Stolpersteine Fechnerstr. 6a (früher Walter-Fischer Str. 6)

Hausansicht Fechnerstr 6a

Hausansicht Fechnerstr 6a

Die Stolpersteine für Martha Ehrlich, Margarete, Martin und Ilse Arendt, Wolf Bernheim, Moritz Landecker und Berthold und Margarete Lewin wurden am 12. Mai 2023 verlegt und von Franziska Becker gespendet.

Die heutige Fechnerstraße hieß von 1890 bis 1937 Lauenburger Straße. Dann benannten die Nationalsozialisten sie um, um den SA-Mann Walter Fischer zu ehren, der bei einer bewaffneten Auseinandersetzung 1929 in der Wilmersdorfer Wegenerstraße ums Leben gekommen war. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Straßen mit faschistischer Namensgebung umbenannt. Die Walter-Fischer-Straße wurde 1947 zur Ehrung des Wilmersdorfer Malers Hanns Fechner (1860-1931) benannt.

Stolperstein Martha Ehrlich

Stolperstein Martha Ehrlich

HIER WOHNTE
MARTHA EHRLICH
GEB. HIRSCH
JG. 1870
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 6.2.1944

Martha Ehrlich, geb. Hirsch, erblickte am 30. Oktober 1870 in Zirke bei Posen das Licht der Welt. Sie war mit dem Kaufmann Louis Ehrlich verheiratet. Aus dieser Ehe ging die Tochter Margarete hervor, die 1895 in Arnswalde (Brandenburg) geboren wurde und 1919 den Weinhändler Martin Arendt heiratete.

Über Martha Ehrlichs Ehemann ist fast nichts bekannt. Im Berliner Adressbuch war er seit mindestens 1930 in der Pestalozzistraße 88 in Berlin-Charlottenburg verzeichnet. Er verstarb vermutlich 1933, denn ab 1934 war Martha Ehrlich als Witwe an dieser Adresse gemeldet. Sie war begütert und u.a. Eigentümerin eines großen Grundstücks in der Tegeler Straße 11/12 nahe dem zentral gelegenen Leopoldplatz im Stadtteil Berlin-Wedding. Dieses Grundstück hatte einen hohen Einheits- und Verkehrswert und war zwar mit Hypotheken belastet, erzielte jedoch gute Erträge.

Zu Beginn der Deportationen 1941/1942 gab Martha Ehrlich ihre elegant-gutbürgerlich eingerichtete 5-Zimmer-Wohnung in der Pestalozzistraße 88 auf, verschenkte und verschleuderte die Wohnungseinrichtung, da sie in dieser schweren Zeit ihre Familie um sich haben wollte. Sie zog zu ihrer Tochter Margarete Arendt, die mit ihrem Mann Martin und der Enkeltochter Ilse in der Wilmersdorfer Walter-Fischer-Str. 6 wohnte.

In der Vermögenserklärung vom 22.9.1942, die Martha Ehrlich – wie alle jüdischen Menschen – vor der Deportation abgeben musste, waren die Immobilien bereits nicht mehr verzeichnet. Sie wurden offenbar unverzüglich nach ihrem Umzug in die Walter-Fischer-Straße als „staatsfeindliches Vermögen” zugunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmt und die Erträge an die Vermögensverwertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg überwiesen.

Martha Ehrlich musste sich gemeinsam mit ihrer Tochter Margarete Arendt im von den Nationalsozialisten als „Sammellager” missbrauchten Ersten Altenheim der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Großen Hamburger Straße 26 einfinden. Am 3. Oktober 1942 wurde sie mit dem sogenannten „3. Großen Alterstransport” mit über 1000 jüdischen Berlinerinnen und Berlinern in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Das Gedenkbuch des Bundesarchivs gibt als Todesdatum den 6. Februar.1944 an: „für tot erklärt“. Dokumente dazu gibt es in der Opferdatenbank Theresienstadt nicht.

