Stolpersteine Mommsenstraße 41

Hausansicht Mommsenstraße 41

Hausansicht Mommsenstraße 41

Die Stolpersteine für Familie Goldemann wurden am 24.3.2023 verlegt.

Stolperstein Victoria Goldemann

Stolperstein Victoria Goldemann

HIER WOHNTE
VICTORIA
GOLDEMANN
GEB.TISCHLER
JG. 1892
DEPORTIERT 10.1.1944
THERESIENSTADT
BEFREIT

Am 21. November 1892 wurde Victoria Tischler als Tochter des Kaufmanns Karl Tischler und seiner Ehefrau Olga, geb. Rieß in Berlin geboren.
Victoria hatte zwei Schwestern. Alle drei Mädchen wurden in den Jahren 1891 und 1892 geboren. Elisabeth kam am 30. Dezember 1891 auf die Welt. Sie starb 1918 im städtischen Krankenhaus zu Danzig. Margarethe, vermutlich 1891 geboren, wurde laut Sterbeurkunde nur 20 Jahre alt. Sie starb 1911 in Charlottenburg.
Victoria ergriff den Beruf einer Bankbeamtin und war noch in ihrem Beruf tätig, als sie am 9. August 1923 den Papiergroßhändler Werner Goldemann vor dem Charlottenburger Standesamt heiratete. Danach gab sie ihre Berufstätigkeit auf. Victoria wohnte damals noch bei ihrer Mutter in der Mommsenstraße 41, Werner bei seiner Mutter Sophie in der Fichtestraße 14 in Kreuzberg. Victorias Vater Karl Tischler war bereits 1899 im Alter von 52 Jahren in Pankow in der „Doctor Richter’schen Privat Irren Anstalt“ an einem Gehirnschlag verstorben.
Am 22. August 1924 wurde der einzige Sohn Hans–Peter geboren. Die Familie lebte bis 1937 zusammen mit Victorias Mutter in der 5-Zimmer – Wohnung in der Mommsenstraße.

Victoria Goldemann

Victoria Goldemann

Die Geschäfte ihres Mannes liefen ausgezeichnet und die Familie konnte bis 1933 in relativem Wohlstand leben.
Hans-Peter besuchte die Grundschule in der Sybelstraße; er sollte nach seinem Schulabschluss Betriebswirtschaft studieren, um später in die Firma seines Vaters einzutreten. Nach dem Ausschluss jüdischer Schüler aus den öffentlichen Schulen ging er auf die jüdische Josef-Lehmann-Schule in der Joachimsthaler Straße. Victoria beschreibt die darauffolgende Zeit als „Hölle“, denn sie und ihr Mann waren stetigen Verfolgungen und Verhören ausgesetzt. Ab 1942 wurden Victoria und Werner als Hilfsarbeiter zur Zwangsarbeit bei Osram herangezogen. Vorher verließ die Familie ihre vertraute Wohnung in der Mommsenstraße und zog in die Gustloffstraße 17 (heute Dernburgstraße), wo Olga Tischler 1938 starb. Nach der Schließung der Josef-Lehmann-Schule musste auch der 16-jährige Hans-Peter täglich zu einer chemischen Fabrik nach Niederschöneweide fahren, um dort 11 Stunden lang Kanister von einer Säure zu reinigen.
Im Januar 1943 beschlossen sie, in die Illegalität zu gehen. Was immer sie aus dem Haushalt mitnehmen konnten, packten sie ein. Victoria nähte ihren Schmuck in das Futter eines Mantels ein und in einem gesonderten Koffer wurden Silber- und andere Wertgegenstände untergebracht. Unter dem Namen „Holdemann“ ließen sich Victoria, Werner und Hans-Peter in einem abseits gelegenen Haus in Eggersdorf bei Strausberg nieder. Dort lebten sie vom 2. Februar 1943 an, in ständiger Angst enttarnt zu werden. Am 28. Oktober 1943 wurden sie durch einen jüdischen Verbindungsmann verraten und von der Gestapo verhaftet. Alle Sachen, die sie mitgenommen hatten, sowie Bargeld und der Koffer mit den Wertsachen verschwanden an Ort und Stelle. Die Familie wurde in das Polizeigefängnis in der Großen Hamburger Straße gebracht. Zunächst war geplant, sie sofort zu deportieren. Victoria, Werner und Hans-Peter standen schon mit den Nummern 19, 20 und 21 oben auf der Transportliste des 46. Osttransports für den 8. November 1943 nach Auschwitz. Sie wurden aber von der Liste gestrichen und stattdessen zu Zwangsarbeiten herangezogen. Berlin hatte einen schweren Bombenangriff erlebt und Victoria musste in der Kurfürstenstraße Trümmer beseitigen. Durch einen Schlag mit dem Gewehrkolben eines SS-Mannes gegen den Kopf verlor sie ihre Zähne und wurde langfristig taub. Danach musste sie täglich 10 Stunden lang überfüllte Latrinen reinigen.

