt. Die Eltern waren der Kreiswundarzt Dr. Siegfried Zacharias und seine Ehefrau Henriette, geb. Hirschberg. Henriette Hirschberg war die Schwester von Nanny Krombach. Diese lebte zusammen mit Georg, Edith und Elsbeth bis zur Deportation zusammen in einer Wohnung in der Pariser Straße 11.

Nach dem Tod von Siegfried Zacharias verlegte die Mutter den Wohnsitz nach Marienwerder, wo die Kinder die Schule besuchten. 1900 zog die Familie nach Berlin-Charlottenburg.

Die Schwestern Edith und Elsbeth besuchten das Lette-Haus und wurden kaufmännische Sekretärinnen. Edith war bei der Firma Rawack & Gruenfeld in der Hardenbergstraße beschäftigt. Georg bekleidete nach seiner Ausbildung die Stellung eines Beamten der Deutschen Bank in der Zentrale Mauerstraße.

Der Bruder Kurt wurde Arzt und betrieb in Berlin-Neukölln eine Arztpraxis. Er verließ 1938 nach dem Verlust seiner Praxis zusammen mit seiner Frau Else Deutschland und lebte in Paris, wo er versuchte die Einbürgerung zu erlangen. Mitte der 1950er Jahre praktizierte er wieder als Arzt in Pirmasens.

Edith Zacharias

Georg und seine Schwestern Edith und Elsbeth blieben unverheiratet und lebten zusammen mit ihrer Mutter Henriette bis zu deren Tod 1935, danach mit ihrer Tante Nanny Krombach in einem Haushalt, zunächst in der Knesebeckstraße 46/47. 1939 wurden sie gezwungen, die Wohnung aufzugeben und zogen in die Pariser Straße 11. In der großen Wohnung in der Knesebeckstraße hatten sie in relativem Wohlstand gelebt und eine Hausangestellte beschäftigt.

Aufgrund der Verordnungen und Erlasse gegen Juden verloren beide Schwestern ihre Stellungen. So lebten sie alle in der Pariser Straße 11 in einer Art familiärer Notgemeinschaft. Nanny Krombach trug Verantwortung für ihre verwaisten Enkelkinder und erfuhr von den Nichten und dem Neffen Anteilnahme und Unterstützung. Edith Zacharias schien jedoch unter der Situation in der Pariser Straße am meisten zu leiden. In einem Brief an Nanny Krombachs Tochter Käthe in Palästina schrieb sie 1939:

“Übrigens noch zu Deiner Information, liebe Käte, daß ich bereits seit dem 25. November v. J. entlassen und seitdem ohne Beschäftigung bin. Was das für mich bedeutet, kannst Du sicher verstehen, zumal da ich mich vergeblich bemühe, wieder etwas meinen Fähigkeiten entsprechendes zu finden. Ich habe mir zwar redliche Mühe gegeben, mich im Haushalt zu betätigen und unter Anleitung Deiner lb. Mutter kochen zu lernen, sehe aber immer mehr und mehr meine Nichteignung dazu ein, was mich natürlich besonders unglücklich macht. Leider hat nun mal Deine Mutter mit ihrer Prophezeiung recht behalten, daß ich niemals kochen lernen werde… Ich bin bald nach meiner Entlassung mit dem besten Willen an die Sache herangegangen; denn ich entliess doch zum 1. Januar unser Mädchen… Der Wohnungswechsel hat mir vollends den Garaus gemacht; denn die allein schon damit verbundenen dauernden Aufregungen lassen mich nicht zur Ruhe kommen, abgesehen von allem anderen was uns jetzt bewegt. Ich könnte Dir über dieses Kapitel noch mancherlei erzählen, will es aber lieber für mich behalten, um Dir nicht auch noch mit meinen Angelegenheiten den Kopf zu beschweren… Selbst ein kurzer Spaziergang am späten Abend bedeutete keine Erholung. Wir haben hier draussen auch kaum noch eine Möglichkeit, uns auszuruhen, und einen weiten Weg vermag Deine Mutter nicht mehr ohne Überanstrengung zu machen. So bleibt man eben am liebsten zu Hause und nutzt so viel wie möglich den Balkon aus, auch wenn er in Anbetracht des Strassenlärms keine reine Freude bedeutet. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich so schwer hier eingewöhnen würde… Und trotzdem müssen wir noch dankbar sein, ein solches Dach über unserm Kopf zu haben.”