Recherche und Text: Lorena Endler

Quellen:
- Berliner Adressbücher
- Volkszählung v. 17.5.1939
- Bundesarchiv, Gedenkbuch der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Terrorherrschaft 1933-1945, mit Deportationschronologie.
- Berliner Gedenkbuch, Freie Universität Berlin, Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche Forschung, Gedenkbuch der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Ihre Namen mögen nie vergessen werden. Edition Hentrich, 1995.
- Vermögensverzeichnis Bestand Rep. 36 A (OFP Berlin-Brandenburg), für Margarete Arendt geb. Ehrlich und Martha Ehrlich geb. Hirsch; OPF Aktennummer: 05205_3/18601
- Entschädigungsamt Berlin, Reg 57590, Martha Ehrlich geb. Hirsch

Stolperstein Margarete Arendt

Stolperstein Margarete Arendt

HIER WOHNTE
MARGARETE ARENDT
GEB. EHRLICH
JG. 1895
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 4.9.1943

Margarete Arendt wurde am 26. August 1895 in Arnswalde (Brandenburg) als Tochter von Louis und Martha Ehrlich in eine jüdische Kaufmannsfamilie geboren. In Berlin heiratete sie am 27. August 1919 den Geschäftsmann Martin Arendt, der gemeinsam mit seiner Mutter eine gutgehende Weinhandlung in der Krausenstr. 41 in Berlin-Mitte führte.

Das Ehepaar bezog eine große Wohnung in der Landhausstraße in Berlin-Wilmersdorf, in der die Tochter Ilse am 18. September 1920 geboren wurde. Später zog die Familie in die Walter-Fischer-Straße 6 in Wilmersdorf um, wo sie auch Margaretes Mutter Martha Ehrlich aufnahmen. Diese Wohnung war eine gutbürgerliche 5-Zimmer-Wohnung mit Warmwasserheizung, Balkon, Lift, Bad und Mädchenkammer. Ab 1941/1942 mussten die Arendts zwei Zimmer „untervermieten”, d.h. für aus ihren angestammtem Wohnungen vertriebene jüdische Menschen zur Verfügung stellen. Die Walter-Fischer-Straße 6 war die letzte selbst gewählte Adresse der Familie Arendt vor der Deportation.

Margarete Arendts Ehemann Martin, der von 1939 bis 1942 Zwangsarbeit leisten musste, wurde ab Mai 1942 im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert und am 7. Oktober 1942 in der Tötungsstätte Bernburg/Saale ermordet. Die Nachricht von seinem Tod erreichte Margarete nicht mehr, denn sie wurde am 3. Oktober 1942 gemeinsam mit ihrer Mutter Martha Ehrlich mit dem sogenannten „3. Großen Alterstransport” in das Ghetto Theresienstadt deportiert.

Auch Margarete Arendt hatte am 22.9.1942, als sie sich vermutlich bereits im von den Nationalsozialisten als „Sammellager” missbrauchten Ersten Altenheim der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Großen Hamburger Straße 26 befand, ein „Vermögensverzeichnis” erstellen müssen. Dabei vermerkte sie ausdrücklich, dass sie die gesamte Wohnungseinrichtung nebst Inventar 1938 ihrer Tochter Ilse als Heiratsgut übereignet hatte. Das Vermögen der Familie Arendt wurde aufgrund des „Erlass über die Verwertung des eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden” vom 29.5.1941 als „staatsfeindliches Vermögen” zugunsten des Deutschen Reichs eingezogen. Die entsprechende Verfügung wurde Margarete Arendt am 2. Oktober.42 – also einen Tag vor ihrer Deportation – eigenhändig zugestellt. Die Wohnung wurde geräumt und am 18.2.1943 „zur Vermietung freigegeben”.

Todesfallanzeige Margarete Arendt

Margarete Arendt starb am 4. September 1943 in der Krankenstation des Ghettos Theresienstadt. Die Todesfallanzeige nennt als Todesursache eine „Mundbodenphlegmone, Kreislaufstörungen und Pellagra”.

