Stolpersteine Barbarossastraße 32

Diese Stolpersteine wurden am 7.10.2022 verlegt und von Dr. Barbara Pietsch und Jürgen Gramatzki gespendet.

HIER WOHNTE
HUGO MAYER
JG. 1870
FLUCHT 1938 BELGIEN
INTERNIERT MECHELEN
DEPORTIERT 12.9.1942
AUSCHWITZ
ERMORDET

Hugo Mayer wurde am 3. Mai 1870 in Bernkastel an der Mosel geboren. Er war das jüngste Kind von Leo und Marianne Mayer, die am 28. Oktober 1859 in Bernkastel geheiratet hatten und 1909 auf dem jüdischen Friedhof in Bernkastel beerdigt wurden.
Hugo Mayer heiratete am 17. November 1903 in Berlin Selma Mayer, geb. Giesenow. Sie lebten in einer Wohnung in der Barbarossastraße 32 in Berlin Wilmersdorf. Ihre Tochter Helene Mayer wurde am 9. Oktober 1904 in Berlin geboren.
Hugo Mayer war Kaufmann und besaß seit 1906 eine Metallwarenfabrik und Stanzerei, zunächst in der Oranienstraße 34. In den 1920er Jahren zog die „Metallwarenfabrik und Stanzerei Hugo Mayer“ in die Köpenickerstraße 114 in Berlin-Luisenstadt (heute Kreuzberg), sie war mit Datum 29.08.1928 im Handelsregister unter 91 HRA 72960 registriert. Hugo Mayer war Alleininhaber der Fabrik, die gepresste, gezogene, gestanzte Artikel unter Anwendung von Galvanisierung und Lötösenverzinnung herstellte sowie zunehmend Bau- und Zubehörteile für die aufstrebende Radio- und Funkindustrie.
Die Fabrik von Hugo Mayer umfasste einige 100 Quadratmeter und war für die damalige Zeit modern ausgestattet mit Werkzeug- und Fräsmaschinen sowie Drehbänken verschiedener Größen. Ein im Jahr 1926 erstmals erschienener Katalog umfasste ca. 750 Artikel für die Radio- und elektrische Industrie. Anfang der 30er Jahre waren über 80 Arbeiter sowie zahlreiche Angestellte im Büro beschäftigt. Die Kunden dieses weithin bekannten Spezialunternehmens unter Leitung von Hugo Mayer waren in Deutschland u.a. AEG, Siemens, Telefunken, Bosch, d.h., die Fabrik von Hugo Mayer war eine wichtige Zulieferfirma für die gesamte deutsche Radioindustrie. Darüber hinaus exportierte die Fabrik ihre Spezialprodukte auch in andere europäische Länder. Seine Ehefrau Selma Mayer war maßgeblich an der Fabrikleitung beteiligt. Sie erledigte kaufmännische Angelegenheiten eigenverantwortlich und hatte Prokura.
Ab 1933 waren Hugo und Selma Mayer als Juden sowie die Firma aufgrund der jüdischen Inhaberschaft zunehmend Schikanen durch die Nationalsozialisten ausgesetzt, so dass sich Hugo Mayer am 28. Juli 1936 gezwungen sah, die Fabrik zu verkaufen. Das Geld des Kaufpreises wurde vom Finanzamt Berlin-Schöneberg sofort gesperrt.
Die Tochter Helene Mayer emigrierte1936 ohne ihre Eltern nach Palästina, das heutige Israel. Hugo und Selma Mayer konnten sich eine Ausreise nach Palästina nicht vorstellen, da sie unüberwindbare Schwierigkeiten sahen, ihre Fabrik dort wieder aufzubauen. Stattdessen emigrierten sie 1938 als politische Flüchtlinge über Italien nach Brüssel, Belgien. Dort hoffte Hugo Mayer, eine neue Fabrik zu gründen. Er und seine Frau Selma wurden jedoch in Brüssel infolge der Besetzung durch die Nationalsozialisten festgenommen, weil sie Juden waren, und am 10. September 1942 zum Sammel-Lager in der Kaserne Dossin in Mechelen (Malines), Belgien, gebracht. Am 12. September 1942 wurden sie von den Nationalsozialisten vom Sammel-Lager mit dem Transport IX nach Koźle (Kozel), heute Polen, und von dort nach Auschwitz-Birkenau deportiert.
Es gibt keine Dokumente zum Tod von Hugo Mayer. Vom Amtsgericht Berlin-Schöneberg wurden Hugo und Selma Mayer mit Datum 21. Dezember 1942 für tot erklärt. Angesichts seines hohen Alters spricht vieles dafür, dass er – sollte er den Transport überlebt haben – direkt nach Ankunft in Auschwitz-Birkenau am 14. September 1942 ermordet wurde.

