Stolpersteine Schlüterstr. 26

Hausansicht Schlüterstr. 26

Hausansicht Schlüterstr. 26

Die Stolpersteine für Selma und Max Drucker wurden am 7. September 2022 verlegt.

Max und Selma Drucker

Max und Selma Drucker

  • Drucker, Max und Selma Schlüter 26 English version

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Stolperstein für Selma Drucker

Stolperstein für Selma Drucker

HIER WOHNTE
SELMA DRUCKER
GEB. GOLDSCHMIDT
JG. 1891
DEPORTIERT 6.3.1943
ERMORDET IN
AUSCHWITZ

Die Großmutter der Autoren, Selma Drucker war eine sehr praktische und am wenigsten mit Ideologie behaftete Person. Als Max und Hans verhaftet wurden, wusste sie nicht, was mit ihnen passieren würde, aber sie bestand darauf, dass Harry nach seiner Entlassung sofort Deutschland verlassen sollte. Er verließ dann sofort Berlin mit dem Zug, fuhr bis zum Hafen von Genua und weiter mit dem Schiff, der SS Roma, und erreichte Haifa im September 1933.
Als Hans am 17. April 1934 aus dem Gefängnis entlassen wurde, verließ er Deutschland sofort auf dem Landweg via Belgien, durchquerte viele andere Länder bis er Kuba, Puerto Rico und schließlich 1940 die USA erreichte.
Aber Max und Selma Drucker konnten Deutschland nicht verlassen: zuerst dachten sie bleiben zu müssen wegen des Geschäfts und ihrer Würde, denn sie glaubten an den deutschen Staat und dass ihnen nichts passieren würde, weil Max als Kriegsteilnehmer verwundet gewesen war und dazu Träger des Eisernen Kreuzes. Sie hofften, dass Deutschland sie nicht verfolgen würde, denn sie hatten ja nichts Unrechtes getan. Sie erkannten nicht das Ziel der Nazi – Politik, die Juden zu vernichten. Sie waren gute Staatsbürger und befolgten die Gesetze und Verordnungen, auch weil sie keine andere Wahl hatten.
Während der ganzen Jahre verfolgte das Naziregime eine systematische Politik der Entrechtung und Entmenschlichung: die meisten Berufe durften nicht mehr ausgeübt werden, sie durften keine Geschäfte, Geld, Schmuck oder viele andere Dinge mehr besitzen, durften nicht telefonieren, reisen, auf bestimmten Bänken sitzen oder Zeitungen haben. Jede gegenseitige Hilfe war verboten, ja letztlich war ihnen das Recht auf Leben verwehrt.
Sie waren mittellos, machtlos, hilflos als sie feststellten, dass es keine Möglichkeit gab, gegen die Ungerechtigkeit anzukämpfen.
Mehrmals wurde Max in Berlin verhaftet, beim letzten Mal wurde er am 2. Juni 1942 nach Sachsenhausen ins KZ deportiert, von wo er nie zurückkehrte. Am 10.Oktober 1942 wurde er mit 61 Jahren in Bernburg in Sachsen-Anhalt vergast. In den Akten steht jedoch, dass er an Grippe im KZ Sachsenhausen starb.
Diese Lüge beweist, dass die Nazis die Gas Experimente damals noch geheim hielten.
Selma lebte noch wenige Monate in Berlin, ohne Nachrichten von ihren Brüdern, Söhnen und Mutter, die in Berlin Mitte wohnte. Sie wurde nach Auschwitz- Birkenau deportiert und wurde dort 51-jährig am 6.März 1943 ermordet.
Die Nazis ermordeten auch Selmas Mutter und Brüder. Ihre beiden Söhne konnten Berlin verlassen und überlebten.
Harry Leo Drucker wanderte nach Jerusalem aus, heiratete dort und hatte eine Tochter und einen Sohn.

Hans Bodos Flucht führte ihn durch viele Länder, bis er schließlich in New York ankam. Er ging zur amerikanischen Armee während des 2. Weltkriegs und da er fürchtete, wegen seiner Deutschkenntnisse nach Deutschland entsandt zu werden, änderte er seinen Namen in Henry Brian Draker. Er heiratete in New York und bekam zwei Söhne.