Man weiß heute, dass in den Todesfallanzeigen häufig die wahren Todesursachen wie Hunger, fehlende medizinische Versorgung, mangelnde Hygiene sowie die allgemein menschenunwürdigen und lebensfeindlichen Bedingungen im Ghetto verschleiert wurden. Dass für Margarete Arendt auch „Pellagra”, eine auf Mangelernährung zurückzuführende tödliche Krankheit, genannt wurde, ist ein seltener Fall von Ehrlichkeit.

Recherche und Text: Lorena Endler

Quellen:
- Volkszählung vom 17.5.1939
- Berliner Adressbücher
- Vermögensverzeichnis Bestand Rep. 36 A (OFP Berlin-Brandenburg), für Margarete Arendt geb. Ehrlich und Martha Ehrlich geb. Hirsch; OPF Aktennummer: 05205_3/18601
- Entschädigungsamt Berlin, Reg 57590, Martha Ehrlich geb. Hirsch
- Entschädigungsamt Berlin, Reg 54276, Martin Arendt und Margarete Arendt geb. Ehrlich
- Todesfallanzeige, Margarete Arendt geb. Ehrlich, Theresienstadt, Ghetto
- Bundesarchiv, Gedenkbuch der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Terrorherrschaft 1933-1945, mit Deportationschronologie.
- Berliner Gedenkbuch, Freie Universität Berlin, Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche Forschung, Gedenkbuch der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus. Ihre Namen mögen nie vergessen werden. Edition Hentrich, 1995.

Stolperstein Martin Arendt

Stolperstein Martin Arendt

HIER WOHNTE
MARTIN ARENDT
JG. 1883
VERHAFTET 27.5.1942
SACHSENHAUSEN
´VERLEGT` 5.10.1942
BERNBURG
ERMORDET 7.10.1942

Martin Arendt wurde am 16. Juli 1883 in Bad Polzin, Belgard / Pommern, als Sohn von Abraham Adolf Arendt und seiner Frau Luise, geb. Dobryznski, in eine jüdische Kaufmannsfamilie hineingeboren.

Die Familie betrieb in Berlin-Mitte einen Wein-Großhandel, die „Allgemeine Wein- und Spirituosen-Vertriebs-GmbH”, Krausenstraße 41. Martin Arendt erlernte den Beruf des Destillateurs und arbeitete im elterlichen Geschäft mit. Die Firma wurde zunächst von seinem Vater Abraham Adolf Arendt geführt. 1912 übernahm Martin Arendt die Geschäftsführung und leitete die Weinhandlung gemeinsam mit seiner Mutter Luise Arendt
Die Weinhandlung erwirtschaftete gute Umsätze – es wurden große Mengen von Rhein-, Mosel- und Burgunderweinen, Sekt und Liköre umgesetzt.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 ging der Warenabsatz der Weinhandlung zurück, da jüdische Firmen systematisch boykottiert und ausgegrenzt wurden. Die Lieferketten und Umsätze brachen zunehmend weg und Kunden kamen nicht mehr. Die Firma geriet infolgedessen in Zahlungsschwierigkeiten und wurde gepfändet. Sie wurde einem neuen – natürlich nicht-jüdischen – Inhaber übereignet, der Martin Arendt Ende 1938 entließ.

Martin Arendt hatte am 27. August 1919 Margarete Ehrlich aus Arnswalde geheiratet und war mit ihr in eine komfortable Wohnung im Vorderhaus der Landhausstraße 36 in Berlin-Wilmersdorf gezogen. Hier wurde ihre Tochter Ilse am 18. September.1920 geboren. Später zog die Familie in die Walter-Fischer-Straße 6 um. Diese Wohnung war gutbürgerlich eingerichtet mit Musikzimmer, Bechstein-Flügel und Perserteppichen in allen Räumen.
Von 1939 bis 1942 wurde Martin Arendt zu schwerer Zwangsarbeit bei den Firmen AEG und Siemens & Halske in Berlin verpflichtet und am 27. Mai 1942 aufgrund eines polizeilichen Sondererlasses im Konzentrationslager Sachsenhausen inhaftiert – mit der Häftlingsnummer 42608. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich zunehmend, da Misshandlungen, Mangelernährung, fehlende medizinische Versorgung und katastrophale hygienische Verhältnisse an der Tagesordnung waren.
Am 5. Oktober 1942 wurde er mit einem „Krankentransport” unter dem Tarnnamen „Kräutergarten“ in die Tötungsanstalt Bernburg/Saale verbracht, wo er am 7. Oktober 1942 im Rahmen des Euthanasieprogramms T4 ermordet wurde. Das Standesamt Oranienburg gab in der Sterbeurkunde als Sterbeort das Konzentrationslager Sachsenhausen an, um die wahre Todesursache zu verschleiern.

