Stolperstein Bundesallee 202 (früher Kaiserallee 202)

Der Stolperstein für Dr. Hans Landsberger wurde am 24. Juni 2023 verlegt und von Peter Adam gespendet.

Stolperstein Dr. Hans Landsberger

Stolperstein Dr. Hans Landsberger

HIER WOHNTE
DR. HANS
LANDSBERGER
JG. 1890
FLUCHT 1933 SPANIEN
1936 FRANKREICH
INTERNIERT 1941
GURS
ERMORDET 8.1.1941

Hans Landsberger wurde am 20. August 1890 in Berlin geboren. Seine Eltern waren der Kaufmann Eduard (Edmund) Landsberger (geb. 1. April 1855 in Berlin, gest. 8. März 1926 in Berlin) und Rosalie (Rause) Rose (geb. 29. Oktober 1858 in Königsberg, Ostpreußen, verst. 25. Juni 1932 in Berlin). Nach dem Abitur 1909 studierte er vier Semester Musikgeschichte an der Berliner Universität. Im Sommersemester 1914 setzte er das Studium an der Universität Rostock fort. Parallel bereitete er sich am privaten „Konservatorium der Musik Klindworth-Scharwenka“ in Berlin auf eine Tätigkeit als Kapellmeister vor. Seit 1912 war er als Kapellmeister und Korrepetitor u.a. in Rostock und Elberfeld tätig. Seit 1913 leistete er parallel zum Studium seinen Wehrdienst in Rostock ab, zog 1914 in den Ersten Weltkrieg und geriet schon im September 1914 für 26 Monate in französische Kriegsgefangenschaft. Nach erneuter Kapellmeistertätigkeit in Elberfeld immatrikulierte er sich im Wintersemester 1919/20 wieder an der Universität Rostock und schloss das Promotionsverfahren im März 1920 mit einer Dissertation über „Die weltlichen Kantaten G. Ph. Telemans [sic!]“ ab.

Seit 1920 komponierte er die Musik zu mehreren Stummfilmen: Im Oktober 1920 wurde der Stummfilm »Der Golem, wie er in die Welt kam« (Paul Wegener) uraufgeführt. Es folgten weitere große Orchestermusiken für »Anna Boleyn« (Ernst Lubitsch) und 1921 für »Die Verschwörung von Genua« und »Die Hintertreppe« (beide von Paul Leni). Im Mai 1921 beendete er die Musik zu einer Pantomime zu »Der goldene Gott« von Rudolph Lothar. Abgesehen von der kürzlich wiederentdeckten Musik zum „Golem“ und einer Gelegenheitskomposition, einem „Film-Tango“ mit der launigen Überschrift „Bitte langsam drehen!“ gelten sämtliche Kompositionen als verschollen.

Am 15. Mai 1920 heiratete Landsberger in Berlin Olga Jacob, die Tochter eines hochrangigen Managers der Ufa. Die Ehe wurde 1930 geschieden. Landsberger war in der Folgezeit als Filmmanager bei der Ufa, der Paramount Filmgesellschaft und anderen Filmgesellschaften sowie als Kinodirektor tätig. 1933 musste er aufgrund seiner jüdischen Herkunft Deutschland verlassen. Er emigrierte zunächst nach Barcelona, wo er stellvertretender Direktor der Paramount Filmgesellschaft war. Mit Ausbruch des spanischen Bürgerkrieges im Juli 1936 floh Landsberger nach Südfrankreich.

Noch in Barcelona hatte er seine zweite Ehefrau kennengelernt. Margarete Luise Hirschland (geb. am 18. Februar 1906 in Essen) war mit ihrem Ehemann Gerhard Schayer und der achtjährigen Tochter Gerda aus Essen emigriert. Die Ehe wurde 1937 geschieden. Gerhard Schayer emigrierte gemeinsam mit der Tochter nach Brasilien. Hans Landsberger und Margarete Schayer heirateten am 16. November 1937 in Paris. Um sich eine neue Existenz aufzubauen, pachtete das Ehepaar 1939 unter Umgehung des Arbeitsverbots für Emigranten eine Pension in Cagnes-sur-Mer. Mit Kriegsausbruch wurde Hans Landsberger im Lager Les Milles bei Aix-en-Provence interniert. Nach zwischenzeitlicher Freilassung am 12. Dezember 1939 erfolgte nach dem deutschen Angriff auf Frankreich am 23. Mai 1940 erneut eine Internierung in Les Milles. Mitte September wurde er von dort oder über eine Zwischenstation ins Lager Gurs in den Pyrenäen deportiert. Die Sterblichkeit in dem Lager war aufgrund der desaströsen Lebensbedingungen hoch. Hans Landsberger verstarb am 08. Januar 1941 im Lagerkrankenhaus. Seine zweite Ehefrau überlebte unter schwierigsten Bedingungen in einem Versteck in Juan-les-Pins.