Recherche und Text: Dr. Evelyn Hagenah und Dr. Barbara Pietsch, Stolperstein-Initiative Tempelhof-Schöneberg

  • Hugo Mayer english

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HIER WOHNTE
SELMA MAYER
GEB. GIESENOW
JG. 1879
FLUCHT 1938 BELGIEN
INTERNIERT MECHELEN
DEPORTIERT 12.9.1942
AUSCHWITZ
ERMORDET

Selma Mayer, geb. Giesenow, wurde am 5. März 1879 in Schwerin geboren. Sie war die jüngste Tochter von Malvine Giesenow, geb. Ascher, und Meir Giesenow, die 1872 geheiratet hatten. Nach dem Tod ihres Ehemannes zog Malvine Giesenow nach Berlin, wo sie bis zu Ihrem Tod am 12. November 1910 lebte.
Selma Mayer, geb. Giesenow, heiratete am 17. November 1903 in Berlin Hugo Mayer. Sie lebten in einer Wohnung in der Barbarossastraße 32 in Berlin-Wilmersdorf. Ihre Tochter Helene Mayer wurde am 9. Oktober 1904 in Berlin geboren.
Ihr Ehemann Hugo Mayer war Kaufmann und besaß seit 1906 eine Metallwarenfabrik und Stanzerei, zunächst in der Oranienstraße 34, seit den 20er Jahren in der Köpenicker Straße 114 in Berlin-Luisenstadt (heute Kreuzberg). Die „Metallwarenfabrik und Stanzerei Hugo Mayer“ stellte gepresste, gezogene, gestanzte Artikel unter Anwendung von Galvanisierung und Lötösenverzinnung her sowie zunehmend Bau- und Zubehörteile für die aufstrebende Radio- und Funkindustrie. Es war ein weithin bekanntes Spezialunternehmen, das auch in europäische Länder exportierte.
Selma Mayer war maßgeblich an der Fabrikleitung beteiligt. Sie erledigte kaufmännische Angelegenheiten eigenverantwortlich und hatte Prokura. Zu ihren Aufgaben gehörte die Buchführung, Lohnabrechnung, Kundenwerbung und Auftragsentgegennahme. Sie verhandelte auch mit Banken.
Ab 1933 waren Selma und Hugo Mayer als Juden sowie ihre Firma aufgrund der jüdischen Inhaberschaft zunehmend Schikanen durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Hugo Mayer sah sich daher gezwungen, die Fabrik am 28. Juli 1936 zu verkaufen. Die Bezahlung des Kaufpreises wurde vom Finanzamt Berlin-Schöneberg sofort gesperrt.
Die Tochter Helene Mayer emigrierte 1936 ohne ihre Eltern nach Palästina. Hugo und Selma Mayer konnten sich eine Ausreise nach Palästina nicht vorstellen, da sie unüberwindbare Schwierigkeiten sahen, ihre Fabrik dort wieder aufzubauen. Stattdessen emigrierten sie 1938 als politische Flüchtlinge über Italien nach Brüssel, Belgien. Dort hofften Hugo Mayer und seine Frau, eine neue Fabrik zu gründen. Sie und ihr Ehemann Hugo Mayer wurden jedoch in Brüssel infolge der Besetzung durch die Nationalsozialisten festgenommen, weil sie Juden waren, und am 10. September 1942 zum Sammel-Lager in der Kaserne Dossin in Mechelen (Malines), Belgien, gebracht. Am 12. September 1942 wurden sie von den Nationalsozialisten vom Sammel-Lager mit dem Transport IX nach Koźle (Kozel), heute Polen, und von dort nach Auschwitz-Birkenau deportiert.
Es gibt keine Dokumente zum Tod von Selma Mayer. Vom Amtsgericht Berlin-Schöneberg wurden Selma und Hugo Mayer mit Datum 21. Dezember 1942 für tot erklärt. Angesichts ihres hohen Alters spricht vieles dafür, dass sie – sollte sie den Transport überlebt haben – direkt nach Ankunft in Auschwitz-Birkenau am 14. September 1942 ermordet wurde.
Recherche und Text: Dr. Evelyn Hagenah und Dr. Barbara Pietsch, Stolperstein-Initiative Tempelhof-Schöneberg

