Joseph Roman Cycowski wurde am 24. Januar 1901 in Tuszyn in der Nähe von Lodz geboren, das damals zu Russland gehörte. Von seinen Kollegen und auf Konzertankündigungen und Programmzetteln wurde er später Roman genannt, in offiziellen Dokumenten heißt er meist Josef Cycowski.
Sein Vater war Textilhändler und -fabrikant und besaß eine kleine Spinnerei. Mit sieben Jahren sang Roman Cycowski bereits in der Synagoge, ab 1909 besuchte er eine Talmudschule und nachmittags eine weltliche Schule. Durch seinen Kantor erhielt er eine umfangreiche Ausbildung in Musiktheorie und Harmonielehre.
Ab 1918 diente Roman Cycowski als Freiwilliger beim polnischen Militär, denn Lodz gehörte nun zu Polen. Schon zu der Zeit erlebte er in Polen Pogrome und Antisemitismus, was ein Grund dafür war, dass er freiwillig zum Militär gegangen war, aber auch dort erfuhr er Anfeindungen aufgrund seiner Herkunft. 1919 wurde er auf eigenen Wunsch aus der Armee entlassen.
1920 ging Roman Cycowski mit dem Ausweis eines verstorbenen Cousins illegal nach Deutschland. Seine Eltern sah er nie wieder. Zuerst ging er nach Beuthen in Oberschlesien und arbeitete in einem Eisenwarengeschäft. Außerdem sang er im Synagogenchor und wurde als Sänger für das Stadttheater Beuthen entdeckt. Dort trat er unter dem Pseudonym „Fritz Mühlstein“ auf und studierte nebenbei am örtlichen Konservatorium. Von 1921 bis 1926 hatte er Opernengagements in Zoppot, Danzig, Stralsund, Bad Oeynhausen, Guben, Cottbus und Rostock.
Ab Ende 1926 studierte er Gesang an der Musikhochschule in Berlin. Nebenbei tingelte er einige Monate lang durch die Provinz, als Sänger zur Begleitung von Stummfilmen. Im gleichen Jahr wurde er aus der polnischen Staatsbürgerschaft entlassen, weil er einer Einberufung zur polnischen Armee nicht nachgekommen war. Er hatte seine Dienstpflicht noch nicht ganz erfüllt, deshalb war er auch illegal ausgereist. Seitdem galt Roman Cycowski als Staatenloser, was ihm später Schwierigkeiten bei der Einreise in andere Staaten und bei Auftrittsgenehmigungen für die Comedian Harmonists einbrachte. Seine erste Adresse in Berlin war ein winziges möbliertes Zimmer in der Wilmersdorfer Straße. 1927 nahm er für ein halbes Jahr Gesangsstunden bei dem italienischen Bariton Ricardo Stracciari in Mailand. Sein großes Vorbild war der berühmte Bariton Heinrich Schlusnus. Ab September 1927 war er als Chorsänger für das Singspiel „Mikado“ am Großen Schauspielhaus in Berlin engagiert und
lernte dort Robert Biberti und Ari Leschnikoff kennen.
Im März 1928 brachte Robert Biberti Roman Cycowski zu den Comedian Harmonists. Er galt als das ruhige, ausgleichende Element in der Gruppe.
1929 lernte er bei einer Party in Köln seine spätere Ehefrau Maria Magdalena Panzram kennen. Sie konvertierte zum jüdischen Glauben, und die beiden heirateten 1933 nach jüdischem Ritus. Sie wohnten danach in der Xantener Str. 14. 1934 wurde es den Comedian Harmonists verboten, in Deutschland aufzutreten, 1935 erhielten die jüdischen Mitglieder Berufsverbot. Ihre letzte legal produzierte Aufnahme war passenderweise „Morgen muss ich fort von hier.” Vermutlich in der Nacht vom 28. Februar auf den 1. März 1935 schlichen sie sich „wie Diebe” (so Robert Biberti) in ihr Aufnahmestudio in der Berliner Philharmonie, um dort illegalerweise ihre beiden letzten Lieder aufzunehmen. Danach gingen die drei jüdischen Mitglieder der Gruppe mit ihren Frauen wie sehr viele Emigranten nach Wien, wo sie eine neue Gruppe gründeten, die ebenfalls unter dem Namen Comedian Harmonists auftrat.