Todesbescheinigung Martin Arendt

Diese Angaben waren gefälscht, denn Martin Arendt verstarb nicht im Krankenhaus des KZ Sachsenhausen, sondern wurde Opfer der Krankenmordaktion „14f13“ in der T4-Tötungsanstalt Bernburg/Saale. Die Nachricht vom Tod ihres Mannes erreichte Margarete Arendt nicht mehr, da sie bereits gemeinsam mit ihrer Mutter Martha Ehrlich geb. Hirsch am 3. Oktober 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert worden war.

Recherche und Text: Lorena Endler

Quellen:
- Jüdisches Adressbuch für Groß-Berlin 1929/30 sowie 1931
- Berliner Adressbücher
- Bundesarchiv, Gedenkbuch der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945,
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam-Golm; Bestand: Rep. 36A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II) [OFP]; Akteneinsicht in das Vermögens-verzeichnis der „Vermögensverwertungsstelle“ des OFP zu Margarete Arendt, Aktennummer 874.
- Totenbuch Konzentrationslager Sachsenhausen, 1936-1945,
- Archiv der Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen,
- Entschädigungsamt Berlin; Entschädigungsakte des Ehepaars Martin und Margarete Arendt geb. Ehrlich (Reg. 54276)

Stolperstein Ilse Arendt

Stolperstein Ilse Arendt

HIER WOHNTE
ILSE ARENDT
VERH. GUTSTEIN
JG. 1920
AB FEB. 1943
VERSTECKT GELEBT
FLUCHT 1943
SCHWEIZ

Ilse Arendt wurde als einzige Tochter des Ehepaares Martin und Margarete Arendt am 18. September 1920 in Berlin geboren. Damals lebte die Familie in der Landhausstraße 36 in Berlin-Wilmersdorf. Später zogen sie in die Walter-Fischer-Straße 6 a.

1926 wurde Ilse in die Privatschule Petel in der Pariser Straße eingeschult und besuchte von 1930-1937 das Lyzeum Cecilienschule am Nikolsburger Platz, in der sie wegen ihrer jüdischen Herkunft drangsaliert wurde. Daraufhin wechselte sie zum Joachimsthalschen Gymnasium, das sie mit dem Abschluss der 10. Klasse verließ. Ihren Berufswunsch, Journalistin zu werden, konnte sie nicht realisieren, da ihr als Jüdin Abitur und Studium aufgrund des „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen” vom 25. April 1933 verschlossen waren. Sie besuchte für einige Monate eine Handelsschule, um als Kontoristin arbeiten zu können.

Von 1937 bis 1941 arbeitete sie bei der „Jüdischen Reichsvereinigung für Deutschland”, Abteilung Wanderung, in Berlin-Mitte, Artilleriestraße 31. Ab 1. März 1941 musste sie Zwangsarbeit in der Munitionsfabrik Butzke in Berlin SW 68 leisten, die sich im alten Berliner Zeitungsviertel an der Kreuzberger Kochstraße befand.