(Biografie: Enkel David Mark Dror (né Drucker Weil) Sept. 2022
Übertragung ins Deutsche: Stolpersteininitiative Charlottenburg – Wilmersdorf

Stolperstein für Max Drucker

Stolperstein für Max Drucker

HIER WOHNTE
MAX DRUCKER
JG. 1881
VERHAFTET 2.6.1942
SACHSENHAUSEN
„VERLEGT“ OKT. 1942
BERNBURG
ERMORDET AM TAG
DER ANKUNFT

Meir Max Drucker wurde am 11. Februar 1881 in Lugetal bei Flatow/ Westpreußen (heute Stara Wiesniewka, bei Zlotow; Polen) geboren. Die Familie Drucker lebte dort, seitdem der Ort etwa im Jahre 1770 Teil von Preußen wurde. Getreide war das ertragreichste Exportgut. Der Vater Leib Drucker besaß einen gut gehenden Getreidehandel. Max ging in Flatow zur Schule und lernte dann den Handel mit Getreide von seinem Vater. Das Haus der Familie Drucker in Flatow hatte im Hof ein großes Silo. Als Max 27 Jahre alt war, starb sein Vater und Max musste nun dessen Geschäft und dann auch den Namen übernehmen.
Mit 28 heiratete er die 18-jährige Selma Goldschmidt, die wie er in Flatow geboren und aufgewachsen war. Im Oktober 1910 bekamen sie den ersten Sohn, Harry Leo Drucker, im Jahre 1912 wurde der zweite Sohn Hans Bodo (später Henry Brian) geboren. Drei weitere Kinder starben schon als Kleinkinder.
Im Juli 1914 begann der Erste Weltkrieg und Max, der zuvor Wehrdienst hatte leisten müssen, meldete sich als Freiwilliger, wurde gleich an die russische Front geschickt und dort schwer verwundet.
In Greifswald erholte er sich von den Kriegsverletzungen und musste in dieser Zeit als Ausbilder neuer Rekruten dienen. Nach sechs Monaten wurde er als geheilt entlassen und zurück an die Ostfront beordert.
Sergeant Max Drucker war ein sehr stolzer Veteran, der für seine Tapferkeit und Opferbereitschaft mit dem Verwundetenabzeichen und Eisernen Kreuz dekoriert wurde.
Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte für Max und Selma in Flatow wieder Normalität im Leben ein, außer, dass Selmas Familie nach Berlin zog: Selmas Mutter, Cäcilia Goldschmidt und drei Brüder, Max Goldschmidt, Alfred Goldschmidt und Georg Jacob Goldschmidt. Besonders bedeutsam war, dass der Erstgeborene, Harry Leo Drucker, sein Universitätsstudium in Zahnmedizin in Berlin begann, denn Harry war der erste in der Familie, der die Universität besuchte. 1930 zogen die Druckers in ein Apartment in der Schlüterstr. 26 in Charlottenburg/ Berlin, wo Selma die meiste Zeit verbrachte, weil inzwischen auch mehr Verwandte in Berlin lebten, mit denen sie sich gerne traf. Max blieb oft mit seinem jüngeren Bruder Hans in Flatow, um sich um das Geschäft zu kümmern. Die Familie traf sich dann häufig an den Wochenenden in Berlin, denn es gab eine gute Zugverbindung zwischen den Orten.
Kurz nachdem die Nazis 1933 an die Macht kamen, war auch schon die lokale Verwaltung von Flatow von ihnen dominiert. Großvater Max, sowie sein jüngerer Sohn Bodo wurden in Berlin inhaftiert, weil sie die falschen Angaben über eigenes finanzielles Vergehen durch die Gestapo in Flatow kritisiert hatten. Gleichzeitig wurde das Geschäft konfisziert und mein Vater Harry Leo musste die Universität wegen angeblich marxistischer Umtriebe verlassen, bevor er das Studium abschließen konnte.