HIER WOHNTE
MORITZ LANDECKER
JG. 1888
DEPORTIERT 25.1.1942
RIGA
ERMORDET
Moritz Landecker wurde am 20. Februar 1888 in Kamin im damaligen Westpreußen, (heute Kamień in der Woiwodschaft Kujawien-Pommern), in ein jüdisches Elternhaus geboren. Nach einer kaufmännischen Lehre kam er 1906 nach Berlin und arbeitete als Handelsvertreter von Firmen. Er hatte ein gutes Einkommen.
1922 heiratete Moritz Landecker die nicht-jüdische Selma Dammann. 1932 machte er sich mit einem Textilgeschäft in Berlin-Mitte, Jerusalemer Str. 3-4, mit der Fertigung von Mänteln und Damenkostümen selbständig. Frau Landecker arbeitete in der Fertigungsabteilung mit. Sie war gelernte Schneiderin. Das Geschäft lief gut an und generierte hohe Umsätze.
Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus und den Nürnberger Gesetzen von 1935 nahm die Ausgrenzung jüdischer Unternehmen aus dem deutschen Wirtschaftsleben zu. Die Umsätze gingen zurück und Lieferketten brachen ein. Die Firma Landecker bediente Exportaufträge in Devisenverrechnung, sodass es gegen Moritz Landecker zu einem Strafprozess wegen Devisenvergehens kam, der auf einen Freispruch hinauslief.
Um das Geschäft zu retten, ließ sich das Ehepaar Landecker scheiden, um den jüdischen Einfluss aus ihrem Geschäft herauszuhalten. Die Textilfirma Landecker wurde Anfang 1938 handelsregisterlich auf Selma Landecker umgeschrieben.
Obwohl somit das Geschäft in Berlin-Mitte auf die „arische“ Frau Landecker übergegangen war, galt das Firmenvermögen bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung des Ehepaars Landecker am 22.12.1938 als „Judenvermögen“ und unterlag der „Judenvermögensabgabe”. Dies war ein Instrument der Ausgrenzung und Enteignung jüdischen Vermögens zugunsten des Deutschen Reichs, eine Sondersteuer für alle jüdischen Menschen mit einem Kapital von über 5000 RM. nach dem Stand zum 12.11.1938. Die Judenvermögensabgabe berechnete sich nach ¼ des Vermögens und war in Raten zu zahlen.
Moritz Landecker hatte zu diesem Zeitpunkt die „Judenvermögensabgabe” zu zahlen. Dazu zählten auch die Kosten der Pfändungen wegen der Sonderabgaben und Sicherstellungen, denn zur Zahlungssicherstellung wurde das handelsregisterlich eingetragene Firmenkapital gepfändet. Damit brach die zur Geschäftsführung notwendige Liquidität weg. Auch Bankkonten waren gepfändet. Selma Landecker erhielt einen Gewerbeschein und führte das Konfektionsgeschäft mit geringen Umsätzen weiter. Kurze Zeit später wurde ihr die Gewerbelizenz vom Reichswirtschaftsministerium wieder entzogen.
In der Zwischenzeit wurde Moritz Landecker zur Zwangsarbeit bei der Firma Siemens & Halske in Berlin verpflichtet. Er mietete ein möbliertes Zimmer bei dem Ehepaar Berthold und Margarete Lewin in der Walter-Fischer-Str. 6, um von seiner geschiedenen Frau getrennt zu leben. Diese Adresse war seine letzte selbst gewählte Anschrift vor der Deportation.
Moritz Landecker hinterliess ein Testament vom 23.01.1942 – datiert nur 2 Tage vor seiner Deportation – auf Selma Landecker geb. Dammann, seine „Ehefrau“. Dieses Testament wurde im Entschädigungsverfahren für rechtsungültig erklärt, da nach amtlicher Prüfung die Ehe von Moritz und Selma Landecker bereits am 22.12.1938 rechtskräftig geschieden war.
Moritz Landecker musste sich in der von den Nazis als „Sammellager” missbrauchten Synagoge in der Levetzowstr.7-8 in Moabit einfinden. Er wurde als „ledig” und „arbeitsfähig” registriert. Von dort wurde er mit vielen Leidensgenossen ca. 8 km durch die Stadt zum Güterbahnhof Grunewald getrieben und am 25. Januar 1942 vom Gleis 17 mit dem sog. „10. Osttransport” – zusammen mit 1000 weiteren jüdischen Berlinerinnen und Berlinern – nach Riga deportiert. Der Transport kam am 30. Januar 1942 auf dem Vorortbahnhof Riga-Skirotava an. Da das Ghetto Riga bereits geschlossen war, wurden die Menschen – soweit nicht bereits auf dem Transport verstorben waren – in den umliegenden Wäldern erschossen. Es gab nur 13 Überlebende. Das Amtsgericht Charlottenburg erklärte am 16.03.1953 Moritz Landecker mit Wirkung vom 8. Mai 1945 für tot.
Recherche und Text: Lorena Endler
Quellen:
- Volkszählung v. 17.5.1939
- Bundesarchiv, Gedenkbuch
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam-Golm; Bestand Rep 36,
- Entschädigungsbehörde Berlin, Reg. 13863
- Deportationsliste 10. Osttransport: OT10-55.jpg (1304×893) (statistik-des-holocaust.de) Nr. 803
- Alfred Gottwald, Diana Schulle: Die „Judendeportationen“ aus dem Deutschen Reich 1941-1945 – eine kommentierte Chronologie. marixverlag, Wiesbaden 2005