Als am 27.2.1943 bei einer Razzia des Reichssicherheitshauptamtes – der sog. „Fabrikaktion“ – in Berlin mehr als 1000 Jüdinnen und Juden an ihren Arbeitsplätzen verhaftet und eine Woche später nach Auschwitz deportiert wurden, konnte Ilse Arendt entkommen und tauchte in die Illegalität ab. Es gelang ihr, mit der Hilfe von Luise Meier und Josef Höfler am 1. November 1943 in die Schweiz zu flüchten. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges emigrierte sie nach Amerika. Sie ließ sich in New York nieder und wurde amerikanische Staatsbürgerin. Sie heiratete John F. Gutstein und bekam den Sohn Ralph Martin Gutstein.
Ilse Arendt, verh. Gutstein, überlebte den Holocaust als einziges Mitglied ihrer Familie.
Ab den 1950er Jahren stellte sie Entschädigungsanträge als Erbin ihrer ermordeten Eltern Martin und Margarete Arendt und ihrer Großmutter Martha Ehrlich. Es ging dabei sowohl um die Enteignung der väterlichen Weinhandlung, die Beschlagnahme und Einziehung der elterlichen Wohnung und Vermögenswerte wie auch um das Grundstück der Großmutter in Berlin-Wedding. Diese Verfahren liefen bis in die 1960er Jahre.
Ilse Gutstein geb. Arendt starb am 26. Januar 2013 in New York.

Recherche und Text: Lorena Endler

Quellen:
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam-Golm. (Vermögensverzeichnis Familie Arendt, Berlin-Wilmersdorf), Bestand Rep. 36a, Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg (II), Vermögensverwertungsstelle; Vorgang Nr. 874.
- Berliner Entschädigungsamt, Familie Arendt, Reg. 54276.
- Lebenslauf Ilse Gutstein geb. Arendt vom 02.07.1954, Reg 57632.
- Gedenkstätte Stille Helden, Berlin
- Joachim Neander: „Auschwitz und die Berliner „Fabrikaktion“ im Februar/März 1943“

Stolperstein Wolf Bernheim

Stolperstein Wolf Bernheim

HIER WOHNTE
WOLF BERNHEIM
JG. 1889
DEPORTIERT 18.10.1941
LODZ / LITZMANNSTADT
ERMORDET 24.4.1942

Wolf Bernheim wurde am 19. Dezember 1889 in Baiertal bei Wiesloch in Baden in ein jüdisches Elternhaus geboren. Über seine Eltern und seinen Lebensweg war fast nichts herauszufinden.
Bei der Volkszählung vom 17.5.1939 war er in der Walter-Fischer-Straße 6 registriert. In den Berliner Adressbüchern war er allerdings nicht zu finden, wohl aber Frau Gertrud Bernheim, die seine Schwägerin war. Wolf Bernheim hatte nämlich einen Bruder Jacob (auch Jakob) (27.12.1884 Baiertal, gest. April 1974), der mit seiner nicht-jüdischen Frau Gertrud geb. Kautz (*21.10.1895 Berlin, gest. März 1982 USA) und dem als „Halbjude” geltenden Sohn Wolfgang ( 5.5.1926 Berlin) in der Walter-Fischer-Str. 6 gemeldet war. Aus Dokumenten beim Internationalen Suchdienst Arolsen geht hervor, dass Wolf Bernheims Bruder Jacob Ende 1939 bereits in die Schweiz geflohen war, während seine Frau mit dem kleinen Sohn noch in Berlin lebte. Die Familie floh am 20. April 1940 mit dem Dampfschiff „SS Washington“ von Genua aus in die USA.
In den Akten des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg fand sich zu Wolf Bernheim
lediglich eine Karteikarte der „Vermögensverwertungsstelle“, auf der sich Vermerke aus der Nachkriegszeit befinden. Es stellte sich hierbei heraus, dass bereits zu dieser Zeit keine Unterlagen mehr zu Wolf Bernheim vorlagen, auch kein Vermögensverzeichnis.
Auf dieser amtlichen Karteikarte wurde Bernheims letzte inländische Adresse mit Walter-Fischer-Str. 13 bei Bab geführt. Arthur Bab war Kaufmann und wurde in den Adressbüchern mit der Anschrift Walter-Fischer-Str. 13, Wilmersdorf, gelistet.
Auch im Archiv des Internationalen Suchdienstes Arolsen (ITS Arolsen) fanden sich zwei Dokumente mit identischen Angaben, von denen eines allerdings wieder durchgestrichen wurde.
Es ist anzunehmen, dass es sich bei der Adresse von Wolf Bernheim in der Walter-Fischer-Str. 13 bei Bab um eine ihm amtlich zugewiesene Unterkunft handelte und nicht um seine letzte selbst gewählte Anschrift vor der Deportation. Es ist davon auszugehen, dass er bis zur Flucht seiner Schwägerin Gertrud Anfang 1940, zuletzt freiwillig bei ihr und ihrem Sohn Wolfgang in der Walter-Fischer-Str. 6 wohnte.
Wolf Bernheim wurde mit dem sogenannten „1. Osttransport” vom Bahnhof Grunewald, Gleis 17, am 18. Oktober.1941 zusammen mit 1012 weiteren Berliner Jüdinnen und Juden in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz) deportiert, wo er am 24. April.1942 umgebracht wurde.
Mit diesem Transport begannen die systematischen Deportationen von über 55.000 jüdischen Menschen aus Berlin.