Als die Gruppe 1937 zu Plattenaufnahmen in London war, heirateten Roman und Maria dort standesamtlich. Nach dem Anschluss Österreichs mussten die Mitglieder der Exilgruppe auch aus Wien fliehen, und waren in den nächsten Jahren auf der ganzen Welt unterwegs. Zeitweise plante die Gruppe, sich in Australien niederzulassen, wo sie als die „Comedy Harmonists“ sehr erfolgreich war. Roman Cycowski schickte seiner in Polen lebenden Familie Geld und versuchte vergeblich, Ausreisepapiere für sie zu beschaffen. Während einer USA-Tournee Anfang 1940 erfuhren die Harmonists, dass eine Rückreise per Schiff nach Europa oder Australien wegen des U-Boot-Krieges nicht mehr möglich war. Sie schlugen sich dann mühsam mit Auftritten auf kleinen Bühnen und in Nachtclubs durch. Im März 1941 erfuhr Roman Cycowski, dass sein Vater im Ghetto von Lodz ermordet worden war. Er erinnerte sich daran, dass er ihm das Versprechen gegeben hatte, Kantor zu werden, und verließ die Gruppe im Mai 1941.
Dies war gleichzeitig das Ende der Comedian Harmonists.
1942 nahm er eine Kantorenstelle in Los Angeles an. Während des Krieges gestaltete er Gottesdienste für jüdische Soldaten in den US-Streitkräften, die per Radio nach Europa übertragen wurden. Nach dem Krieg erfuhr er, dass alle seine Angehörigen bis auf eine Schwester in Auschwitz umgekommen waren.
1947 wurde Roman Cycowski Kantor der Beth-Israel-Synagoge in San Francisco. Von seinen zahlreichen Fernsehauftritten ist unter anderem eine Aufnahme aus dem Jahr 1955 erhalten geblieben. 1960 wurde das Oratorium „Queen Esther“ in San Francisco uraufgeführt, das Cycowski aus Anlass des 100. Geburtstags der Gemeinde Beth Israel bei dem Komponisten Marc Lavry in Auftrag gegeben hatte. Er selbst sang darin die Rolle des Mordecai.
Nach seiner Pensionierung zogen Roman und Maria (die sich nun Mary nannte) 1971 nach Palm Springs. Doch auch hier setzte er sich nicht zur Ruhe, sondern wirkte bis 1991 als Kantor der dortigen Synagoge. Er war einer der einflussreichsten und bekanntesten Kantoren in den Vereinigten Staaten.
In den 1970er Jahren unternahm Roman Cycowski mit seiner Frau zahlreiche Reisen, darunter auch regelmäßige Erholungsreisen nach Baden-Baden.
Roman Cycowski erlebte das Comeback der Comedian Harmonists auf Schallplatten in den 70er- Jahren. 1979 erhielten sie den deutschen Schallplattenpreis und 1998 den Echo für ihr Lebenswerk. Anfang Januar 1976 wurde Roman Cycowski von Eberhard Fechner für seine Dokumentation über die Comedian Harmonists interviewt. 1977 sah er nach 42 Jahren seine früheren Kollegen Robert Biberti und Erwin Bootz in Berlin wieder.
Für die Vorbereitung von Joseph Vilsmaiers Kinofilm über die Comedian Harmonists im Jahr 1997 sprach Roman Cycowski mit dem Regisseur, gab ein Interview für das „Making of“ zum Film und war schließlich das einzige ehemalige Mitglied der Gruppe, das diesen Film noch erlebte. Darin wird seine Rolle von Heino Ferch verkörpert. Zur Filmpremiere konnte Roman Cycowski aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr nach Deutschland kommen. Er starb am 9. November 1998 im Alter von 97 Jahren und wurde im Desert Memorial Park in Palm Springs beigesetzt.
Als einzigem der ins Exil gezwungenen jüdischen Mitglieder der Comedian Harmonists war es ihm gelungen, sich im Exil eine Existenz als Musiker aufzubauen.
Recherche und Text: Martina Wunsch
Quellen und Literatur:
- Broody in:http://www.comedian-harmonists.net/?page_id=491
- Czada, Peter, Günter Große: Comedian Harmonists. Ein Vokalensemble erobert die Welt.
Berlin 1993/1998.
- Fechner, Eberhard: Die Comedian Harmonists. Sechs Lebensläufe. München 1988.
- Friedman, Douglas E.: The Comedian Harmonists. The Last Great Jewish Performers in Nazi
Germany. West Long Branch 2010.