In diesem Haus lebten auch die Schwestern Eva Kiwi, geb. Leiser, sowie Nanny und Regina Leiser. Alle drei wurden in Buk in der Nähe von Posen in der heutigen Woiwodschaft Großpolen geboren. Eva wurde, als erste der drei Schwestern, am 2. November 1867 geboren. Dann folgte Regina am 18. August 1869 und als dritte Nanny am 10. September 1873.
Als Hauptmieterin in der Witzlebenstraße 3 war in den Berliner Adressbüchern seit mindestens 1933 Regina Leiser eingetragen – noch 1940/1941 als Geschäftsinhaberin. Aufgrund des „Gesetzes über Mietverhältnisse mit Juden” vom 30. April 1939 wurden die drei Schwestern – wie so viele jüdische Menschen damals – zwangsweise aus ihrer Wohnung vertrieben. Dieses Gesetz hob den Mieterschutz für jüdische Menschen auf. Die amtliche Begründung lautete „dass es eine vertrauensvolle Hausgemeinschaft zwischen Deutschen und Juden nicht geben könne”. Die Schwestern wurden in ein sogenanntes „Judenhaus“ in der Kantstraße 33 eingewiesen, aus dem weit über 20 Menschen deportiert wurden.
Eva, Regina und Nanny Leiser mussten sich in dem von den Nazis als „Sammellager” missbrauchten Ersten Altenheim der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Großen Hamburger Straße 26 einfinden und wurden von dort mit dem sog. „24. Alterstransport” am 17. Juli 1942 – vermutlich vom Anhalter Bahnhof aus – in das Ghetto Theresienstadt deportiert. In der Transportliste wurden alle drei als “ledig” und “ohne Beruf” registriert, obwohl Eva mit einem Herrn Kiwi verheiratet gewesen und vermutlich Witwe war.
Eva Kiwi und Nanny Leiser wurden am 19. September 1942 von Theresienstadt weiter in das Vernichtungslager Treblinka verschleppt und – falls sie nicht schon auf dem Transport verstarben – vermutlich am Tag der Ankunft, am 21. September 1942, ermordet. Insgesamt befanden sich ca. 2000 Menschen in diesem Deportationszug mit der Bezeichnung „Transport BO, Zug Da 83“ Auf ihren Deportationsscheinen stand als Ziel „Nach Osten”. Nicht eine einzige Person der 2000 Menschen hat überlebt.
Regina Leiser muss den Abtransport ihrer Schwestern nach Treblinka noch miterlebt haben, denn sie verstarb dreieinhalb Monate später am 2. Januar 1943 im Ghetto Theresienstadt – laut Todesfallanzeige angeblich an einem “akuten Darmkatarrh”.
Man weiß aber heute, dass mit solchen Angaben häufig die eigentlichen Todesursachen – wie z. B. Hunger, Kälte, mangelnde medizinische Versorgung und Hygiene sowie die allgemein lebensfeindlichen Zustände im Ghetto Theresienstadt – verschleiert wurden.
Recherche und Text: Dr. David Parduhn und Dr. Christoph Baron
Quellen:
- Volkszählung v. 17.5.1939
- Berliner Gedenkbuch der FU
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Berliner Adressbücher
- Opferdatenbank Theresienstadt
- Deportationsliste: AT24-2.jpg (1298×887) (statistik-des-holocaust.de) Nrn 34-36
- Transports to Extinction: Holocaust (Shoah) Deportation Database (yadvashem.org)