HIER WOHNTE
GEORG BAUER
JG. 1893
DEPORTIERT 10.9.1943
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET 29.9.1944
Georg Bauer wurde am 13. Oktober 1893 als Sohn von Albert Bauer und seiner Ehefrau Lea geb. Callmann in Lauenburg in der damaligen preußischen Provinz Pommern (heute Lebork, województwo pomorskie) geboren. Er hatte einen drei Jahre jüngeren Bruder Siegfried. der mit seiner Frau Erna nach Frankreich fliehen konnte. In einer Eidesstattlichen Erklärung im Rahmen eines Entschädigungsverfahrens hat er den Werdegang seines Bruders Georg detailliert nachgezeichnet. Die Eidesstattliche Erklärung eines Berliner Freundes von Georg Bauer bestätigt und ergänzt diese Angaben.
Albert und Lea Bauer zogen mit ihren Söhnen Georg und Siegfried 1898/99 nach Berlin.
Georg besuchte nach der Volksschule ein Gymnasium und wechselte 1910 auf die Berufsschule Oranienstraße, um dort im Hinblick auf seinen späteren Beruf als Innenarchitekt die Gesellenprüfung als Tischler abzulegen. Seine erste Anstellung hatte er im Kunstgewerbehaus Friedmann & Weber.
Im Ersten Weltkrieg wurde Georg Bauer 1915 als Soldat eingezogen, mehrfach schwer verwundet und mit dem „Eisernen Kreuz” ausgezeichnet. Nach seiner Entlassung aus dem Militär war er in einem Möbelhaus in Essen/Ruhr in leitender Stellung tätig, bevor er wieder nach Berlin kam. Mitte der 20ger Jahre war er als Abteilungsleiter für Filmmöbel-Verleih bei der Firma Baruch – Theaterausstattung – in der Lindenstraße 44 beschäftigt und übernahm Ende der 20ger Jahre zusammen mit dem Firmenerben das Unternehmen – nun unter dem Namen G. Bauer & Co. – dessen Geschäftsführer er wurde. 1935 wurde er aufgrund der Nürnberger Rassegesetze als Geschäftsführer entlassen und seiner Firmenanteile beraubt.
Im Frühjahr 1931 heiratete Georg Bauer Nelly Moses, die am 17. September 1913 in Berlin das Licht der Welt erblickt hatte. Sie war von Beruf Stenotypistin. Am 22. Juni 1932 wurde der Sohn Hans-Joachim geboren. Die Familie Bauer lebte damals in der Dresselstraße 1 in einer dreieinhalb-Zimmer-Wohnung der Charlottenburger Baugenossenschaft eG. Sie beschäftigten ein Dienstmädchen und besaßen ein Auto, lebten also in wirtschaftlich guten Verhältnissen.
Um die Jahrhundertwende war der Genossenschaftsgedanke in der von Mietskasernen geprägten Stadt Berlin aufgekommen, in dem sich die soziale Utopie von gemeinschaftlichem Wohnen mit pragmatischem wirtschaftlichen Handeln verband. Die Charlottenburger Baugenossenschaft eG – üblicherweise als “Charlotte” bezeichnet – war 1907 fast ausschließlich von Angehörigen des Charlottenburger Magistrats gegründet worden und sicherte ihren Mitgliedern Schutz vor Kündigung und Mietspekulation sowie weitgehende Mitspracherechte. Der Geschäftsanteil jedes Mitglieds betrug 300 Mark und konnte in monatlichen Raten von drei – später sogar nur einer – Mark entrichtet werden. Heute befindet sich die Geschäftsstelle der „Charlotte” in der Dresselstraße 1.
Mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurden auch die Gremien der Baugenossenschaften gleichgeschaltet und bereits im April 1933 waren alle Funktionen in der „Charlotte” mit Mitgliedern der NSDAP besetzt. Die üblichen Feste und Gemeinschaftsveranstaltungen wurden nun streng im nationalsozialistischen Sinne ausgerichtet und jüdische Menschen davon ausgeschlossen. Ab 1938 wurden jüdische Genossenschaftsmitglieder systematisch ihrer Genossenschaftsanteile beraubt und aus ihrer Wohnung vertrieben.
Dies Schicksal traf auch die Familie Bauer. Nach Georgs Entlassung aus der Firma konnte sie ihren Lebensunterhalt nur noch von Erspartem bzw. vom Verkauf von Wertgegenständen bestreiten. 1939 mussten die Bauers ihre Wohnung in der Dresselstraße 1 zwangsweise verlassen. Sie kamen in der Münchener Straße 9 in Schöneberg bei Georgs Tante, Pauline Hecht geb. Callmann, unter – in äußerst beengten Verhältnissen. Von hier wurden Georg, Nelly und der erst elfjährige Hans-Joachim Bauer am 10. September 1943 mit dem sogenannten „96. Alterstransport” mit weiteren 60 jüdischen Berlinerinnen und Berlinern nach Theresienstadt deportiert. Am 29. September 1944 wurde Georg Bauer weiter nach Auschwitz verschleppt und dort unmittelbar nach der Ankunft ermordet. Seine Ehefrau Nelly und und der Sohn Hans-Joachim wurden gemeinsam am 4. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und ebenfalls ermordet.
Text: Gisela Morel-Tiemann auf der Grundlage von Angaben und Dokumenten der Angehörigen.
Quellen:
- Angaben der Angehörigen
- Berliner Gedenkbuch der FU
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Akten in der Entschädigungsbehörde Berlin
- Deportationsliste