Auch Landsbergers geschiedene Ehefrau sowie deren Verwandte gingen nach Frankreich ins Exil. Olga Jacob, geschiedene Landsberger (geb. 24. August 1897 in Witten) wurde im August 1942 von Nizza aus über das Lager Drancy nach Auschwitz deportiert. Ihr Bruder Walter Jacob wurde am 23. März 1943 mit dem Konvoy Nr. 52 vom Lager Drancy aus nach Sobibor verschleppt, die Eltern Josephine Jacob, geb. Gottschalk, und Sigmund Jacob wurden am 03. Februar 1944 mit dem Konvoy Nr. 67 vom Lager Drancy nach Auschwitz deportiert. Sämtliche Familienmitglieder kamen um.

Landsbergers einzige Schwester Hedwig (geb. 25. Mai 1883 in Berlin) starb am 14. Januar 1940 in Berlin. Ihr jüngerer Sohn, Gerhard Hans Günter Adam, überlebte in Belgien. Er kehrte später nach Deutschland zurück und verstarb am 28. Mai 1986. Der ältere Sohn, Herbert Wolfgang Adam (geb. 6. Oktober 1903 in Berlin, gest. 9. November 1939 in Buchenwald), geriet als jüdischer Homosexueller in die Fänge des NS-Regimes. Vom 30. Oktober 1937 bis zum 16. September 1938 war er im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Von dort aus wurde er im September 1938 in das Konzentrationslager Buchenwald verlegt. Hier kam er am 9. November 1939 ums Leben.

Recherche und Text: Dr. Barbara Elkeles

Quellen:
Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studierenden der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, WH 1909/10 bis SH 1914
Universitätsarchiv Rostock 1.09.0, Studentenakte Hans Landsberger
Universitätsarchiv Rostock 2.01.3: 1919/27, Promotionsakte Hans Landsberger
Neuer Theater-Almanach für das Jahr 1913
Deutsches Bühnenjahrbuch 1919 – 1921
Karl-Heinz Friedrich, Petzow Relativ absolut, Norderstedt 2014
Hans Landsberger: Bitte langsam drehen. Film-Tango. In: Sport im Bild, Nr. 4, 28.01.1921, S. 132
Leo Baeck Institute Archives, Hirschland Bank and Family; AR 25638; Box: 1, Folder: 8
Archives Départementales des Alpes-Maritimes: Dossiers du service de la sûreté publique 136200. Hans Landsberger
Archives Départementales des Alpes Maritimes: 0616 W 0182, Préfecture des Alpes-Maritimes, Cabinet du préfet, 01.01.1940 – 31.12.1943, Camps d’internement. – Libération des ressortissants allemands: listes nominatives (1940)
Archives Départementales des Pyrénées Atlantiques: 72 W 36 Extrait des registres des décès/72 W 37 Bulletin de décès n 554
Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin Abt. 1: Entschädigungsakte Hans Landsberger, Nr. 265.444
Regierungspräsidium Düsseldorf, ZK 425 354, Entschädigungsakte Bosc, Margarete, geb. Hirschland, verwitwete Landsberger, geschiedene Schayer
Landesarchiv Duisburg Gerichte Rep. 0324, Landgericht Essen, Wiedergutmachung, Nr. 1578: Hirschland geb. Hirschland, Johanna; Weinberg geb. Hirschland, Helene; Bosc geb. Hirschland, Margarete ./. Multhaup, Hermann wg. Hausgrundstück, Essen, 1950.
Arolsen Archives: Individuelle Häftlingsunterlagen Herbert Adam – Konzentrationslager Buchenwald/ 1.1.5 01010503 oS.