Über die letzten drei Jahre in der Pariser Straße 11, die Edith Zacharias mit ihrer Schwester, ihrem Bruder und Nanny Krombach verbrachte, ist wenig bekannt.

Die Geschwister Zacharias wurden am 15. August 1942, zwei Tage nach dem 55. Geburtstag von Edith, den se wohl in einem Sammellager verbringen mussten, nach Riga deportiert und dort drei Tage später ermordet.

Stolperstein Nanny Krombach

Nanny Krombach

HIER WOHNTE
NANNY KROMBACH
GEB. HIRSCHBERG
JG. 1867
DEPORTIERT 19.8.1942
THERESIENSTADT
1942 TREBLINKA
ERMORDET

Nanny Krombach wurde als Nanny Hirschberg am 27. März 1867 in Garnsee (Westpreußen) geboren. Ihr Vater war Leopold Hirschberg, Kaufmann in Garnsee, ihre Mutter Hulda war eine geborene Jacoby. Nanny Hirschberg war die jüngste von fünf Geschwistern. Arnold wurde 1853 geboren, Henriette 1854, Siegfried 1860 und Pauline 1863. Über Arnolds Tod ist nichts bekannt. Henriette, Siegfried und Pauline starben noch vor der Schoah und wurden auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beerdigt. Henriette war die Mutter von Georg, Edith, Elsbeth und Kurt Zacharias, die später in Berlin lebten. Die drei erstgenannten bewohnten mit Nanny bis zur Deportation gemeinsam eine Wohnung in der Pariser Straße 11.

Nanny Krombach

Nanny Hirschberg heiratete am 20. November 1895 in der Kreisstadt Marienwerder Julius Krombach, einen stattlichen Kaufmann und Landwirt. Sie lebten in Stuhm, wo ihre drei Kinder zur Welt kamen. Am 8. August 1896 wurde Tochter Hedwig geboren, am 18. August 1899 die Tochter Käthe und am 13. April 1906 der Sohn Hans.

Käthe beschrieb Nanny später als freundliche und warmherzige Mutter, die sich hingebungsvoll um Kinder und Enkelkinder kümmerte:

“Sie liebte es, Gäste einzuladen und zu singen und Klavier zu spielen.”

Hedwig, die älteste der drei Geschwister, heiratete zuerst. Ihr Ehemann Abraham Ginsburg war leitender Angestellter und Vertreter der Firma Joh. Jacob Vowinkel, Holzgroßhandlung in Berlin-Charlottenburg und Marienwerder. Hedwig selbst war Buchhalterin.

Nanny und Julius Krombach vor ihrem Betrieb in Stuhm.

Nanny und Julius Krombach vor ihrem Betrieb in Stuhm.

Am 23. September 1922 wurde Tochter Ruth und am 25. Juli 1925 Sohn Heinz geboren. 1926, ein Jahr nach der Geburt seines Sohnes, starb Abraham Ginsburg. 1931 wurden Ruth und Heinz nach dem frühen Tod ihrer Mutter Vollwaisen. Heinz schrieb in seinem Lebenslauf:

“Meine Eltern hinterließen meiner Schwester Ruth und mir beträchtliches Vermögen, das u. a. aus einem mehrstöckigen Mietshaus, Barvermögen und Schmuck bestand.”