Recherche und Text: Lorena Endler

Quellen: - Volkszählung v. 17.5.1939 - Bundesarchiv Gedenkbuch - Brandenburgischen Landeshauptarchivs, Potsdam-Golm, Rep. 36A, Karteikarte . - Berliner Adressbücher - ITS Arolsen: DocID: 11265590 + 11222998 (WOLF BERNHEIM geb.1889) - ITS Arolsen: DocID: 12648557 (WOLFGANG BERNHEIM geb. 1926) - ITS Arolsen: Residentenliste, Familysearch
Stolperstein Moritz Landecker

Stolperstein Moritz Landecker

HIER WOHNTE
MORITZ LANDECKER
JG. 1888
DEPORTIERT 25.1.1942
RIGA
ERMORDET

Moritz Landecker wurde am 20. Februar 1888 in Kamin im damaligen Westpreußen, (heute Kamień in der Woiwodschaft Kujawien-Pommern), in ein jüdisches Elternhaus geboren. Nach einer kaufmännischen Lehre kam er 1906 nach Berlin und arbeitete als Handelsvertreter von Firmen. Er hatte ein gutes Einkommen.

1922 heiratete Moritz Landecker die nicht-jüdische Selma Dammann. 1932 machte er sich mit einem Textilgeschäft in Berlin-Mitte, Jerusalemer Str. 3-4, mit der Fertigung von Mänteln und Damenkostümen selbständig. Frau Landecker arbeitete in der Fertigungsabteilung mit. Sie war gelernte Schneiderin. Das Geschäft lief gut an und generierte hohe Umsätze.

Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus und den Nürnberger Gesetzen von 1935 nahm die Ausgrenzung jüdischer Unternehmen aus dem deutschen Wirtschaftsleben zu. Die Umsätze gingen zurück und Lieferketten brachen ein. Die Firma Landecker bediente Exportaufträge in Devisenverrechnung, sodass es gegen Moritz Landecker zu einem Strafprozess wegen Devisenvergehens kam, der auf einen Freispruch hinauslief.
Um das Geschäft zu retten, ließ sich das Ehepaar Landecker scheiden, um den jüdischen Einfluss aus ihrem Geschäft herauszuhalten. Die Textilfirma Landecker wurde Anfang 1938 handelsregisterlich auf Selma Landecker umgeschrieben.

Obwohl somit das Geschäft in Berlin-Mitte auf die „arische“ Frau Landecker übergegangen war, galt das Firmenvermögen bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung des Ehepaars Landecker am 22.12.1938 als „Judenvermögen“ und unterlag der „Judenvermögensabgabe”. Dies war ein Instrument der Ausgrenzung und Enteignung jüdischen Vermögens zugunsten des Deutschen Reichs, eine Sondersteuer für alle jüdischen Menschen mit einem Kapital von über 5000 RM. nach dem Stand zum 12.11.1938. Die Judenvermögensabgabe berechnete sich nach ¼ des Vermögens und war in Raten zu zahlen.