Familiengrabstein auf dem Jüdischen Friedhof Weissensee

Familiengrabstein auf dem Jüdischen Friedhof Weissensee

Am 10. Januar 1944 wurde die Familie Goldemann mit dem 99. Alterstransport in das böhmische Ghetto Theresienstadt deportiert. Die ohnehin schwer verletzte Victoria erlitt durch einen Sturz im nächtlich dunklen Ghetto eine Knieverletzung, die nicht ausheilte.

„Ich leide noch bis heute unter den Nachwirkungen. So lag ich im K.Z. monatelang auf einem Strohsack im Freien auf der Erde, d. die Läger völlig überfüllt waren und verlaust und verwanzt. Daher rührt auch mein Rheuma und Ischias….“ schildert Victoria 1951 die Nachwirkungen der Haft in ihrem Antrag auf Entschädigung.

Am 29. September 1944 wurde die Familie endgültig getrennt. Hans-Peter wurde nach Auschwitz deportiert. Für diesen Transport wurden ausschließlich gesunde Männer unter 50 Jahren ausgesucht. Etwa 2 Wochen später, am 16. Oktober traf es Werner. Er wurde in Auschwitz vermutlich sofort nach Ankunft ermordet.
Victoria Goldemann überlebte die Qualen bis zur Befreiung des Ghettos Theresienstadt. Sie kehrte nach Berlin zurück, lebte die erste Zeit zur Untermiete unter verschiedenen Adressen und bezog dann eine eigene Wohnung in der Reichsstraße 86. Sie war offenbar sehr geschickt im Schneidern – auf der Transportliste wurde ihr Beruf mit Schneiderin angegeben – und beantragte in einem ihrer Entschädigungsanträgen u.a. Geld für eine Nähmaschine. Sie versuchte, sich eine neue Existenz durch Änderung und Ausbesserung von Damenkleidung aufzubauen.
Für ihre ermordeten Angehörigen ließ sie die Namen auf einem Familiengrabstein auf dem Jüdischen Friedhof Weissensee hinzufügen.
Hans-Peter, der von Auschwitz weiter nach Dachau deportiert worden war, starb am 17. Mai 1945 an den Folgen der Haft. Sein Leichnam wurde auf ihren Wunsch in München eingeäschert, die Urne auf dem jüdischen Friedhof Heerstraße beigesetzt.
Victoria Goldemann starb im Dezember 1969 in Berlin.

Für Hans–Peter Goldemann wurde 2012 ein Stolperstein vor dem Haus Trautenaustraße 5 verlegt. https://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/ueber-den-bezirk/geschichte/stolpersteine/artikel.179761.php

Recherche und Text: Karin Sievert Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf
Quellen:

Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz


Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Landesarchiv Berlin 

Arolsen Archiv
Mapping The Lives
Deportationslisten

Yad Vashem – Opferdatenbank


Stolperstein Werner Goldemann

Stolperstein Werner Goldemann

HIER WOHNTE
WERNER
GOLDEMANN
JG. 1893
DEPORTIERT 10.1.1944
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Am 18. August 1893 wurde Werner Goldemann in Berlin geboren. Seine Eltern waren Julius Goldemann und Sophie, geb. Jacob. Werner hatte einen drei Jahre älteren Bruder, Erwin, geb. am 20. Juni 1890. Julius Goldemann besaß damals schon zusammen mit seinem Bruder Nathan eine Papier- und Pappenfabrik an der Holzmarktstraße 67. Im Mai 1906 wurde Julius als Alleininhaber der Firma „Papier- und Pappen – Engros und Exportgeschäft Julius Goldemann“ ins Handelsregister eingetragen.
Werner besuchte in Berlin das Gymnasium und schloss es erfolgreich mit dem Abitur ab. Er trat anschließend als Volontär in die Firma seines Vaters ein.
Am 7. August 1913 ereignete sich ein alles veränderndes Familiendrama. Julius und sein ältester Sohn Erwin ertranken in der Ostsee bei Swinemünde. Die Ursache dieses Unglücks ist nicht bekannt. Erwin wurde am 8. August in der Nähe der Swinemünder Landungsbrücke tot im Meer gefunden, Julius’ Leiche fand man erst am 16. August in der Nähe des Seebades.
Sophie Goldemann wurde nun die Alleininhaberin der Papier- und Pappenfabrik.
Der seit der Firmengründung 1906 als Prokurist der Firma beschäftigte Gabriel von Perlheim trat 1916 als persönlich haftender Gesellschafter in das Geschäft ein. Die Firma zog um in die Alexanderstraße 22.
Am 25. Januar 1925 verstarb Werners Mutter Sophie im Alter von 54 Jahren. Werner wurde an ihrer Stelle zusammen mit Gabriel von Perlheim Inhaber der OHG. Seit 1920 war er bereits Prokurist der Firma gewesen.
Sein Privatleben hatte sich schon 1923 geändert. Im August 1923 heiratete er die Bankbeamtin Victoria Tischler und ein Jahr später kam der Sohn Hans-Peter auf die Welt. Die Familie zog von der Kreuzberger Fichtestraße 14 in die Mommsenstraße 41. Dort lebte die verwitwete Mutter Victorias, Olga Tischler, in einer großen 5-Zimmerwohnung.
Die Geschäfte der Papier- und Pappenfabrik liefen sehr gut. Die Firma beschäftigte mehrere Büroangestellte, 10 bis 12 Arbeiter und 6 bis 7 Handelsreisende. Die Waren wurden mit zwei Pferdefuhrwerken ausgeliefert und in den 1930er- Jahren leistete man sich ein Geschäftsauto. Zu den Großkunden der Firma „Julius Goldemann“ gehörte u.a. die Schokoladenfabrik Sarotti.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 brachen die Umsätze dramatisch ein, denn viele Kunden boykottierten den jüdischen Betrieb.
Werner Goldemann wurde von nun an unerträglichen Repressalien ausgesetzt. Mehrfach wurde er von der Gestapo verhört, sein Firmenwagen demoliert und schließlich – nach den Pogromen 1938 – seine Firma „arisiert“, d.h. weit unter Wert an einen nicht–jüdischen Besitzer veräußert.
1938 verließen sie wohl nicht ganz freiwillig die Wohnung in der Mommsenstraße 41 und zogen mit Victorias Mutter in die Gustloffstraße 17 (heute Dernburgstraße).
Ab 1942 musste Werner Zwangsarbeit leisten. Die Firma Osram in der Helmholtzstraße beschäftigte ihn und seine Frau Victoria für einen kargen Wochenlohn von je knapp 32 RM.
Ebenfalls 1942 wurde die jüdische Josef – Lehmann – Schule geschlossen. Der 16-jährige Hans-Peter musste von diesem Zeitpunkt an Zwangsarbeit in einer chemischen Fabrik in Niederschöneweide leisten. Nun beschloss die Familie, in die Illegalität zu gehen. Werner konnte sich noch mit Bargeld eindecken, die transportablen Wertgegenstände wurden in einem Koffer verstaut – er sollte später über die Niederlande nach Amerika verschifft werden. Die Goldemanns nahmen alles mit, was sie transportieren konnten und lebten von Februar 1943 bis Ende Oktober 1943 unter dem Namen Holdemann in einem abgelegenen Haus in Eggersdorf bei Strausberg. Nachdem ihre Flucht entdeckt worden war, wurde die Wohnung in der Gustloffstraße sofort versiegelt und das gesamte Inventar beschlagnahmt.
In Eggersdorf wurde ihre Identität verraten. In einem Auto herumfahrende Gestapo -Männer entdeckten und verhafteten sie. Das Bargeld in Höhe von 4000 RM, das Werner mitgenommen hatte, wanderte sofort in die Taschen der Gestapo. Hans- Peters Fahrrad, sein Fotoapparat, die Armbanduhren – alles wurde sofort beschlagnahmt und fortgeschafft.
Werner, Victoria und Hans-Peter kamen in das Polizeigefängnis in der Großen Hamburger Straße. Sie sollten ursprünglich sofort am 8. November 1943 nach Auschwitz deportiert werden und standen schon auf der Transportliste, wurden aber wieder gestrichen, offenbar brauchte man noch ihre Arbeitskraft für Aufräumarbeiten nach den Bombardierungen Berlins.
Am 10. Januar 1944 wurde die Familie zusammen nach Theresienstadt verschleppt. Hans-Peter wurde am 29. September1944 weiter nach Auschwitz deportiert, von dort am 10. Oktober nach Dachau. Er erlebte zwar die Befreiung, starb jedoch am 17. Mai 1945 an den Folgen der Haft. .
Werner Goldemann wurde am 16. Oktober 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz weiter deportiert. Sein Todeszeitpunkt ist nicht bekannt.
Victoria lebte unter den elenden Bedingungen des Ghettos Theresienstadt bis zur Befreiung im Mai 1945.

Recherche und Text: Karin Sievert Stolperstein Initiative Charlottenburg – Wilmersdorf
Quellen:

Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933 – 1945

Theresienstädter Gedenkbuch Holocaust.cz


Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Entschädigungsbehörde

Berliner Adressbücher – Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Landesarchiv Berlin 

Arolsen Archiv
Mapping The Lives
Deportationslisten

Yad Vashem – Opferdatenbank