Nanny und Julius Krombach zögerten nicht, die Verantwortung für ihre Enkelkinder zu übernehmen. Sie verließen ihr Haus in Stuhm und zogen nach Marienwerder in das Haus von Hedwig und Abraham, um den Enkeln die vertraute Umgebung zu erhalten. Hans Krombach wurde der offizielle Vormund seiner Nichte Ruth und seines Neffen Heinz.

Julius und Nanny Krombach in der Kutsche von ihrem Haus in Stuhm.

Julius und Nanny Krombach in der Kutsche von ihrem Haus in Stuhm.

Diese für die Waisen sicherlich glücklichste Situation währte nicht lange. Julius Krombach starb 1935 im Jüdischen Krankenhaus in Frankfurt/Main. Nanny und die Enkelkinder zogen nun nach Berlin. Nanny Krombach ließ ihr gesamtes Mobiliar in der Obhut eines Spediteurs in Marienwerder. Käthe Krombach war bis zum Entzug ihrer Kassenzulassung niedergelassene Kinderärztin in Babelsberg-Nowawes. Mit ihrem Mann Walter Bachrach wanderte sie gleich 1933 nach Palästina aus und arbeitete als Ärztin in dem Kinderheim Ahawah, das nach seiner erzwungenen Schließung in der Berliner Auguststraße in Kiriat Bialik neu eröffnet wurde. Ruth und Heinz waren in Berlin zunächst in diesem Heim untergebracht und auf eine bevorstehende Übersiedlung nach Palästina vorbereitet worden. Später lebten sie im jüdischen Landschulheim in Caputh. Heinz schrieb in seinem Lebenslauf:

“Nachdem der Transfer des Vermögens in dem Jahre nicht bewerkstelligt werden konnte, und unter dem Druck der judenfeindlichen Gesinnung der Kleinstadt, kamen wir nach einem kurzen Aufenthalt in unserer Heimat im Jahr 1936 in das Landschulheim Caputh bei Potsdam.”

Julius und Nanny Krombach mit ihren Kindern Hedwig, Käthe und Hans.

Julius und Nanny Krombach mit ihren Kindern Hedwig, Käthe und Hans.

Hans Krombach verließ in diesem Jahr Deutschland und wanderte ebenso wie seine Schwester Käthe nach Palästina aus. Nanny Krombach war nun die Alleinverantwortliche für die Enkelkinder. Sie zog zu Georg, Edith und Elsbeth Zacharias, ihren Nichten und dem Neffen in deren geräumige Wohnung in die Knesebeckstraße 46/47. Die Geschwister Zacharias, alle drei unverheiratet geblieben und berufstätig, lebten in relativem Wohlstand und hatten ein Hausmädchen. Nanny, Georg, Edith und Elsbeth bildeten eine familiäre Notgemeinschaft. Nanny konnte kochen und den Haushalt organisieren und ihre Nichten und Neffen sorgten sich mit ihr gemeinsam um Ruth und Heinz.

1937 zog auch Enkelin Ruth zu ihnen, während Heinz bis zum Überfall auf das jüdische Landschulheim am 10. November 1938 durch ortsansässige Nazis und der damit verbundenen Auflösung des Heims in Caputh lebte. Er feierte dort auch seine Bar Mizwa. Heinz schrieb an seine Oma im Juni 1938:

“Liebe Oma, liebe Schwester, meine lieben Verwandten und Freunde!