Moritz Landecker hatte zu diesem Zeitpunkt die „Judenvermögensabgabe” zu zahlen. Dazu zählten auch die Kosten der Pfändungen wegen der Sonderabgaben und Sicherstellungen, denn zur Zahlungssicherstellung wurde das handelsregisterlich eingetragene Firmenkapital gepfändet. Damit brach die zur Geschäftsführung notwendige Liquidität weg. Auch Bankkonten waren gepfändet. Selma Landecker erhielt einen Gewerbeschein und führte das Konfektionsgeschäft mit geringen Umsätzen weiter. Kurze Zeit später wurde ihr die Gewerbelizenz vom Reichswirtschaftsministerium wieder entzogen.

In der Zwischenzeit wurde Moritz Landecker zur Zwangsarbeit bei der Firma Siemens & Halske in Berlin verpflichtet. Er mietete ein möbliertes Zimmer bei dem Ehepaar Berthold und Margarete Lewin in der Walter-Fischer-Str. 6, um von seiner geschiedenen Frau getrennt zu leben. Diese Adresse war seine letzte selbst gewählte Anschrift vor der Deportation.

Moritz Landecker hinterliess ein Testament vom 23.01.1942 – datiert nur 2 Tage vor seiner Deportation – auf Selma Landecker geb. Dammann, seine „Ehefrau“. Dieses Testament wurde im Entschädigungsverfahren für rechtsungültig erklärt, da nach amtlicher Prüfung die Ehe von Moritz und Selma Landecker bereits am 22.12.1938 rechtskräftig geschieden war.

Moritz Landecker musste sich in der von den Nazis als „Sammellager” missbrauchten Synagoge in der Levetzowstr.7-8 in Moabit einfinden. Er wurde als „ledig” und „arbeitsfähig” registriert. Von dort wurde er mit vielen Leidensgenossen ca. 8 km durch die Stadt zum Güterbahnhof Grunewald getrieben und am 25. Januar 1942 vom Gleis 17 mit dem sog. „10. Osttransport” – zusammen mit 1000 weiteren jüdischen Berlinerinnen und Berlinern – nach Riga deportiert. Der Transport kam am 30. Januar 1942 auf dem Vorortbahnhof Riga-Skirotava an. Da das Ghetto Riga bereits geschlossen war, wurden die Menschen – soweit nicht bereits auf dem Transport verstorben waren – in den umliegenden Wäldern erschossen. Es gab nur 13 Überlebende. Das Amtsgericht Charlottenburg erklärte am 16.03.1953 Moritz Landecker mit Wirkung vom 8. Mai 1945 für tot.

Recherche und Text: Lorena Endler

Quellen:
- Volkszählung v. 17.5.1939
- Bundesarchiv, Gedenkbuch
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam-Golm; Bestand Rep 36,
- Entschädigungsbehörde Berlin, Reg. 13863
- Deportationsliste 10. Osttransport: OT10-55.jpg (1304×893) (statistik-des-holocaust.de) Nr. 803
- Alfred Gottwald, Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945 – eine kommentierte Chronologie. marixverlag, Wiesbaden 2005

Stolperstein Berthold Lewin

Stolperstein Berthold Lewin

HIER WOHNTE
BERTHOLD LEWIN
JG. 1879
DEPORTIERT 2.3.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Stolperstein Margarete Lewin

Stolperstein Margarete Lewin

HIER WOHNTE
MARGARETE LEWIN
GEB. FRAENKEL
JG. 1880
DEPORTIERT 2.3.1943
AUSCHWITZ
ERMORDET

Berthold Lewin wurde am 5. März 1879 in Frankfurt/Oder geboren. Seine Ehefrau Margarete Lewin, geborene Fraenkel, war am 28. Oktober 1880 in Pleschen in der damaligen preußischen Provinz Posen (heute Pleszew in der Woiwodschaft Großpolen) zur Welt gekommen. Das Ehepaar wohnte seit mindestens 1932 in Berlin-Wilmersdorf in der Laubenheimer Straße, die 1937 in Walter-Fischer-Straße umbenannt wurde. In der Walter-Fischer-Straße 6 waren sie bis einschließlich 1940 gemeldet. Berthold Lewins Beruf wurde als Schriftleiter angegeben, seit 1935 als Kaufmann. Es war eine gutbürgerliche Wohnadresse mit komfortablen Mietwohnungen, die über Warmwasser, Zentralheizung, Fahrstuhl, Bad und Balkon verfügten. Spätestens ab Mai 1939 wohnte Moritz Landecker bei den Lewins als Untermieter.