  • Selma Mayer english

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HIER WOHNTE
HELENE MAYER
VERH. GOLOMB
FLUCHT 1936
PALÄSTINA

Helene Mayer wurde am 9. Oktober 1904 in Berlin, Barbararossastraße 32, geboren. Sie war das einzige Kind von Selma Mayer, geb. Giesenow, und Hugo Mayer. Sie lebte mit ihren Eltern bis 1936 in der Barbarossastraße 32.
Helene Mayer wuchs in Berlin während der wilhelminischen Zeit auf. Am Ende des ersten Weltkrieges war sie 14 Jahre alt. In den 1920er Jahren machte sie den Führerschein, was für Frauen damals keinesfalls selbstverständlich war. Wenn man mit ihr über die 1920er Jahre in Berlin sprach, erwähnte sie oft die Theateraufführungen, die sie gerne besuchte. Aber sie interessierte sich auch für den Zionismus.
Ohne ihre Eltern verließ sie 1936 Deutschland über Italien und erreichte mit einem Touristenvisum das damalige britische Mandatsgebiet Palästina (heute Israel).
Der Vater von Helene Mayer, Hugo Mayer, war Kaufmann und besaß seit 1906 eine Metallwarenfabrik und Stanzerei, zunächst in der Oranienstraße 34, seit den 20er Jahren in der Köpenicker Straße 114 in Berlin-Luisenstadt (heute Kreuzberg). Die „Metallwarenfabrik und Stanzerei Hugo Mayer“ stellte gepresste, gezogene, gestanzte Artikel unter Anwendung von Galvanisierung und Lötösenverzinnung her sowie zunehmend Bau- und Zubehörteile für die aufstrebende Radio- und Funkindustrie. Es war ein weithin bekanntes Spezialunternehmen, das auch in europäische Länder exportierte.
Die Mutter von Helene Mayer, Selma Mayer, war maßgeblich an der Fabrikleitung beteiligt. Sie erledigte kaufmännische Angelegenheiten eigenverantwortlich und hatte Prokura. Zu ihren Aufgaben gehörte die Buchführung, Lohnabrechnung, Kundenwerbung und Auftragsentgegennahme. Sie verhandelte auch mit Banken.
Ab 1933 waren Selma und Hugo Mayer als Juden sowie ihre Firma aufgrund der jüdischen Inhaberschaft zunehmend Schikanen durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Hugo Mayer sah sich daher gezwungen, die Fabrik am 28. Juli1936 zu verkaufen. Die Bezahlung des Kaufpreises wurde vom Finanzamt Berlin-Schöneberg sofort gesperrt.
Nach der Einwanderung von Helene Mayer 1936 nach Palästina ließ sie sich in Tel Aviv nieder, wo sie 1937 Mordechai Max Golomb kennen lernte, der am 13. März 1897 in Lodz geboren wurde. Schon als kleines Kind zog er mit seinen Eltern und der Familie nach Würzburg, wo er aufwuchs. Max Golomb war Kaufmann in der Stahlindustrie und arbeitete bei Firmen in Deutschland, Frankreich, Süd-Afrika und Holland. 1934 entschloss er sich, nach Palästina auszuwandern, wo er Mitglied der Busgenossenschaft Darom Yehuda wurde, die 1950 mit Egged fusionierte.
Helene Mayer heiratete am 29. April 1937 Max Golomb in Tel Aviv. Sie lebten in einer Wohnung am Motzkin Blvd. Ihr Sohn Gabriel Menahem Golomb wurde am 18. September 1946 in Tel Aviv geboren.