Noch selten wird eine Barmizwahfeier unter den Schülern unseres Heims in so vertrauter und geradezu familiärer Art begangen worden sein wie unsere Doppelbarmizwah, die gleichzeitig mein und meines lieben Freundes und Klassenkameraden Lothar Ehrentag ist. Es fällt mir schwer, diejenigen Worte zu finden, welche in meinem Falle angebracht sind; denn meine Feier erinnert mich lebhaft daran, dass hier Manche fehlen, die sich besonders gefreut hätten diesen schönen Tag zu erleben. Es ist eine fromme Pflicht, dass ich vor allem meiner lieben Eltern gedenke und dass ich gelobe, in ihrem Sinne ein Leben der Pflicht und der Arbeit zu führen, wie sie es einst immer taten. Dafür hat mir das Schicksal eine liebe Oma gegeben, die seit Jahren mich wie ihren Sohn betreut und liebt, die für mich und meine Schwester Ruth stets mütterlich sorgte, zu der ich mit allen Nöten und Anliegen stets kommen kann, und die sich wirklich bemüht, mir ein sorgenfreies Jugend – Dasein zu schaffen. In der Tat habe ich mich hier im Heim so eingelebt, dass mir das Heim eine Heimat geworden ist, ja d i e Heimat, von der ich mich nur sehr schwer trennen werde. Dazu kommt, dass Du, liebe Schwester Ruth, mehrere Jahre mit mir zusammen hier warst, dass wir also es ermöglichen konnten, ein richtiges und schönes Geschwisterleben zu führen, dessen Erinnerung uns immer im Leben bleiben wird. Ich wende mich ferner an Euch, meine lieben Tanten und Onkel, die Ihr so zahlreich heute Nachmittag herausgekommen seid, um diese schön erhebende Stunde mit mir zu verbringen. Ihr werdet mir glauben, dass ich Euch alle wirklich lieb habe und dass es mir daher garnicht möglich ist, darüber besonders viele Worte zu machen. Oft seid Ihr es gewesen, die mir in Berlin bei kurzem oder längerem besuch Gastfreundschaft erwiesen habt und erweiset, und darum bin ich geradezu stolz, dass ich heute einmal E u c h hier gastlich empfangen kann! Gern denke ich in diesem Augenblick an Tante Käte, Onkel Hans, Tante Trude und Onkel Walter in Palästina, die ihr lebhaftes Bedauern darüber ausdrückten, dass sie nicht da sein können. Aber ich weiss, dass wir uns eines Tages wiedersehen und dann wird die Freude doppelt groß sein.
Mein Freund Lothar hat vorhin bereits von der schönen Verbundenheit gesprochen, die uns hier im Heimleben erfüllt. Hier sind wir jung und unberührt von den bitteren Sorgen des Alltags, und hier bauen wir uns ganz in der Stille eine Welt auf, die uns dereinst tragen soll.

Und so schließe ich, indem ich nochmals an die schönen Worte des Herrn Rabbiner erinnere, der seine guten Wünsche nicht nur auf sich, sondern auf die ganze Gemeinde übertrug, und wünsche, dass dieser Tag uns allen viel Freunde und Segen bringe und für uns werde ein
JOM LEKSCHAUNE TA UWE! (Tag zu allem Guten!)”

Ruth und Heinz verließen am 17. März 1939 Nazideutschland mit einem Jugend – Alija Transport nach Palästina, wo sich von nun an Tante Käthe und Onkel Hans um sie kümmerten. Zuvor hatte Nanny ihre Kinder 1936 und 1938 zweimal in Palästina besucht. Bemühungen ihrer Kinder, sie zum Bleiben zu bewegen, schlugen fehlt, die Verantwortung für ihre Enkelkinder zwang sie damals zur Rückkehr nach Deutschland. Ihr Schwiegersohn Walter Bachrach schrieb im April 1940 an seinen Schwager Hans Krombach:

“Das schönste Geburtstagsgeschenk wäre es ja, wenn es doch noch gelänge, die liebe Mutter hierher zu bekommen, aber das ist ja sehr unwahrscheinlich…“

Nach der Ausreise ihrer Enkel setzte sie alles daran, deren persönlichen Gegenstände hinterherzuschicken, eine Nähmaschine fand den Weg nach Palästina.