Über das Leben und Leiden des jüdischen Ehepaares Lewin war kaum etwas herauszufinden, denn im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam fand sich für Berthold und Margarete Lewin kein Vermögensverzeichnis. Auch im Landesarchiv Berlin, Entschädigungsbehörde, waren keine Akten nachweisbar.

Am 2. März.1943 wurde das Ehepaar Lewin mit dem sog. „32. Osttransport” zusammen mit über 1500 jüdischen Berlinerinnen und Berlinern sowie mehr als 200 weiteren Menschen aus anderen Orten vom Güterbahnhof Berlin-Moabit in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Dies war der zweite Transport der sog. „Fabrikaktion” mit der die noch in Rüstungsbetrieben eingesetzten Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen an ihren Arbeitsplätzen verhaftet und sofort deportiert wurden.
Ob auch die Lewins im Alter von über 60 Jahren zur Zwangsarbeit herangezogen worden waren, blieb unklar.
An welchem Tag Berthold und Margarete Lewin in Auschwitz ermordet wurden, war nicht zu klären.

Biografische Zusammenstellung
Recherche und Text: Lorena Endler
Weitere Quellen
• Volkszählung vom 17.5.1939
• Deportationsliste 32. Osttransport, 32. Osttransport (statistik-des-holocaust.de)

Berthold Lewin wurde am 5. März 1879 in Frankfurt/Oder geboren. Seine Ehefrau Margarete Lewin, geborene Fraenkel, war am 28. Oktober 1880 in Pleschen in der damaligen preußischen Provinz Posen (heute Pleszew in der Woiwodschaft Großpolen) zur Welt gekommen. Das Ehepaar wohnte seit mindestens 1932 in Berlin-Wilmersdorf in der Laubenheimer Straße, die 1937 in Walter-Fischer-Straße umbenannt wurde. In der Walter-Fischer-Straße 6 waren sie bis einschl. 1940 gemeldet. Berthold Lewins Beruf wurde als Schriftleiter angegeben, seit 1935 als Kaufmann. Es war eine gutbürgerliche Wohnadresse mit komfortablen Mietwohnungen, die über Warmwasser, Zentralheizung, Fahrstuhl, Bad und Balkon verfügten. Spätestens ab Mai 1939 wohnte Moritz Landecker bei den Lewins als Untermieter.

Über das Leben und Leiden des jüdischen Ehepaares Lewin war kaum etwas herauszufinden, denn im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam fand sich für Berthold und Margarete Lewin kein Vermögensverzeichnis. Auch im Landesarchiv Berlin, Entschädigungsbehörde, waren keine Akten nachweisbar.

Am 2. März.1943 wurde das Ehepaar Lewin mit dem sog. „32. Osttransport” zusammen mit über 1500 jüdischen Berlinerinnen und Berlinern sowie mehr als 200 weiteren Menschen aus anderen Orten vom Güterbahnhof Berlin-Moabit in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Dies war der zweite Transport der sog. „Fabrikaktion” mit der die noch in Rüstungsbetrieben eingesetzten Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen an ihren Arbeitsplätzen verhaftet und sofort deportiert wurden.
Ob auch die Lewins im Alter von über 60 Jahren zur Zwangsarbeit herangezogen worden waren, blieb unklar.

An welchem Tag Berthold und Margarete Lewin in Auschwitz ermordet wurden, war nicht zu klären.

Recherche und Text: Lorena Endler

Quellen:
- Volkszählung vom 17.5.1939
- Bundesarchiv, Gedenkbuch
- Berliner Adressbücher 1932-1940
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam-Golm; Bestand Rep 36
- Entschädigungsbehörde Berlin
- Deportationsliste 32. Osttransport, 32. Osttransport (statistik-des-holocaust.de)