Nach der Hochzeit von Helene und Max Golomb trafen sie auf ihrer Hochzeitsreise die Eltern von Helene, Hugo und Selma Mayer, in Rom, Italien. Sie wollten die Eltern davon überzeugen, ebenfalls nach Palästina zu kommen. Die Eltern Hugo und Selma Mayer konnten sich aber nicht vorstellen, nach Palästina zu gehen, da sie dort unüberwindliche Schwierigkeiten beim Wiederaufbau ihrer Fabrik sahen. Stattdessen emigrierten sie 1938 als politische Flüchtlinge über Italien nach Brüssel, Belgien. Dort hofften Selma und Hugo Mayer eine neue Fabrik gründen zu können. Helene korrespondierte mit ihren in Brüssel lebenden Eltern bis 1942. Danach hörte sie nichts mehr von ihnen.
Nach Ende des zweiten Weltkrieges 1945 erfuhr Helene, dass die Eltern in Brüssel – in Folge der Besetzung durch die Nationalsozialisten – verhaftet wurden, weil sie Juden waren. Am 10. September 1942 wurden sie in das Sammellager in der Dossin-Kaserne in Mechelen (Malines), Belgien, gebracht. Am 12. September 1942 wurden sie von dort mit dem Transport IX nach Koźle (Kozel), heute Polen, und von dort nach Auschwitz-Birkenau deportiert, wo sie ermordet wurden.
1950 zogen Helene und Max Golomb in die benachbarte Stadt Holon. Sie beherrschte die englische Sprache gut und las täglich die Jerusalem Post und Reader‘s Digest. Außerdem hatte sie eine Brieffreundin in Illinois, USA; mit der sie korrespondierte.
Nachdem sie erfahren hatte, dass ihre Eltern im Holocaust von den Nationalsozialisten ermordet worden waren, wollte sie keinen Kontakt mehr mit Deutschland haben. Doch 1979, nachdem sie eine Einladung vom Berliner Senat zu ihrem 75. Geburtstag bekommen hatte, beschloss sie, ihre ehemalige Heimatstadt wieder zu besuchen und herauszufinden, wie Deutschland zur damaligen Zeit aussah.
Von da an besuchte sie gerne den Schwarzwald und das Grab ihrer Großeltern, Leo und Marianne Mayer, in Bernkastel an der Mosel. Die Großeltern hatten am 28. Oktober 1859 in Bernkastel geheiratet und wurden 1909 dort auf dem jüdischen Friedhof bestattet.
Später, zwischen 1993 und 1998, lebte Helene fünf Jahre lang in Bad Godesberg, einer Stadt, die sie schon aus ihrer Kindheit von Besuchen bei einem Cousin kannte. Helene wohnte in Bad Godesberg zusammen mit ihrem Sohn Gabriel, der als Wirtschaftsattaché bei der israelischen Botschaft in Bonn arbeitet, und dessen Familie.
Im September 1989 kehrte sie mit ihrem Sohn und dessen Familie wieder nach Israel zurück. Sie starb am 26. März 1999 in Holon im Alter von 94 Jahren. Sie wurde neben ihrem 1981 verstorbenen Mann Max Golomb beigesetzt.
Recherche und Text: Dr. Evelyn Hagenah und Dr. Barbara Pietsch, Stolperstein-Initiative Tempelhof-Schöneberg

  • Helene Golomb geb. Mayer english

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