Nanny Krombach bei ihrem letzten Besuch in Palästina. Neben ihr Sohn Hans, dessen Frau Trude, Walter Bachrach, seine Frau Käthe Krombach –Bachrach mit Sohn Daniel.

Nanny Krombach bei ihrem letzten Besuch in Palästina. Neben ihr Sohn Hans, dessen Frau Trude, Walter Bachrach, seine Frau Käthe Krombach –Bachrach mit Sohn Daniel.

Der Naziterror zwang Georg, Elsbeth und Edith Zacharias und Nanny Krombach, die große Wohnung in der Knesebeckstraße zu verlassen und in eine Dreizimmerwohnung in der Pariser Straße 11 zu ziehen. In dem Haus lebte eine große Zahl jüdischer Nachbarn, offenbar war der Kontakt untereinander jedoch gering. Käthe Krombach beschrieb in einem Brief an ihren Bruder Hans eine Begebenheit, die dieses verdeutlichte. Sie hatte in der Ahawah 19 Kinder aus Deutschland bekommen, ein Junge davon wohnte zuvor in der Pariser Straße 11 im ersten Stock unter der Familie Zacharias und Nanny Krombach. Auf die Frage, ob die Frau Krombach denn nicht gewusst hätte, dass er ausreisen würde, verneinte der Junge. Käthe Krombach schrieb:

“Als ich das hörte, habe ich wirklich geweint. Wenn Mama das gewusst hätte, hätte sie uns doch frische Grüße mitschicken können. Ich verstehe ja auch nicht, dass die Juden so wenig Zusammenhang in ein und demselben Haus haben, dass sie nicht einmal erfahren, wenn einer nach Palästina abfährt.”

Nanny Krombach beschloss nun doch Anfang 1940, ihren Kindern und Enkeln nach Palästina zu folgen:

“Berlin, 14. Februar 1940

Meine Lieben alle, heute will ich Euch eine überraschende Neuigkeit machen. Es handelt sich um meine eventuelle Auswanderung, die aber nur unter so großen Schwierigkeiten vor sich gehen könnte, die zu überwinden ich wie auch viele natürlich mit beinahe für unmöglich halten… Also zur Sache: Zur Auswanderung muss ich hier eine bestimmte Summe zu Verfügung haben… Ob es Euch nun möglich sein wird, das zu leisten, weiss ich ja nicht. Wir können nur 40 Pf Gepäck mitnehmen und da nicht viel mehr als für die vielleicht lang dauernde Reise nötige Sachen dazu gehören, müsste ich noch beantragte und geprüfte weitere Sachen extra an Euch schicken, die Ihr dann dort in Empfang nehmen und die Unkosten, soweit ich sie hier nicht erledigen kann, auch noch tragen müsstet. Also, es ist nicht so einfach, wie es aussieht. Nun ich weiss ja auch gar nicht, wie die Aussichten sind, da muss Gott helfen. Ich bin schon so lange ohne Nachricht von euch allen, und laufe schon jeden Tag so und so oft an den Briefkasten, leider immer ohne Erfolg. Na mal wird ja doch mit Gottes Hilfe was kommen.”

Am 10. März 1942 erhielt Nanny Krombach durch das Britische Rote Kreuz einen letzten Geburtstagsgruß von ihrer Tochter Käthe. Ihr letztes Lebenszeichen erreichte am 26. Juni 1942 ihren Sohn Hans in Palästina.

Sie wurde am 19. August 1942 nach Theresienstadt deportiert und am 26. September 1942 im Vernichtungslager Treblinka ermordet.

Die Fotos und Briefe stammen aus dem Besitz von Nanny Krombachs Enkel Daniel Bachrach.

Recherche und Text: Karin Sievert.
Quellen: Bundesarchiv Gedenkbuch. Entschädigungsamt Berlin, Landeshauptarchiv Potsdam.
Briefe und Fotos: Daniel Bachrach.

  • Ansprachen zur Verlegung des Stolpersteins für Nanny Krombach

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